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05.09.2019
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Steuerentstehung bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen

Unternehmer können sich bei ratenweise vergüteten Vermittlungsleistungen auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL berufen.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Spielervermittlerin, die von Fußballvereinen Provisionen bei erfolgreicher Vermittlung eines Fußballers erhielt, unterliegt der Sollbesteuerung. Der Vergütungsanspruch für die Vermittlung der Spieler setzte dem Grunde nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen Arbeitsvertrag unterschrieben und die DFL-GmbH als Lizenzgeber dem Spieler eine Spielerlaubnis erteilt hat. Die Provisionszahlungen waren in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages zu leisten, wobei die Ratenansprüche und deren Fälligkeit unter der Bedingung des Fortbestehens des Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin ihre im Streitjahr 2012 erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits in 2012 zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile für die Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr 2015 beanspruchen konnte. 

Hintergrund

Der BFH hatte mit Urteil vom 24.10.2013, V R 31/12, entschieden, dass ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer, der seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann, bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung wegen zeitweiser Uneinbringlichkeit zur Steuerberichtigung berechtigt ist (vgl. auch Abschn. 17.1 Abs. 5 S. 3 UStAE). Eine Uneinbringlichkeit des Entgelts liegt demnach vor, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann. Denn die Vorfinanzierung der Umsatzsteuer über mehrjährige Zeiträume ist im Verhältnis zur Besteuerung der Unternehmer, die der Ist-Besteuerung unterliegen, nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar.

Unter Fortführung der Rechtsprechung des BFH hat das FG Niedersachsen im vorliegenden Sachverhalt entschieden, dass Uneinbringlichkeit auch dann vorliegt, wenn der leistende Unternehmer im Zeitpunkt der Leistungserbringung aufgrund der mit dem Leistungsempfänger getroffenen vertraglichen Vereinbarungen über die Fälligkeit des Entgeltes für mehr als zwei Jahre nicht mit einer Vereinnahmung der Leistungsentgelte rechnen kann (siehe Niedersächsisches Finanzgericht, Urt. v. 18.8.2016 – 5 K 288/15, siehe Deloitte Tax-News).

Der BFH zweifelte an der uneingeschränkten Pflicht zur Sollversteuerung und richtete durch Beschluss vom 21.6.2017 (V R 51/16) ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH. Der BFH legte dem EuGH drei Fragen vor, die sich in diesem Zusammenhang aus der Auslegung der MwStSystRL, insbesondere jedoch im Hinblick auf die Grundsätze der Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit ergeben haben, bzw. unter welchen Voraussetzungen eine Änderung der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 17 UStG vorliegt (siehe BFH, Beschl. v. 21.6.2017 – V R 51/16, siehe Deloitte Tax-News).

Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 29.11.2018 entschieden, dass keine Pflicht zur uneingeschränkten Sollbesteuerung besteht (siehe EuGH, Urt. v. 29.11.2018 – C-548/17, siehe Deloitte Tax-News). Bei einer Vermittlungsleistung, die ratenweise vergütet wird, sei davon auszugehen, dass der Steuertatbestand und der Steueranspruch nicht zum Zeitpunkt der Vermittlung, sondern erst mit Ablauf des Zeitraums eintreten, auf den sich die Zahlungen beziehen.

Entscheidung

Der BFH hat das Verfahren wieder aufgenommen und im Sinne des EuGH entschieden. Die Spielervermittlerin muss die Entgelte, die sie erst nach Ablauf des Streitjahres für die im Streitjahr erbrachten Vermittlungsleistungen vereinnahmt hat, nicht bereits im Streitjahr, sondern erst mit der Vereinnahmung versteuern. Sie kann sich auf eine unmittelbare Anwendung von Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL berufen, § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG ist insoweit nicht unionsrechtskonform. Für die zahlungs- und damit vereinnahmungsbezogene Steuerentstehung kommt es, anders als bei Teilleistungen gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG, nicht auf eine wirtschaftlich teilbare Leistung an.

Anmerkungen

Die dem EuGH in dieser Rechtssache vorgelegten Fragen beziehen sich in erster Linie auf bedingte Vergütungsansprüche, können aber auch bei befristeten Zahlungsansprüchen, wie etwa beim Ratenverkauf im Einzelhandel oder bei einzelnen Formen des Leasings von Bedeutung sein. Insofern hatte man sich von den Gerichten weitere Ausführungen zur Sollbesteuerung, insbesondere zu Raten- und Leasinggeschäften, erhofft. Das Urteil des BFH lässt jedoch erkennen, dass die Entscheidung lediglich den speziellen Fall der Vermittlungsleistungen betrifft. Daher sind künftig weitere Streitfälle sehr wahrscheinlich. 

Betroffene Normen

§ 17 Abs. 1, Abs. 2 UStG; Art. 63 MwStSystRL

Vorinstanz

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 18.08.2016, 5 K 288/15

Fundstelle

BFH, Urteil vom 26.06.2019, V R 8/19 (V R 51/16) 

Weitere Fundstellen

BFH, Beschluss vom 21.06.2017, V R 51/16

EuGH, Urteil vom 29.11.2018, C-548/17

BFH, Urteil vom 24.10.2013, V R 31/12

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