Niedersächsisches FG: Einkommensteuer des Erblassers im Todesjahr stellt keine Nachlassverbindlichkeit dar
Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Entgegen der Ansicht des FG steht das für das Erbschaftsteuerrecht maßgebliche Stichtagsprinzip nicht dem Abzug der Einkommensteuerverbindlichkeiten für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten des Erblassers entgegen.
BFH, Urteil vom 04.07.2012, II R 15/11
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Sachverhalt
Die Klägerin ist Tochter und Miterbin des am 31.12.2004 um 0.15 Uhr verstorbenen L. Dessen Ehefrau war im November des gleichen Jahres verstorben. Das Finanzamt hat gegenüber den Erben die Einkommensteuer 2004 der verstorbenen Eheleute festgesetzt. Im März 2006 machten die Erben die Einkommensteuer 2004 von L entsprechend dem Einkommensteuerbescheid in der Erbschaftsteuererklärung als Nachlassverbindlichkeit geltend. Das Finanzamt erkannte die Einkommensteuer 2004 nicht als Nachlassverbindlichkeit an. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Streitig ist, ob die Einkommensteuer des Todesjahres des Erblassers als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann.
Entscheidung
Die Klägerin kann die anteilig auf sie entfallende Einkommensteuer 2004 nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Erbschaftsteuer grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers. Als Nachlassverbindlichkeiten sind die vom Erblasser herrührenden Schulden abzugsfähig, soweit sie nicht mit einem (Anteil am) Gewerbebetrieb oder (Anteil am) Betrieb der Land- und Forstwirtschaft wirtschaftlich zusammenhängen und nicht bereits bei der Bewertung der wirtschaftlichen Einheit berücksichtigt worden sind.
Ob die Einkommensteuer für das Kalenderjahr, in dem der Erblasser verstirbt, unter Berücksichtigung des erbschafsteuerlichen Stichtagsprinzips (§ 11 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden kann, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt.
Die Einkommensteuer 2004 war im Zeitpunkt des Todes (31.12.2004, 0.15 Uhr) noch nicht entstanden, sondern erst mit Ablauf des Kalenderjahres 2004 am 31.12.2004 um 24 Uhr (§ 36 Abs. 1 EStG) und kann deshalb nach dem für die Erbschaftsteuer maßgeblichen Stichtagsprinzip (§§ 9, 11 ErbStG) nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden. Die Besonderheit des Streitfalls, dass der Erblasser am 31.12.2004 verstorben war, ist insoweit nicht relevant, da der Veranlagungszeitraum erst am 31.12.2004 um 24 Uhr endet. Der Senat hält es auch nicht für geboten, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung der §§ 9, 11 ErbStG einen spezifisch erbschaftsteuerlichen Zeitpunkt der Entstehung der Einkommensteuer zu bestimmen, der einen Abzug der Einkommensteuerschuld des Todesjahren ermöglicht.
Betroffene Norm
§§ 9 - 11 ErbStG
Streitjahr 2004
Anmerkungen
Parallelentscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts:
3 K 220/10, BFH-anhängig: II R 19/11
3 K 476/10, BFH-anhängig: II R 18/11
Fundstelle
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 23.02.2011, 3 K 332/10, BFH-anhängig: II R 15/11
