BFH: Übertragung einer § 6b-Rücklage auf eine EU-Betriebsstätte
Eine erfolgsneutrale Übertragung einer § 6b-Rücklage setzt u.a. voraus, dass die Ersatzwirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören. Bei einer Reinvestition in eine Betriebsstätte eines anderen EU-Staates kann die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer lediglich auf fünf Jahre gestundet werden (vgl. § 6b Abs. 2a EStG). Dies ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Sachverhalt
Die Kläger sind Eheleute, die einen land- und fortwirtschaftlichen Betrieb im Inland unterhalten haben. Zu diesem Betrieb gehörte eine in früheren Jahren, aus der Veräußerung eines Grundstücks nach § 6b Abs. 3 EStG gebildete Rücklage. Der Kläger, der auch an einer ungarischen KG mit 50% beteiligt war, übertrug im Streitjahr 2009 einen Teilbetrag der Rücklage auf ein Grundstück in Ungarn, welches von der ungarischen KG erworben worden war. Der Kläger behandelte den Vorgang erfolgsneutral.
Das Finanzamt löste die Rücklage bezüglich des Grundstücks in Ungarn erfolgswirksam und unter Berücksichtigung eines Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG auf. Die Voraussetzung des § 6b Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG sei nicht erfüllt, da das Grundstück in Ungarn nicht zu einer inländischen Betriebsstätte des Klägers gehöre. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Das FG habe zu Unrecht entscheiden, dass die gewinnerhöhende Auflösung der § 6b-Rücklage durch die Bildung eines passiven Postens auszugleichen sei.
Gemäß § 6b Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG setzt die Übertragung einer § 6b-Rücklage EStG auf ein neu angeschafftes oder hergestelltes Wirtschaftsgut u.a. voraus, dass die angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören. Das Grundstück in Ungarn, das dem Betrieb der ungarischen KG diente, erfülle diese Voraussetzung nicht. Folglich sei die Rücklage, insoweit sie auf das Grundstück in Ungarn übertragen werden sollte, erfolgswirksam aufzulösen.
Auch die rückwirkende Einführung des § 6b Abs. 2a EStG durch das Steueränderungsgesetz 2015 (StÄndG 2015) (siehe Deloitte Tax-News) ändere daran nichts. Nach § 6b Abs. 2a S. 1 EStG können Steuerpflichtige bei (beabsichtigter) Reinvestition in der Betriebsstätte eines anderen EU- oder EWR-Staats beantragen, dass die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer in fünf gleichen Jahresraten entrichtet wird. § 6b Abs. 2a EStG ermögliche folglich keinen gewinnmindernden Abzug der § 6b-Rücklage von den Anschaffungskosten des dem Kläger anteilig zuzurechnenden Grundstücks noch die Bildung eines passiven Ausgleichspostens, sondern lediglich einen Anspruch auf zinslose Stundung der auf den Veräußerungsgewinn entfallenden Steuer.
Es bestünden weder unionsrechtliche Bedenken, dass § 6b Abs. 2a EStG die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer nur stunde, noch dass der Stundungszeitraum von fünf Jahren nicht verhältnismäßig sei. Der BFH begründet dies mit Verweis auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung (vgl. EuGH vom 29.11.2011, vom 21.05.2015 und vom 23.01.2014). Es komme bei der Festlegung des Stundungszeitraums nach der EuGH-Rechtsprechung auch nicht auf die Art des Wirtschaftsguts an, sondern ein Stundungszeitraum von fünf Jahren sei angemessen und berücksichtige gleichermaßen die mit der sofortigen Entrichtung der Steuerschuld auf nicht realisierte stille Reserven verbundene Härte für den Steuerpflichtigen einerseits und das berechtigte Interesse des Mitgliedstaats an der Durchsetzung seines Steueranspruchs andererseits.
Gemäß § 6b Abs. 2a S. 2 EStG ist der Antrag die auf den Veräußerungsgewinn festgesetzte Steuer in fünf gleichen Jahresraten zu entrichten im Wirtschaftsjahr der Veräußerung zu stellen. Im Streitfall genüge allerdings ein nachträglicher Antrag, da die gemäß § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigten Wirtschaftsgüter in einem Wirtschaftsjahr vor Inkrafttreten des StÄndG 2015 veräußert und die Steuererklärung vor dem Inkrafttreten des StÄndG 2015 bereits abgegeben wurde.
Betroffene Norm
§ 6b EStG
Streitjahr 2009
Vorinstanz
Finanzgericht München, Urteil vom 07.07.2014, 5 K 1206/14
Anmerkung
BMF-Schreiben vom 07.03.2018
Das BMF auf der Grundlage des oben dargestellten BFH-Urteils mit Schreiben vom 07.03.2018 zur Anwendung des § 6b Abs. 2a EStG Stellung genommen (siehe Deloitte Tax-News).
Neuregelung des § 6b Abs. 2a EStG
Mit Urteil vom 16.04.2015 (C-591/13) hatte der EuGH entschieden, dass die Beschränkung der Reinvestition auf inländische Betriebsstätten diskriminierend wirkt und gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, Art. 31 EWR-Abkommen) verstößt. Allerdings dürfe Deutschland die auf den Veräußerungsgewinn entstandene Steuer festsetzen, bevor die im Rahmen seiner Steuerhoheit erzielten Gewinne ins Ausland transferiert würden, lediglich die sofortige Erhebung der Steuer sei unverhältnismäßig. Die festgesetzte Steuer sei auf Antrag des Steuerpflichtigen wahlweise zu stunden.
Der Gesetzgeber hat deshalb § 6b EStG im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2015 (siehe Deloitte Tax-News) um einen neuen Abs. 2a ergänzt. Steuerpflichtige können danach – zusätzlich zu den bestehenden Möglichkeiten – bei (beabsichtigter) Reinvestition in der Betriebsstätte eines anderen EU- oder EWR-Staats beantragen, dass die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer in fünf gleichen Jahresraten entrichtet wird. Der Antrag ist im Wirtschaftsjahr der Veräußerung der in § 6b Abs. 1 S. 1 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter zu stellen. Die Regelung ist auch auf Veräußerungsgewinne anwendbar, die vor der Verkündung des Steueränderungsgesetzes 2015 entstanden sind (vgl. § 52 Abs. 14 S. 1 EStG).
Fundstellen
BFH, Urteil vom 22.06.2017, VI R 84/14, BStBl II 2018 Seite 171
BMF, Schreiben vom 07.03.2018, siehe Deloitte Tax-News
Weitere Fundstellen
EuGH, Urteil vom 16.04.2015, C-591/13
EuGH, Urteil vom 29.11.2011, C-371/10
EuGH, Urteil vom 21.05.2015, C-657/13, siehe Deloitte Tax-News
EuGH, Urteil vom 23.01.2014, C-164/12
Steueränderungsgesetz 2015, vom 02.11.2015, BGBl. I 2015, S. 1834, BStBl. I 2015, S. 846, siehe Deloitte Tax-News