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11.02.2016
Unternehmensteuer

BVerfG-Vorlage zur Verfassungswidrigkeit der Zinsschranke

Der BFH hat dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die sog. Zinsschranke aufgrund eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig ist. Entsprechende Bescheide sollten offen gehalten werden.

Sachverhalt

Bei einer zu einem inländischen Konzern gehörenden Kapitalgesellschaft, der Klägerin, wurde in den Streitjahren 2008 und 2009 die Zinsschranke angewandt und der Betriebsausgabenabzug nach Maßgabe der Zinsschranke begrenzt. Der Ende 2008 festgestellte Zinsvortrag entfiel zudem im Folgejahr infolge der Verschmelzung der Klägerin. Bei dem Urteilsfall handelt es sich um einen "reinen Inlandsfall", da keine Finanzierung aus dem Ausland stattgefunden hat. Einspruch und Klage gegen die Anwendung der Zinsschranke blieben erfolglos.

Entscheidung

Zurecht sei das FG davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Zinsschranke gem. § 4h Abs. 1 und 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a Abs. 1 KStG vorlägen. Eine Vorlage an das BVerfG sei geboten, weil zur Überzeugung des BFH die Regelung der Zinsschranke wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig sei. Denn die ergebnisabhängige Zinsabzugsbeschränkung verletze das Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des Ertragssteuerrechts nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.

Außerdem missachte die Regelung das objektive Nettoprinzip, da nicht mehr das tatsächliche Nettoeinkommen der Besteuerung zugrunde gelegt werde, sondern ein durch die Abzugsbeschränkung fiktiv erhöhtes Einkommen. Auch werde die Besteuerung des Nettoeinkommens nicht dadurch gewährleistet, dass der nicht abziehbare Aufwand als Zinsvortrag in späteren Veranlagungszeiträumen einkommenswirksam werden könne. Auch ein solches „veranlagungszeitraumübergreifendes Konzept“ sei – entgegen der Auffassung des BMF (Schreiben vom 13.11.2014) – nicht mit dem objektiven Nettoprinzip vereinbar.

Insbesondere ginge es auch nicht darum, eine wirtschaftliche Zuordnung des Zinsaufwands im Sinne einer Periodisierung vorzunehmen, wie sie allgemein z.B. bei der Rechnungsabgrenzung (§ 5 Abs. 5 EStG) von Bedeutung sei. Vielmehr liege, bezogen auf die Zeiteinheit des Anfalls des Finanzierungsaufwands, ein (Teil-) Betriebsausgabenabzugsverbot vor. Jenes wirke zwar mit Blick auf den Zinsvortrag (und den nach den Streitjahren eingeführten sog. EBITDA-Vortrag in § 4h Abs. 1 S. 3 EStG 2009 n.F.) möglicherweise nur temporär (zukünftig auflösend bedingt), schließe aber jedenfalls zunächst einen möglichen Ausgleich mit Betriebseinnahmen nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips aus. Außerdem gebe es das Risiko von sog. Definitivsituationen z.B. bei Umstrukturierungen (s. § 4h Abs. 5 EStG 2002 n.F. i.V.m. § 8 Abs. 1 und § 8a Abs. 1 S. 3 KStG 2002 n.F.), die einen endgültigen Verlust des vorgetragenen Zinsaufwandes zur Folge hätten.

Nach Auffassung des BFH könne die Regelung auch weder durch den vom historischen Gesetzgeber angeführten Zweck der Eigenkapitalstärkung noch durch das Anliegen unkalkulierbare Steuerausfälle zu vermeiden oder durch das Ziel der Sicherung des deutschen Steuersubstrats (Vermeidung von Missbrauch) gerechtfertigt werden. Der Zweck der Missbrauchsabwehr sei deshalb nicht gerechtfertigt, da die Zinsschranke nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Missbrauchstypisierung entspreche.

Eine gesetzliche Typisierung dürfe keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern müsse sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren und sich am allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Die Typisierungsgrenzen seien vom Gesetzgeber schon allein dadurch überschritten worden, dass er die Zinsschranke nicht auf grenzüberschreitende Situationen beschränkt habe, sondern die Regelung vielmehr eine Anwendung auch auf Inlandsfälle vorsehe.

So sei das nach dem Wortlaut der Begründung des Gesetzentwurfs auf die deutschen fiskalischen Interessen im grenzüberschreitenden Fall ausgerichtete Ziel für den reinen Inlandsfall nicht tragfähig, denn eine das deutsche Besteuerungssubstrat gefährdende Gewinnverlagerung durch Fremdkapitalisierung sei ausgeschlossen. Soweit hiergegen eingewandt werde, mit Blick auf unterschiedliche Hebesätze bei der Gewerbesteuerbemessung könne auch bei reinen Inlandsfällen ein Gewinnverlagerungsanreiz bestehen, sei nach Auffassung des BFH dieses Argument angesichts der vom Gesetzgeber tolerierten Bandbreite der Hebesatzentscheidungen der Steuergläubiger nicht durchschlagend.

Abschließend wertet der BFH die durch die Zinsschranke entstandene Steuerbelastung im Urteilsfall, der als "reiner Inlandsfall" (keine Finanzierung aus dem Ausland) zu qualifizieren sei, aus den vorgenannten Gründen als gleichheitswidrigen Eingriff in den Kernbereich des ertragsteuerrechtlichen Nettoprinzips.

Betroffene Normen

§ 4h EStG, Art. 3 Abs. 1 GG

Streitjahre 2008 u. 2009

Anmerkung

Bereits in seinem Beschluss vom 18.12.2013 (siehe Deloitte Tax-News) hatte der BFH Zweifel an der Verfassungskonformität der Zinsschranke geäußert. Dazu hatte das BMF am 13.11.2014 einen sog. Nichtanwendungserlass angeordnet.

Bis zu einer Entscheidung des BVerfG über die Vorlage des BFH sollten alle von der Zinsschranke betroffenen Bescheide offen gehalten werden.

Vorinstanz

FG München, Beschluss vom 06.03.2015, 7 K 680/12

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 14.10.2015, I R 20/15,  BStBl II 2017 Seite 1240

BFH, Pressemitteilung vom 10.02.2016, Nr. 13

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 18.12.2013, I B 85/13, siehe Deloitte Tax-News

BMF, Schreiben vom 13.11.2014, BStBl I 2014, S. 1516

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