Marktpreis bei Nachfragemonopol der öffentlichen Hand
Auch bei einem Nachfragemonopol der öffentlichen Hand kann ein Marktpreis im Sinne des Preisrechts gegeben sein
Ein Marktpreis im Sinne des Preisrechts kann auch bei einem Nachfragemonopol der öffentlichen Hand vorliegen. Voraussetzung ist, dass es sich um eine marktgängige Leistung handelt und der Anbieter seinen Preis wiederholt unter Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem Auftraggeber durchgesetzt hat.
Mit Urteil vom 13.04.2016 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass ein Marktpreis im Sinne des öffentlichen Preisrechts auch bei einem Nachfragemonopol der öffentlichen Hand vorliegen kann.
I. Hintergrund der Entscheidung
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung einer Preisprüfung auf Selbstkostenbasis im Hinblick auf mehrere Aufträge zur IT-Betreuung, welche ihr zuvor eine damalige Bundesbehörde erteilt hatte. Als Vergütung wurde jeweils ein Selbstkostenerstattungspreis vereinbart.
Die Beklagte forderte die Klägerin im Rahmen der Anordnung auf, ihr unter anderem Einsicht in bestimmte Unterlagen zu gewähren, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der jeweiligen Selbstkostenpreise geeignet sind (Stundensätze, Einzelkalkulationen etc.).
Die Klägerin hält die Anordnung der Preisprüfung für rechtswidrig, weil es sich um einen Marktpreis handele und die Beklagte insofern auch nicht Unterlagen anfordern könne, die sich auf die Ermittlung von Selbstkostenpreisen beziehen. Entsprechende Klagen blieben in erster und zweiter Instanz ohne Erfolg.
II. Überblick: Das öffentliche Preisrecht
Das öffentliche Preisrecht bezweckt, marktwirtschaftliche Grundsätze im öffentlichen Auftragswesen durchzusetzen, und bestimmt, welche Preise im Rahmen öffentlicher Aufträge höchstens vereinbart werden dürfen. Dabei geht es von einem strengen Vorrang des Marktpreises gegenüber Selbstkostenpreisen aus. Ein Marktpreis liegt dann vor, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: es handelt sich um eine marktgängige Leistung und für diese hat sich auf dem betreffenden Markt ein verkehrsüblicher Preis gebildet (§ 4 Abs. 1 VO PR 30/53). Nur wenn kein Marktpreis festgestellt werden kann, darf ein Selbstkostenpreis vereinbart werden.
Die Preise – Selbstkosten wie Marktpreise – unterliegen der Preisaufsicht und können einer Preisprüfung unterzogen werden, wobei je nach Preistyp nur bestimmte Unterlagen verlangt und eingesehen werden dürfen. Im Gegensatz zur Rechtslage bei Selbstkostenpreisen ist bei Marktpreisen eine Einsichtnahme in interne Aufzeichnungen der Kalkulation und der Fertigungsplanung nicht zulässig.
Folge einer unzulässigen Preisvereinbarung ist, dass der öffentliche Auftrag zwar wirksam bleibt, aber als zum preisrechtlich zulässigen Preis zustande gekommen gilt. Ein Verstoß gegen preisrechtliche Vorschriften birgt für beide Parteien Risiken: neben der Rückforderung des Mehrerlöses kann ein Verstoß eine Ordnungswidrigkeit darstellen, die üblicherweise mit einer Geldbuße geahndet wird.
III. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den VGH zurückverwiesen. Maßgeblich hatte es über die Frage zu entscheiden, ob ein Marktpreis vorliegt.
1. Verkehrsüblicher Preis auch bei Monopol der öffentlichen Hand möglich
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt, dass im vorliegenden Fall als verkehrsüblicher Preis nur der „betriebsbezogene Marktpreis“ in Betracht komme. Dieser kennzeichne sich dadurch, dass der Anbieter seinen Preis für die gleiche marktgängige Leistung wiederholt unter Wettbewerbsbedingungen durchgesetzt hat. Es sei dabei jedoch gerade nicht erforderlich, dass der Anbieter seinen Preis für die Leistung gegenüber verschiedenen Nachfragern auf dem Markt durchgesetzt habe. Ansonsten würden die Voraussetzungen des betriebssubjektiven Marktpreises im Sinne von § 4 Abs. 1 VO PR 30/53 zu eng gefasst. Besteht ein Nachfragemonopol der öffentlichen Hand, so reiche es vielmehr bereits aus, wenn die preisliche Durchsetzung allein gegenüber diesem einen Auftraggeber erfolgt ist. Belegt werden könne dies durch vorangegangene, sachlich unabhängige Aufträge, die gleiche oder gleichartige Leistungen zum Gegenstand hatten und in zeitlicher Nähe zu der in Rede stehenden Vereinbarung liegen. Das Vorliegen eines Nachfragemonopols verhindere eine wettbewerbliche Preisbildung grundsätzlich nicht, solange der Preis aus einem Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern resultiere.
2. Marktgängigkeit: Wettbewerb mehrerer Anbieter
Aus den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts ergebe sich ferner nicht, dass die in Rede stehenden IT-Dienstleistungen nicht marktgängig seien. Eine Leistung sei marktgängig, wenn sie – sofern nicht durch Ausschreibung ein besonderer Markt geschaffen wird – auf einem allgemeinen Markt wiederholt unter Wettbewerbsbedingungen umgesetzt wurde. Sie müsse also von anderen Anbietern tatsächlich zu einem bestimmten Preis angeboten worden sein. Dass diese die Leistung nur hypothetisch erbringen könnten, reiche nicht aus. Ein bloß fiktiver Wettbewerb genüge nicht.
3. Ausblick
Der VGH muss nun prüfen, ob es sich bei den in Rede stehenden Aufträgen um marktgängige Leistungen handelt. Kann dies bejaht werden, ist weiter zu erörtern, ob ein verkehrsüblicher Preis in Gestalt eines betriebssubjektiven Marktpreises für diese Leistungen vorlag. Nur wenn das nicht der Fall sein sollte und sich auch kein abgeleiteter Marktpreis nach § 4 Abs. 2 VO PR. 30/53 feststellen ließe, war die Anordnung einer Preisprüfung auf Selbstkostenbasis rechtmäßig.
IV. Praxishinweis
Das Urteil unterstreicht den ausdrücklichen Vorrang des Marktpreises. Dieser maßgebliche preisrechtliche Grundsatz darf nicht durch eine zu enge Auslegung der Tatbestandsmerkmale beschränkt werden. Die dezidierte Befassung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Auslegung und der Reichweite des betriebssubjektiven Marktpreises ist – vor allem auch vor dem Hintergrund, dass wenig gerichtliche Entscheidung zu dieser Thematik ergangen sind – besonders begrüßenswert.
Zur Vermeidung finanzieller Einbußen in Form von Rückerstattungen oder Bußgeldern sollten Unternehmen, die beabsichtigen, öffentliche Aufträge im Sinne des Preisrechts einzugehen, insofern eingehend prüfen, ob für die geschuldete Leistung nach Maßgabe der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts ein Marktpreis vorliegt, bevor sie einen Selbstkostenpreis vereinbaren.
Es bleibt abzuwarten, inwiefern in Anbetracht der anstehenden Preisrechtsreform die bislang oft schwere Abgrenzung des Marktpreises in Zukunft erleichtert wird.