Informationsrechte von Gläubigern in Insolvenzverfahren
Als Gläubiger steht man in der Insolvenz eines Geschäftspartners vor schwierigen Fragen. Wie kann er seine Rechte im Insolvenzverfahren bestmöglich geltend machen? Kann die Geschäftsbeziehung noch fortgesetzt werden? Wesentliche Voraussetzung für die erforderlichen Entscheidungen sind ausreichend Informationen. Wann, wie und von wem man diese erlangen kann, soll nachfolgend aufgezeigt werden.
A. Einleitung
In der Insolvenz eines Kunden oder Lieferanten ist es für die betroffenen Gläubiger entscheidend, an ausreichende Informationen zu gelangen, um ihre Rechte bestmöglich wahrnehmen zu können. In der Insolvenz eines Kunden geht es z.B. darum, Eigentumsvorbehaltsrechte geltend zu machen. In der Insolvenz eines Lieferanten hingegen ist für den Gläubiger wichtig, bestellte Waren zu erhalten. In jedem Fall kann es für einen Gläubiger in wirtschaftlicher Hinsicht darauf ankommen, die Geschäftsbeziehung trotz der Insolvenz des Geschäftspartners zu erhalten. Im Folgenden daher einige Ausführungen zum Insolvenzverfahren eines Unternehmens in der häufig anzutreffenden Rechtsform einer GmbH und möglichen Reaktionen seiner Geschäftspartner.
B. Arten und Ablauf eines Insolvenzverfahrens
Arten
Um die eigenen Rechte wahrnehmen zu können, ist es zunächst wichtig, die Arten und den Ablauf eines Insolvenzverfahrens zu kennen und sich nach diesen Rahmenbedingungen zu richten. Als Verfahrensarten sind im Wesentlichen das Regelverfahren und die Eigenverwaltungsverfahren zu unterscheiden. Im Regelverfahren wird ein (vorläufiger) Insolvenzverwalter bestellt, der im vorläufigen Verfahren mit sehr unterschiedlichen Rechten vom Gericht ausgestattet werden kann. Ab der endgültigen Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzverwalter von Gesetzes wegen das Recht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen. Daher ist im Regelverfahren der Insolvenzverwalter für jeden Gläubiger zentraler Ansprechpartner, um an Informationen zu gelangen.
In der Eigenverwaltung hingegen verbleiben die Rechte zur Verwaltung und Verwertung beim schuldnerischen Unternehmen bzw. dessen Geschäftsführung. Vom Gericht wird ein Sachwalter bestellt, der im Wesentlichen Aufsichts- und Überwachungsfunktion hat. Die Eigenverwaltung kann als sog. Schutzschirmverfahren ausgestaltet sein, bei dem das schuldnerische Unternehmen den Insolvenzantrag frühzeitig stellen muss und das Verfahren auf einen Insolvenzplan ausgerichtet ist. Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Eigenverwaltung ist die Geschäftsführung der wesentliche Ansprechpartner für Informationsanfragen der Gläubiger.
Ablauf
Neben der Verfahrensart, sind zeitliche Aspekte zu beachten. Eine grobe Einteilung ergibt sich durch das sog. vorläufige und das eröffnete Insolvenzverfahren. Aus wirtschaftlicher Sicht ist diese Unterscheidung insofern wichtig, als die nach der Eröffnung begründeten Verbindlichkeiten vom schuldnerischen Unternehmen bzw. dem Insolvenzverwalter als sog. Masseverbindlichkeiten in voller Höhe zu bezahlen sind.
Im Einzelnen verläuft das Verfahren mit folgenden wesentlichen Eckpunkten ab. Zunächst wird ein Insolvenzantrag beim Insolvenzgericht (Amtsgericht) gestellt. Über diesen Antrag wird in der Regel kurzfristig, bei entsprechend guter Vorbereitung des Insolvenzverfahrens noch am Tag der Antragstellung, entschieden. In dem gerichtlichen Beschluss werden u.a. die Verfahrensart bestimmt, vorläufige Sicherungsmaßnahmen angeordnet und somit das vorläufige Verfahren eröffnet. Das Eröffnungsverfahren bzw. vorläufige Insolvenzverfahren dauert in der Regel drei Monate, was durch den sog. Insolvenzgeldzeitraum (maximal drei Monate) mit beeinflusst wird. Während des Eröffnungsverfahrens holt das Amtsgericht einen Sachverständigenbericht zur Situation des Unternehmens ein, der üblicherweise vom Insolvenzverwalter bzw. Sachwalter verfasst wird. Auf Basis dieses Berichts entscheidet das Insolvenzgericht über die Eröffnung des Verfahrens. Es wird hierbei insbesondere das Vorliegen eines Insolvenzgrundes geprüft. Neben der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens enthält der Beschluss insbesondere die Aufforderung an die Gläubiger, ihre vor der Eröffnung begründeten Ansprüche bis zu einem bestimmten Datum beim Insolvenzverwalter anzumelden, und bestimmt die Daten für den Berichts- und Prüfungstermin. Der Berichtstermin stellt gleichzeitig den Termin der ersten Gläubigerversammlung dar. Der Sachwalter bzw. der Insolvenzverwalter wird damit beauftragt, diesen Beschluss an die Gläubiger zu versenden. Insofern werden die Gläubiger zum ersten Mal „offiziell“ in das Verfahren eingebunden.
Im eröffneten Verfahren sind die zwei wesentlichen Termine (Berichts- und Prüfungstermin) vorgesehen. Der Berichtstermin dient dazu, dass der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Situation, die Ursachen der Insolvenz und die Fortführungsaussichten für das Unternehmen berichtet. Die Gläubiger entscheiden auf Basis dieser Informationen über die vorläufige Unternehmensfortführung. Im Prüfungstermin werden die beim Insolvenzverwalter angemeldeten Forderungen und deren Anerkennung in der Insolvenztabelle erörtert.
C. Einbeziehung der Gläubiger im Verfahrensverlauf
Von Gesetzes wegen erhalten die Gläubiger erst durch die Aufforderung zur Forderungsanmeldung im Eröffnungsbeschluss Kenntnis vom Insolvenzverfahren ihres Geschäftspartners. Dies ist ein relativ später Zeitpunkt, bedenkt man, dass das vorläufige Verfahren dann schon bis zu drei Monaten andauert. Werden zu Beginn des vorläufigen Verfahrens allerdings Sicherungsmaßnahmen in Form von Verfügungsbeschränkungen angeordnet, so ist dieser Beschluss immerhin öffentlich bekanntzumachen (was eine Kenntnisnahme durch die Gläubiger – bei entsprechender Überwachung der einschlägigen Publikationen – immerhin erlaubte). Eine gesonderte Zustellung ist indes nur an den Schuldner, Personen, die Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner haben, und an den vorläufigen Insolvenzverwalter vorgesehen. Eine frühere Information an bestimmte Gläubiger kann ferner in den Fällen erfolgen, in denen ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt werden soll.
In der Praxis erfolgt aber bereits unmittelbar nach Antragstellung und gerichtlichem Beschluss über vorläufige Maßnahmen eine Mitteilung an die in der Buchhaltung ausgewiesenen Gläubiger. In diesen Informationsschreiben werden diese über die Fakten informiert, um weitere Zusammenarbeit mit dem schuldnerischen Unternehmen gebeten und auf den weiteren Verfahrensablauf hingewiesen, insbesondere darauf, dass es noch eine gesonderte Aufforderung zur Anmeldung der Insolvenzforderungen geben wird.
Für den Fall der Unternehmensfortführung ist die frühzeitige Einbindung der Gläubiger in Ihrer Gesamtheit besonders wichtig. Dafür ist seit 2012 die Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses – mit Erreichen bestimmter Größenkriterien (Bilanzsumme, Umsatz, Arbeitnehmer) – verpflichtend vorgesehen; unterhalb dieser Grenze kann ein Gläubigerausschuss auf Antrag eingesetzt werden. Der vorläufige Gläubigerausschuss unterstützt und überwacht den Insolvenzverwalter bzw. den eigenverwaltenden Schuldner bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens. Im Rahmen ihrer Überwachungsaufgabe erhalten die Gläubigerausschussmitglieder detaillierte Informationen zur wirtschaftlichen Situation des Unternehmens und zu den mit Antragstellung getroffenen und geplanten Maßnahmen. Diese Informationen unterliegen jedoch einer strengen Verschwiegenheitspflicht und dürfen nicht an außerhalb des Gläubigerausschusses stehende Dritte weitergegeben werden. Die Verschwiegenheitspflicht betrifft auch z.B. das Verhältnis eines Angestellten zu seinem Arbeitgeber, für den er an den Gläubigerausschusssitzungen teilnimmt. Die durch Teilnahme am Gläubigerausschuss gewonnenen Erkenntnisse sind nicht für die Geschäftsbeziehung mit dem schuldnerischen Unternehmen verwertbar.
Auf anderem Wege ist es ebenfalls schwierig für die beteiligten Gläubiger, an verwendbare Informationen zu gelangen. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch des einzelnen Gläubigers auf Informationserteilung gegenüber dem Insolvenzverwalter bzw. dem eigenverwaltenden Schuldner. Eine Ausnahme kann sich aufgrund einer besonderen Rechtsstellung ergeben (Aus- oder Absonderungsrecht). Ein Recht zur Akteneinsicht beim Insolvenzgericht besteht, soweit ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht werden kann, wobei ein rein wirtschaftliches Interesse nicht ausreichend ist. Die Akteneinsicht ist aber nur von begrenzter Verwendbarkeit. Rein praktisch können dort nur die Unterlagen eingesehen werden, die auch dem Gericht vorgelegt wurden und nicht in Sonder- oder Beiakten (die häufig vertrauliche Unterlagen enthalten) abgelegt sind. Dafür muss z.B. ein Bericht erst vom Insolvenzverwalter verfasst und eingereicht worden sein, so dass er nur von begrenzter Aktualität ist. Im Übrigen kann eine Begrenzung des Einsichtsrechts aufgrund eines Geheinhaltungsinteresses des Schuldners (z.B. Schutz geistigen Eigentums, Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses) möglich sein.
D. Sonderrechte
Aussonderung
Gehört ein Gegenstand nicht dem schuldnerischen Unternehmen, sondern einem Dritten, so ist dieser zur Aussonderung berechtigt. Grundlage sind persönliche oder dingliche Rechte, wie z.B. Wohnrecht oder Eigentum (aufgrund eines Eigentumsvorbehalts). Der Dritte erhält seinen Gegenstand vom Insolvenzverwalter zurück und nimmt insoweit nicht als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren teil. Als aussonderungsberechtigter Gläubiger kann man vom Insolvenzverwalter jederzeit Auskunft über den Verbleib, Zustand oder etwaige Verarbeitung sowie Belastung des Aussonderungsguts verlangen. Dieser Informationsanspruch ist aber nur auf den Gegenstand der Aussonderung begrenzt.
Absonderung
Im Gegensatz zu den aussonderungsberechtigten Dritten ist der Absonderungsberechtigte nur zur vorrangigen Befriedigung aus der Verwertung des Gegenstandes berechtigt, d.h. er nimmt als Insolvenzgläubiger am Insolvenzverfahren teil, erhält aber eine bevorzugte Behandlung seiner Forderung. Zur Absonderung berechtigen z.B. ein Pfandrecht oder eine Sicherungsübereignung. Hier ergibt sich der Sonderfall einer Informationspflicht des Insolvenzverwalters, da er die Sache trotz des Absonderungsrechts grundsätzlich eigenhändig verwerten darf, den Gläubiger jedoch vorab informieren muss. Auch dieses Recht ist jedoch auf einen bestimmten Gegenstand begrenzt.
E. Die Insolvenz aus der Perspektive als Geschäftspartner
Insolvenz eines Kunden
In der Insolvenz eines Kunden geht es für die Gläubiger in der Regel vor allem darum, den Eigentumsvorbehalt an den gelieferten Waren (Aussonderungsrecht) geltend zu machen und durchsetzen zu können. Hierfür ist es erforderlich, dass der Gläubiger weiß, welche Waren noch beim Kunden vorhanden sind. Dies kann der Gläubiger zunächst aufgrund der offenen Rechnungen, auf die schon Warenlieferungen erfolgt sind, abschätzen, aber letztlich nicht genau nachprüfen. Daher sollte er sich die Informationen geben lassen und zwar zum einen unmittelbar nachdem er vom vorläufigen Verfahren Kenntnis erhalten hat, und zum anderen unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Auskunft muss er vom Insolvenzverwalter bzw. dem Unternehmen in Eigenverwaltung verlangen. Dieses Informationsrecht bezieht sich jedoch nur auf die geleiferten Waren, nicht aber auf das Verfahren insgesamt.
Insolvenz eines Lieferanten
Wesentliches Instrument zum – zumindest zwischenzeitlichen – Erhalt eines Lieferanten ist die sog. Fortführungsvereinbarung. Darin vereinbaren der Insolvenzverwalter des Lieferanten bzw. in der Eigenverwaltung dessen Geschäftsführung und der Gläubiger als dessen Kunde, zu welchen Konditionen bereits begonnene Aufträge zu Ende gebracht bzw. neue Bestellungen ausgeführt werden können. In der Regel wird der Gläubiger hier Zugeständnisse hinsichtlich der Konditionen machen müssen. Führt die Produktion des für ihn wichtigen Produkts zu Verlusten beim Lieferanten, wird er Zuschüsse leisten müssen, damit aus der weiteren Produktion der bestellten Waren keine Effekte zu Lasten der Insolvenzmasse entstehen. Eine solche Fortführungsvereinbarung bietet jedoch auch die Möglichkeit für den Gläubiger, sich Informationsrechte einräumen zu lassen und dem Insolvenzverwalter bzw. eigenverwaltenden Schuldner bestimmte Informationspflichten aufzuerlegen. Diese können sehr weitreichend ausgestaltet sein, da der Gläubiger als Kunde z.B. frühzeitig darüber informiert werden möchte, wenn für das gewünschte Produkt oder insgesamt nur noch eine Ausproduktion vorgesehen ist. Insofern kann der Gläubiger hier über die eigentliche Lieferbeziehung hinausgehende Informationen erlangen und für seine eigene Geschäftsplanung verwenden.
E. Fazit
Die gesetzlichen Vorgaben für die Insolvenzverfahren überragend wichtige Information der beteiligten Gläubiger ist nur unzureichend geregelt. Die Gläubiger erhalten nur von den wesentlichen Verfahrensabschnitten Kenntnis. Die jüngsten Reformen des Insolvenzrechts haben die Rechtsstellung der Gläubiger in ihrer Gesamtheit nicht verbessert. Die Mitwirkung im Gläubigerausschuss bietet die Möglichkeit, frühzeitig in das Verfahren eingebunden zu werden und wesentliche Weichen für den Fortbestand des Geschäftspartners zu stellen. Die dort erlangten Informationen dürfen jedoch aufgrund der Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder des Ausschusses nicht nach außen kommuniziert oder verwendet werden.