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22.07.2011
Verfahrensrecht

FG Baden-Württemberg: Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids

Der BFH hat die Revision des Finanzamts bestätigt und entschieden, dass das Wohnsitz-Finanzamt des Klägers, den im Feststellungsbescheid der GbR als Veräußerungsgewinn bezeichneten Gewinn in einen laufenden Gewinn im Rahmen des vom Kläger betriebenen gewerblichen Grundstückshandels umqualifizieren darf.
BFH, Urteil vom 17.04.2012, X R 34/10 

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Sachverhalt

Der Kläger hat seinen Anteil an der Grundstücks-GbR, die auf dem Gebiet des gewerblichen Grundstückshandels tätig war, veräußert. Das Betriebs-Finanzamt hat in dem Feststellungsbescheid der GbR den Veräußerungsgewinn des Klägers rechtsirrig als begünstigten Veräußerungsgewinn festgestellt. Das Wohnsitz-Finanzamt hat im Einkommensteuerbescheid 1991 des Klägers diesen Gewinn in einen laufenden Gewinn umqualifiziert. Streitig ist, ob das Wohnsitz-Finanzamt zur Umqualifizierung berechtigt war.

Entscheidung

Die Klage ist begründet. Das Wohnsitz-Finanzamt ist an die Feststellung des Betriebs-Finanzamts gebunden mit der Maßgabe, dass im Einkommensteuerbescheid des Klägers anstelle eines laufenden Gewinns ein begünstigter Veräußerungsgewinn anzusetzen ist.

Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid, dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO). Das für den Erlass eines Folgebescheids zuständige Finanzamt ist verpflichtet, die Folgerungen aus dem Grundlagenbescheid zu ziehen. Die Einkünfte der Gesellschafter der GbR waren gesondert und einheitlich festzustellen (§§ 179 Abs. 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 AO). Das Betriebs-Finanzamt hat mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten (“einheitlich”) nicht nur über die Steuerpflicht dem Grunde nach, sondern auch über die Steuerpflicht der Höhe nach (Regelbesteuerung - begünstigte Besteuerung) zu entscheiden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (z. B. Urteil vom 07.05.2008) gehört zu den notwendigen und eigenständigen Regelungen in einem solchen Bescheid deshalb auch die Feststellung, ob der Gewinn(-anteil) eines Gesellschafters zu den laufenden, der Regelbesteuerung unterliegenden oder zu den außerordentlichen Einkünften i. S. der §§ 16, 34 EStG rechnet. An die Feststellung der Art der Steuerermäßigung im Grundlagenbescheid ist das Wohnsitz-Finanzamt gebunden, das den Folgebescheid erlässt (§ 182 Abs. 1 AO).

Die Qualifikation des Veräußerungsgewinns ist nicht von persönlichen Tatbestandsmerkmalen des Gesellschafters abhängig, vielmehr wäre dieser Gewinn bereits auf der Ebene der Gesellschaft - im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung - als Teil des laufenden Gewinns (statt als Veräußerungsgewinn) zu erfassen (festzustellen) gewesen. Denn Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer Personengesellschaft, zu deren Betriebsvermögen im Zeitpunkt der Veräußerung Grundstücke gehören, die dem Umlaufvermögen des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens zuzurechnen sind, sind laufende Gewinne, die nicht nach den §§ 16, 34 EStG einkommensteuerbegünstigt sind (BFH-Urteil vom 14.12.2006). Die Annahme eines begünstigten Veräußerungsgewinns durch das Betriebs-Finanzamt war somit fehlerhaft.

Eine fehlerhafte Qualifikation von Einkünften bereits auf der Ebene der Gesellschaft kann aber nicht auf der Ebene des Gesellschafters (im Einkommensteuer-Bescheid) durch “Umqualifizierung” korrigiert bzw. kompensiert werden. Denn bei einer fehlerhaften Qualifikation der Einkünfte bereits auf der Ebene der Gesellschaft lässt sich eine Umqualifizierung nicht darauf stützen, dass erst die Betrachtung der Gesamtumstände auf der Ebene des Gesellschafters eine zutreffende Beurteilung der Einkünfte ermögliche.

Betroffene Normen

§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO, § 182 Abs. 1 AO, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 179 Abs. 2 S. 2 AO, §§ 16, 34 EStG
Streitjahr 1991

Fundstelle

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 13.04.2010, 4 K 379/09, EFG 2011, S. 1044; BFH, Urteil vom 17.04.2012,X R 34/10

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 07.05.2008, X R 21/05, BFH/NV 2008, S. 1436
BFH, Urteil vom 14.12.2006, IV R 3/05, BStBl II 2007, S. 777

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