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22.09.2021
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Fortführung eines beim Erwerber vor dem Grundstückserwerb bestehenden Mietverhältnisses

Einer Geschäftsveräußerung im Ganzen steht nicht entgegen, dass der Erwerber selbst vor dem Grundstückserwerb Teile des Grundstücks untervermietet hat und diese Vermietungstätigkeit, infolge einer Verschmelzung der beiden Vermietungsunternehmen zu einem einheitlichen Unternehmen, danach unverändert fortführt. ​

Sachverhalt

Der Käufer war bislang Mieter eines von ihm gepachteten Grundstücks, das er teilweise untervermietete und im Übrigen eigenbetrieblich nutzte. Im Jahr 2010 erwarb er das Grundstück und nutzte es weiterhin teilweise zur Vermietung sowie zu eigenen betrieblichen Zwecken.

Fraglich war, ob die Übertragung des bislang untervermieteten und zukünftig vom Käufer als Eigentümer weiter vermieteten Grundstücksteils eine partielle Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung und des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg lag eine solche nicht vor, da es am Übergang eines Vermietungsunternehmens fehlt. Durch die Untervermietung habe der Käufer schon zuvor sein eigenes Vermietungsunternehmen begründet, das er jetzt fortführe.

Entscheidung

Eine partielle Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt vor, soweit der Erwerber das zunächst vom Veräußerer gepachtete – teilweise eigenbetrieblich genutzte und teilweise untervermietete – Grundstück nach dem Erwerb weiterhin teilweise vermietet.

Urteilsbegründung

Grundsätzlich stellt die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrages keine Geschäftsveräußerung im Ganzen dar. Die Übernahme von Mietverträgen ist jedoch nicht in jedem Fall zwingend erforderlich. Erforderlich ist, dass sich die bisherige und zukünftige Vermietungstätigkeit ähneln. Mit anderen Worten: Für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen einer vermieteten Immobilie ist erforderlich, dass die Vermietungstätigkeit fortgeführt wird, nicht aber der konkrete Mietvertrag. Es kommt nicht auf den Vertragsübergang an, sondern auf die Fortführung der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (EuGH, Urt. v. 27.11.2003, C-497/01, Zita Modes, Rz. 40; EuGH, Urt. v. 10.11.2011, C 444/10, Schriever, Rz. 25; BFH, Urt. v. 18.01.2012, XI R 27/08, BStBl II 2012, 842, Rz. 19). Dabei müssen sich die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten hinreichend ähneln. Nicht erforderlich ist, dass sie völlig identisch sind. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt daher vor, wenn der bisherige Vermieter einer Immobilie diese an den bisherigen Mieter veräußert, der diese bislang untervermietete.

Anmerkung

Gesetzliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen (§ 1 Abs. 1a UStG) ist, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Bei der Übertragung eines vermieteten Grundstücks setzt die Finanzverwaltung den Eintritt des Erwerbers in den Mietvertrag des Veräußerers und damit die Übernahme eines Vermietungsunternehmens voraus (vgl. Abschn. 1.5 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Diese Grundsätze bestätigt der BFH, stellt darüber hinaus jedoch klar, dass die Übernahme eines Mietvertrages nicht in jedem Fall zwingend erforderlich ist. Da eine wertende Gesamtschau für die Nichtsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 1a UStG maßgeblich ist, kommt es nicht auf die zivilrechtliche Betrachtung an. Der Annahme eines nichtsteuerbaren Erwerbsvorgangs steht das Erlöschen des Pachtverhältnisses durch Konfusion nicht entgegen. In der Folge kommt es nicht darauf an, dass der Pachtvertrag nicht fortführbar war.

Für das Vorliegen der Geschäftsveräußerung im Ganzen müssen sich die Tätigkeit des Veräußerers und die zukünftige Tätigkeit des Erwerbers nur hinreichend ähneln, nicht aber identisch sein. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Norm, die Übertragungen von Unternehmen/-steilen erleichtern soll, folgt dabei, dass an die hinreichende Ähnlichkeit keine überhöhten Anforderungen zu stellen sind. Eine hinreichende Ähnlichkeit der Vermietungstätigkeit liegt vor, wenn vor der Veräußerung der Veräußerer das Grundstück als Eigentümer verpachtet und nach dem Erwerbsvorgang der Käufer die Teilflächen als Eigentümer vermietet.

Zu beachten ist, dass der vorliegende Fall von der Konstellation zu unterscheiden ist, in dem der Erwerber des Grundstücks nicht die Vermietungstätigkeit des Veräußerers fortführt, sondern ein eigenes Vermietungsunternehmen gründet, während das Vermietungsunternehmen der übertragenden Person unverändert fortbesteht (vgl. BFH VR 12/13). In diesem Fall liegt gerade keine Unternehmensübertragung und mithin keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor.

Die Rechtsprechungsgrundsätze sind nicht nur für Immobilientransaktionen, sondern auch für sämtliche Geschäftsveräußerungen relevant, wenn Verträge des Veräußerers nicht übernommen werden. Wird ein Unternehmen im Ganzen oder ein Teilvermögen veräußert, ist die Frage, ob der Erwerber die Tätigkeit des Veräußerers fortführt, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall zu ermitteln.

Betroffene Normen

§ 1 Abs. 1a UStG, Art. 19 MwStSystRL

Vorinstanz

Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.03.2019, 2 K 2167/17, EFG 2019, S. 1943

Fundstelle

BFH, Urteil vom 24.02.2021, XI R 8/19

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
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ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

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