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14.11.2018
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durch eine Holding

Eine Anteilsveräußerung stellt unter bestimmten Umständen keine wirtschaftliche Tätigkeit dar, die in den Anwendungsbereich der MwSt fällt.

Hintergrund

Das Recht einer Holdinggesellschaft, Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen geltend zu machen, hat den Gerichtshof bereits in verschiedenen Verfahren beschäftigt (siehe Deloitte Tax-News). Im umgekehrten Fall, nämlich im Rahmen der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen durch eine Holdinggesellschaft hatte der EuGH zuletzt in der Rechtssache SKF (EuGH Urt. v. 29.10.2009, C-29/08, siehe Deloitte Tax-News) entschieden, dass eine Veräußerung sämtlicher Anteile an einer Tochtergesellschaft und der beherrschten Gesellschaft durch eine Muttergesellschaft, die steuerpflichtige Dienstleistungen gegenüber diesen Gesellschaften erbrachte, als ein Vorgang betrachtet werden kann, der darin besteht, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Wertpapieren hinausgehen, zu erzielen.

Im Fall von SKF wies dieser Vorgang eine direkte Verbindung zur Organisation der Tätigkeit auf, die der Konzern ausübte, und stellte damit eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Steuerpflichtigen dar, der in den Anwendungsbereich der MwSt fiel.

In der vorliegenden Rechtssache C&D Foods Acquisition ging es hingegen um die Frage, ob eine Holdinggesellschaft die Vorsteuer auf Ausgaben für eine geplante, aber nicht durchgeführte Veräußerung von Aktien einer Enkelgesellschaft, der sie Verwaltungs- und IT-Dienstleistungen erbrachte, abziehen kann, obwohl der Verkaufserlös zur Tilgung einer fälligen Schuld dienen sollte.

Sachverhalt

C&D Foods ist eine Holdinggesellschaft der Arovit-Konzern, die eine Vielzahl von entgeltlichen Verwaltungs- und IT Dienstleistungen für ihre Enkelgesellschaft die Arovit Petfood erbringt. Im weiteren Verlauf übernahm das Eigentum an dem Arovit-Konzern eine Bank für einen Euro, da der ehemalige Eigentümer der Gruppe ein Darlehen nicht zurückzahlen konnte. Die Bank beabsichtigte, sämtliche Aktien von der Enkelgesellschaft Arovit Petfood zu veräußern, um nicht mehr Gläubiger dieses Konzerns zu sein und schloss für Rechnung von C&D Foods zahlreiche Beraterverträge im Zusammenhang mit der geplanten Veräußerung ab. Mangels Käufers scheiterte die geplante Transaktion. C&D Foods machte den Vorsteuerabzug für die an die Berater bei Begleichung der Honorare gezahlte MwSt geltend. Der Vorsteuerabzug wurde mit der Begründung versagt, dass die Ausgaben nicht den erforderlichen Bezug zu den steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen von C&D Foods aufweisen.

Entscheidung

In Abgrenzung zu seiner Entscheidung SKF (EuGH Urt. v. 29.10.2009, C-29/08, siehe Deloitte Tax-News) führt der EuGH aus, dass eine Aktienveräußerung grundsätzlich nur dann in den Anwendungsbereich der MwSt fällt, wenn sie ihren ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der fraglichen Muttergesellschaft hat oder eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung dieser Tätigkeit darstellt. Beides scheidet aus, wenn der Zweck der Anteilsveräußerung allein darin besteht, den Erlös zur Tilgung bestehender Verbindlichkeiten des neuen Eigentümers des Konzerns, zu verwenden.

Unter diesen Umständen stellt die Veräußerung keinen Umsatz dar, der darin besteht, nachhaltig Einnahmen aus Tätigkeiten, die über den bloßen Verkauf von Aktien hinausgehen, zu erzielen und fällt damit nicht in den Anwendungsbereich der MwSt. Die Vorsteuer für die an die Berater bei Begleichung der Honorare gezahlten MwSt ist nicht abzugsfähig.

Anmerkung

Der EuGH folgt in seinem Urteil nicht den Schlussanträgen der Generalanwältin, die davon ausging, dass durch den Verkauf der Anteile an der Enkelgesellschaft die Holdinggesellschaft ihre wirtschaftliche Tätigkeit, die im Erbringen von steuerpflichtigen Geschäftsführungsleistungen gegenüber der Enkelgesellschaft bestand, zu beenden. Nach den ausführlichen Begründungen der Generalanwältin hätte dieses Ergebnis unabhängig davon gelten müssen, ob der Erlös aus dem Anteilsverkauf zur Schuldentilgung oder zur Umstrukturierung des Konzerns (siehe oben EuGH Urt. v. 29.10.2009, C-29/08, SKF) genutzt wird.

Davon ausgehend, überrascht die vorliegende EuGH Entscheidung, die wesentlich auf den Verwendungszweck der mit der Aktienveräußerung erzielten Erlöse abstellt (Schuldentilgung) und zu dem Ergebnis gelangt, dass die beabsichtigte Anteilsveräußerung keinen Umsatz darstellt, der in den Anwendungsbereich der MwSt fällt. Erfolgt die Anteilsveräußerung, um den daraus erzielten Erlös direkt für die steuerbare wirtschaftliche Tätigkeit der Muttergesellschaft oder die wirtschaftliche Tätigkeit der Gruppe zu verwenden, fällt die Aktienveräußerung grundsätzlich in den Anwendungsbereich der MwSt – andernfalls nicht. Dass der etwaige Verkauf der Aktien zu einer Übertragung der steuerpflichtigen Geschäftsführungsleistungen der Holdinggesellschaft geführt hätte, hat nach dem EuGH nicht seinen ausschließlichen unmittelbaren Entstehungsgrund in der wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft, da der neue Eigentümer des Konzerns, die Bank, die Aktien an der Enkelgesellschaft auf jeden Fall verkaufen wollte.

Die Ausgaben für die Beratungsdienstleistungen wären daher auch dann entstanden, wenn die Holdinggesellschaft keine Geschäftsführungsleistungen an die Enkelin erbracht hätte. Mangels Steuerbarkeit gelangt der EuGH in seiner Urteilsbegründung bedauerlicherweise nicht mehr zu der in der Praxis relevanten Frage, ob der für den Vorsteuerabzug erforderliche direkte und unmittelbare Zusammenhang mit den steuerfreien Umsätzen aus dem beabsichtigten Aktienverkauf vorliegt, oder ob ein (voller?) Vorsteuerabzug aus Gemeinkosten in Betracht kommt.

Das vorliegende Urteil führt einerseits dazu, dass Unternehmen bei (geplanten) Transaktionen weiterhin darauf achten sollten, dass zwischen der Holdinggesellschaft und der Tochter-/Enkelgesellschaft entsprechende Geschäftsführungsleistungen erbracht werden, andererseits aber auch der jeweilige Verwendungszweck der aus der Anteilsveräußerung erlangten Erlöse, der wirtschaftlichen Tätigkeit der Muttergesellschaft zuzurechnen ist oder die wirtschaftliche Tätigkeit der Gruppe unmittelbar und dauerhaft erweitert. Nur wenn dass der Fall ist, kann überhaupt ein Vorsteuerabzugsrecht für bezogene Beratungsleistungen im Rahmen von Transaktionen in Betracht kommen. Die Grundsätze des Urteils sind nicht nur auf geplante, aber schließlich nicht durchgeführte Anteilsveräußerungen, sondern auch auf erfolgreich durchgeführte Share Deals anzuwenden.

Betroffene Normen

Art. 2, 9 und 168 MwStSystRL; §§ 2, 15 UStG

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 08.11.2018, C-502/17 (vorläufige Fassung)

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

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