BFH: Kindergeld für verheiratete Kinder
Der Anspruch auf Kindergeld für ein volljähriges Kind entfällt ab 2012 nicht deshalb, weil das Kind verheiratet ist. Seitdem hängt der Kindergeldanspruch nicht mehr davon ab, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes einen Grenzbetrag nicht überschreiten. Der sog. Mangelfallrechtsprechung ist somit die Grundlage entzogen (entgegen der zentralen Dienstanweisung für Familienkassen).
Sachverhalt
Im Streitjahr 2012 ging es um den Kindergeldanspruch für eine volljährige Tochter, die sich in der Ausbildung befand und verheiratet war. Der Ehemann absolvierte ebenfalls eine Ausbildung und beide erhielten eine Ausbildungsvergütung. Die Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag des Klägers ab und wies den anschließenden Einspruch als unbegründet zurück, weil die Tochter sich mit ihrem eigenen Einkommen und dem Unterhaltsbeitrag ihres Ehemannes selbst unterhalten könne. Die Klage hatte Erfolg. Das FG entschied, dass ein etwaiger Unterhaltsanspruch der Tochter gegen ihren Ehemann unerheblich sei, da ab 2012 die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mehr maßgeblich sei.
Entscheidung
Das FG habe zutreffend entschieden, dass die Tochter zu berücksichtigen sei. Dem Kläger stehe nach dem Wortlaut des Einkommensteuergesetzes (EStG) für seine Tochter Kindergeld zu.
Die Tochter ist ab Januar 2012 als Kind zu berücksichtigen, denn sie hat das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet, wird für einen Beruf ausgebildet (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und hat noch keine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen (§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011). Die Höhe ihrer Einkünfte und Bezüge ist - im Gegensatz zu der bis Ende 2011 geltenden Rechtslage - ohne Bedeutung.
Ihre Verheiratung stehe der Berücksichtigung - entgegen der Verwaltungsansicht (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes, Stand 2013) - nicht entgegen. Die Verheiratung des Kindes hindere nicht den Anspruch auf Kindergeld nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 EStG n.F; einen entsprechenden Ausschlusstatbestand enthalte die Vorschrift nicht.
Der Kindergeldanspruch blieb nach alter Rechtsprechung trotz Eheschließung nur erhalten, wenn - wie z.B. bei einer Studentenehe - die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des Kindes nicht ausreichten und das Kind auch nicht über ausreichende eigene Mittel verfügte (sog. Mangelfall). Das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der "typischen Unterhaltssituation" hatte der BFH bereits mit Urteil vom 17.06.2010 aufgegeben. Zudem hänge der Kindergeldanspruch (seit einer Gesetzesänderung mit Wirkung ab Januar 2012) nicht mehr davon ab, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes einen Grenzbetrag nicht überschreiten. Durch diesen Wegfall der Einkünfte- und Bezügegrenze sei der sog. Mangelfallrechtsprechung die Grundlage entzogen.
Betroffene Norm
§§ 32, 62 ff. EStG
Streitjahr 2012
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 24.04.2013, 5 K 3297/12 Kg, EFG 2013, S. 1242
Fundstelle
BFH, Urteil vom 17.10.2013, III R 22/13
Pressemitteilung Nr. 5 vom 22.01.2014
Weitere Fundstelle
BFH, Urteil vom 17.06.2010, III R 34/09, BStBl II 2010, S. 982, siehe Deloitte Tax-News
