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06.07.2022
Unternehmensteuer

BMF: Ertragsteuerrechtliche Behandlung von Gesellschaftsdarlehen (§17 Absatz 2a EStG), Bürgschaftsregress- und vergleichbare Forderungen

Das BMF hat mit Datum vom 07.06.2022 ein Schreiben zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von Gesellschaftsdarlehen veröffentlicht. Im Schreiben erläutert das BMF u.a. die Voraussetzungen für nachträgliche Anschaffungskosten von Anteilen im Sinne von § 17 EStG und nimmt somit zu der im Jahr 2019 eingeführten, gesetzlichen Neuregelung des § 17 Abs. 2a EStG erstmalig Stellung. 

Hintergrund

Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (vgl. BGBl. I 2019, S. 2451, siehe Deloitte-Tax-News) hat der Gesetzgeber normspezifisch die Anschaffungskosten einschließlich der nachträglichen Anschaffungskosten von Anteilen i. S. v. § 17 EStG definiert (§ 17 Abs. 2a EStG).

Zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören nach § 17 Abs. 2a S. 3 EStG insbesondere offene oder verdeckte Einlagen, Darlehensverluste und Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbaren Forderungen (soweit diese gesellschaftsrechtlich veranlasst waren). Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung liegt nach § 17 Abs. 2a S. 4 EStG regelmäßig vor, wenn ein fremder Dritter das Darlehen oder Sicherungsmittel bei sonst gleichen Umständen zurückgefordert oder nicht gewährt hätte. Zu dieser Gesetzesänderung nimmt nun das BMF-Schreiben vom 07.06.2022 erstmalig Stellung.

Verwaltungsanweisung

Im Folgenden werden die wesentlichen Aussagen des BMF zusammengefasst.

I. Nachträgliche Anschaffungskosten

Zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören offene oder verdeckte Einlagen, Darlehensverluste, soweit die Gewährung des Darlehens oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war und Ausfälle von Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbaren Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Hingegen führt die rein gesellschaftsintern wirkende Umgliederung einer freien Gewinnrücklage in eine zweckgebundene Rücklage nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten auf den Geschäftsanteil des veräußernden Gesellschafters (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.2017, IX R 7/17).

1. Offene oder verdeckte Einlagen (§ 17 Abs. 2a S.3 Nr. 1 EStG)

Ob eine offene oder eine verdeckte Einlage vorliegt, richtet sich nach handels-, bilanzsteuer- und körperschaftssteuerlichen Grundsätzen.

Zu den offenen Einlagen zählen insbesondere Nachschüsse (§§ 26 ff GmbHG), Barzuschüsse und sonstige Zahlungen (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB). Ebenfalls zählen Einlagen dazu, die in zeitlicher Nähe zur Veräußerung der Beteiligung geleistet werden (vgl. BFH-Urteil vom 20.07.2018, IX R 5/15).
Als verdeckte Einlage zählt insbesondere der Verzicht auf ein Gesellschaftsdarlehen in Höhe des werthaltigen Teils.

2. Darlehenverluste (§ 17 Abs. 2a S.3 Nr. 2 EStG)

Verluste aus Gesellschafterdarlehen sind nur dann zu berücksichtigen, wenn die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens gesellschaftsrechtlich - also durch das Gesellschaftsverhältnis - veranlasst war.

3. Gesellschaftsrechtliche Veranlassung (§ 17 Abs. 2a S. 4 EStG)

Eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Darlehensgewährung ist danach zu beurteilen, ob die Gesellschaft unter den bestehenden Verhältnissen von einem Dritten noch ein Darlehen zu marktüblichen Bedingungen erhalten hätte. Allein die Vereinbarung eines Gesellschafterdarlehens zu nicht marktüblichen Bedingungen (z. B. zinsloses Darlehen) führt daher noch nicht zur Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung i. S. v. § 17 Absatz 2a Satz 4 EStG.
Ein Darlehen ist dann gesellschaftsrechtlich veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder Weitergewährung die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise).

4. Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten

a) Hingabe des Darlehens in der Krise (Krisendarlehen)

Bei Verlust (§ 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG) oder Darlehensverzicht (§ 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1, 2 EStG) ist bei einem Krisendarlehen der Nennwert des Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Eine Berücksichtigung des Verlustes im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist aufgrund der Subsidiarität des § 20 EStG zu § 17 EStG nicht möglich (vgl. § 20 Abs. 8 EStG).

b) Krisenbestimmtes Darlehen

Ein krisenbestimmtes Darlehen ist ein Darlehen, bei dem der Gesellschafter schon vor dem Eintritt der Krise mit bindender Wirkung gegenüber der Gesellschaft oder den Gesellschaftsgläubigern erklärt, dass er das Darlehen auch im Falle einer Krise stehen lassen werde. Bei einem krisenbestimmten Darlehen ist im Falle eines Verlusts (§ 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG) oder Darlehensverzichts (§ 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1, 2 EStG) wiederum der Nennwert des Darlehens als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen.

c) Finanzplandarlehen

Ein Finanzplandarlehen ist ein Darlehen, das von vornherein in die Finanzplanung der Gesellschaft in der Weise einbezogen wird, dass die zur Aufnahme der Geschäfte erforderliche Kapitalausstattung der Gesellschaft krisenunabhängig durch eine Kombination von Eigen- und Fremdfinanzierung erreicht werden soll. Der Verlust eines Finanzplandarlehens ist wiederum in Höhe seines Nennwerts als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen (vgl. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG).

d) Stehen gelassenes Darlehen

Bei Verlust führt nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise werthaltige Teil des stehen gelassenen Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG). Der nicht mehr werthaltige Teil des stehen gelassenen Darlehens ist im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen zu berücksichtigen.

e) Veräußerung eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehens

Soweit keine verdeckte Einlage vorliegt, führt ein Verlust aus der Veräußerung eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehens an die Gesellschaft oder einen Dritten nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a EStG. Der Verlust kann nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen berücksichtigt werden.

II. Bürgschaftsregressforderung und vergleichbare Forderung

Die Ausführungen unter I. gelten sinngemäß für Bürgschaftsregress- und vergleichbare Forderungen.

III. Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Eine Berücksichtigung von Darlehensverlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist nur möglich, soweit der Darlehensverlust nach den vorstehenden Ausführungen nicht nach § 17 EStG zu berücksichtigen ist (vgl. § 20 Absatz 8 EStG).

1. Einkunftserzielungsabsicht

Der Ausfall einer Darlehensforderung kann einkommensteuerrechtlich nur als Verlust berücksichtigt werden, wenn das Darlehen mit einer Einkunftserzielungsabsicht gewährt wurde (vgl. auch BFH-Urteil vom 14.03.2017, VIII R 38/15). Von einer fehlenden Einkunftserzielungsabsicht ist nur dann auszugehen, wenn die Erzielung von positiven Einkünften im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung insgesamt unmöglich ist.

Liegt im Zeitpunkt der Darlehensgewährung eine Einkunftserzielungsabsicht vor, dann ist im Zeitpunkt des Kriseneintritts keine erneute Prüfung vorzunehmen.

2. Eintritt der Uneinbringlichkeit einer Darlehensforderung

a) Ausfall der Darlehensforderung

Ein endgültiger Ausfall einer Darlehensforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führt zu einem steuerlich zu berücksichtigenden Verlust (vgl. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 und S. 2 sowie Abs. 4 EStG). 

Ein endgültiger Forderungsausfall liegt u.a. dann vor, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist oder aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr stattfinden wird (vgl. BFH-Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15). Von einem endgültigen Ausfall einer privaten Kapitalforderung i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist auszugehen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 S. 1 InsO angezeigt hat (vgl. BFH-Urteil vom 01.07.2021, VIII R 28/18).

Der Verlust wird in dem Veranlagungszeitraum realisiert, in dem seine Höhe endgültig feststeht.

b) Verzicht auf die Darlehensforderung

Der Verzicht auf eine nicht werthaltige Darlehensforderung ist ein steuerlich anzuerkennender Veräußerungsverlust (vgl. § 20 Abs. 2 S.1 Nr. 7 und S. 2 sowie Abs. 4 EStG; BFH-Urteil vom 06.08.2019, VIII R 18/16). Bei einem teilweisen Verzicht ist nur der Teil der nicht werthaltigen Kapitalforderung, auf den verzichtet wurde, als Verlust steuerlich zu berücksichtigen. Der Verlust ist im Fall eines Verzichts in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem der Verzicht erklärt wurde.

c) Begrenzung der Verlustverrechnung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 6 EStG i. V. m. § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. b und S. 2 EStG

aa) Darlehensgewährung vor dem 1. Januar 2009

Verluste aus dem Ausfall oder Verzicht von Darlehen, deren rechtliche Grundlage vor dem 1.01.2009 begründet wurden, können nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

bb) Darlehensgewährung nach dem 31. Dezember 2008

Bei Verlusten aus Darlehen, deren rechtliche Grundlage nach dem 31.12.2008, aber vor dem 1.01.2021 begründet wurde, ist zu unterscheiden, ob der Anteilseigner zu mindestens 10 % an der Gesellschaft oder eine einem solchen Anteilseigner nahestehende Person (vgl. BMF-Schreiben vom 19.05.2022) beteiligt ist oder ob die Beteiligung des Anteilseigners unterhalb dieser Schwelle liegt.

aaa) Beteiligung unter 10%

Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2019 sind Darlehensverluste uneingeschränkt mit übrigen Kapitaleinkünften verrechenbar (vgl. § 20 Abs. 6 S. 1 bis 3 EStG).

Darlehensverluste ab Veranlagungszeitraum 2020 sind nur nach Maßgabe des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG mit den übrigen Einkünften aus Kapitalvermögen verrechenbar (vgl. BMF-Schreiben vom 19.05.2022).

bbb) Beteiligung des Anteilseigners mindestens 10 % oder Darlehensvergabe durch eine einem solchen Anteilseigner nahestehende Person bei Darlehensgewährung vor dem 1. Januar 2021

In diesen Fällen sind die Verluste bis Veranlagungszeitraum 2023 uneingeschränkt mit anderen positiven Einkünften verrechenbar (vgl. § 32d Abs. 2 Nr. 1 S. 1 Buchst. b und S. 2 i. V. m. § 52 Abs. 33b EStG). Ab Veranlagungszeitraum 2024 greift die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG (vgl. BMF-Schreiben vom 19.05.2022).

ccc) Beteiligung des Anteilseigners mindestens 10 % oder Darlehensvergabe durch eine einem solchen Anteilseigner nahestehende Person bei Darlehensgewährung nach dem 31. Dezember 2020

In diesen Fällen ist die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG anzuwenden (vgl. BMF-Schreiben vom 19.05.2022).

IV. Anwendungsregelungen (Abschnitt I und II)

1.Veräußerung i. S. d. § 17 EStG ab 1.08.2019

Abschnitt I und II sind in allen offenen Fällen anzuwenden, wenn die Veräußerung (§ 17 Abs. 1 EStG) oder der einem der Veräußerung gleich gestellte Vorgang i. S. d. § 17 Abs. 4 und 5 EStG nach dem 31. 07.2019 stattgefunden hat (vgl. § 52 Abs. 25a S. 1 EStG).

2. Veräußerung i. S. d. § 17 EStG bis 31.07.2019

Abschnitt I und II sind in allen offenen Fällen anzuwenden, wenn die Veräußerung (§ 17 Abs. 1 EStG) oder der einem der Veräußerung gleich gestellte Vorgang i. S. v. § 17 Abs. 4 und 5 EStG bis 31.07.2019 stattgefunden hat und die steuerpflichtige Person die Anwendung von § 17 Abs. 2a EStG beantragt (vgl. § 52 Abs. 25a S. 2 EStG).

Wird ein Antrag nach § 52 Abs. 25a S. 2 EStG gestellt, sind Verluste aus Kapitalvermögen aufgrund eines Verlustes eines gesellschaftsrechtlich veranlassten Darlehens in Veranlagungszeiträumen vor der Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht zu berücksichtigen.
Wird kein Antrag nach § 52 Abs. 25a S. 2 EStG gestellt, sind die BMF-Schreiben vom 21.10.2010 und vom 05.04.2019 weiter anzuwenden.

Betroffene Norm

​§ 17 Abs. 2a EStG

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 07.06.2022, Ertragssteuerrechtliche Behandlung von Gesellschaftsdarlehen (§ 17 Abs. 2a EStG), Bürgschaftsregress- und vergleichbare Forderungen, IV C 6 - S 2244/20/10001 :001

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 19.05.2022, Einzelfragen zur Abgeltungssteuer; Neuveröffentlichung des BMF-Schreibens, IV C 1 – S 2252/19/10003 :009

BFH, Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15, BStBl. II 2020, S. 831

BFH, Urteil vom 6.12.2017, IX R 7/17, BStBl. II 2019, S. 213, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 20.07.2018, IX R 5/15, BStBl. II 2019, S. 194, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 06.08.2019, VIII R 18/16, BStBl. II 2020, S. 833, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 01.07.2021, VIII R 28/18, BStBl. II 2021, S. 911

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