BFH: No-Show-Kosten bei Betriebsveranstaltungen
Bei der Bewertung von Arbeitslohn anlässlich einer Betriebsveranstaltung sind alle mit dieser in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Arbeitgebers anzusetzen, ungeachtet dessen, ob sie beim Arbeitnehmer einen Vorteil begründen. Die Gesamtkosten des Arbeitgebers sind zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen. Aufwendungen eines Arbeitgebers für nicht erschienene Teilnehmer einer Betriebsfeier sind daher in die Lohnversteuerung einzubeziehen. Dies entspricht auch der Ansicht der Finanzverwaltung.
Sachverhalt
Ein Arbeitgeber hatte zur Weihnachtsfeier alle seine 30 Arbeitnehmer eingeladen, von denen 27 ihre Teilnahme zusagten. Unter Berücksichtigung dieser Personenzahl beauftragte der Arbeitgeber einen Veranstalter mit der Durchführung der Feier. Tatsächlich nahmen allerdings nur 25 Mitarbeiter an der Veranstaltung teil, 2 Mitarbeiter sagten ihre Teilnahme kurzfristig ab. Dies änderte nichts an den dem Unternehmen insgesamt für die Veranstaltung entstandenen Kosten. Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass die auf die nicht teilnehmenden Arbeitnehmer entfallenden „No-Show-Kosten“ nicht Teil der Zuwendungen an die teilnehmenden Arbeitnehmer nach § 19 Abs. 1 Nr. 1a EStG seien.
Dem trat das Finanzamt unter Berufung auf das BMF-Schreiben vom 14.10.2015, wonach die zu berücksichtigenden Aufwendungen des Arbeitgebers für eine Betriebsveranstaltung zu gleichen Teilen auf die anwesenden Teilnehmer aufzuteilen seien, entgegen. Das FG war hingegen der Auffassung, dass die Aufwendungen des Arbeitgebers für die nicht erschienenen Teilnehmer der Betriebsfeier nicht der Lohnversteuerung zu unterwerfen waren.
Entscheidung
Der BFH widerspricht dem FG und schließt sich der Auffassung der Finanzverwaltung an. Kosten, die auf die angemeldeten, aber bei der Veranstaltung nicht anwesenden Arbeitnehmer entfallen, seien in die Lohnversteuerung für die Teilnehmenden einzubeziehen.
Gesetzliche Grundlagen ab 01.01.2015
Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Betriebsveranstaltungen. Zuwendungen in diesem Sinne sind nach § 19 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 EStG alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon, ob sie einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich um den rechnerischen Anteil an den Kosten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung handelt. Der jährliche Freibetrag beträgt 110 Euro je Betriebsveranstaltung (maximal zwei pro Jahr) und teilnehmendem Arbeitnehmer (§ 19 Abs. 1 Nr. 1a S. 3 und 4 EStG). Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1a S.5 EStG erfolgt der jeweilige Ansatz der Zuwendung mit dem Kostenbetrag, der anteilig auf den Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen entfällt.
Umsetzung der Verwaltungsauffassung
Mit der ab dem 01.01.2015 anzuwendenden Regelung in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG hat der Gesetzgeber an die Bestimmungen der Lohnsteuer-Richtlinien (R 19.5) angeknüpft und die früher der Verwaltungsauffassung widersprechende Rechtsprechung des BFH (die der BFH jedoch seit der Entscheidung vom 12.12.2012, VI R 79/10 nicht länger fortgeführt hatte), wonach Gemeinkosten, insbesondere für den äußeren Rahmen einer Veranstaltung, ebenso wenig zu einem geldwerten Vorteil des Arbeitsnehmers führen wie Zuwendungen an dessen Begleitperson, überschrieben.
Keine Beanstandung der Bemessungsgrundlage in § 19 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG
Der BFH sieht keine Veranlassung, die in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG geregelte Bemessungsgrundlage zu beanstanden. Er hält es für sachgerecht, alle der Betriebsveranstaltung direkt zuzuordnenden Aufwendungen des Arbeitgebers in die Bemessungsgrundlage nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 2 EStG einzustellen. Außerdem sieht er keine Veranlassung, bestimmte einzelne Aufwendungen des Arbeitgebers aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden.
Vorteil des Zuwendungsempfängers ist nicht mehr erforderlich
Für die Einbeziehung von Aufwendungen des Arbeitgebers in die anzusetzenden Gesamtkosten einer Betriebsveranstaltung kommt es nach Ansicht des BFH nicht (mehr) darauf an, ob eine betreffende Aufwendung, sofern sie der zu bewertenden Zuwendung (Veranstaltung) direkt zurechenbar ist, ihrerseits (isoliert betrachtet) zu einem Vorteil des Zuwendungsempfängers führen würde.
Anzahl der tatsächlich teilnehmenden Arbeitnehmer/Begleitpersonen ist maßgeblich
Abzustellen sei daher auf die teilnehmenden Arbeitnehmer/Begleitpersonen (ebenso BMF-Schreiben vom 14.10.2015, unter 4.a). Nicht teilnehmende Arbeitnehmer und Personen, die beim Arbeitgeber Kosten verursacht haben, mindern den nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 5 EStG anzusetzenden Wert der Zuwendung daher nicht. Nur so kann nach Überzeugung des BFH sichergestellt werden, dass sämtliche Kosten des Arbeitgebers als Arbeitslohn angesetzt und der Lohnversteuerung unterworfen werden.
Der BFH überträgt damit seine bisherige Rechtsprechung auf die Neuregelung in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG. Er hat – wie auch die Finanzbehörden – bereits in früheren Urteilen auf den tatsächlichen Teilnehmerkreis abgestellt (z.B. BFH-Urteile vom 12.12.2012, VI R 79/10; vom 16.05.2013, VI R 7/11 und vom 28.04.2020, VI R 41/17).
Betroffene Normen
§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG
Streitjahr 2016
Anmerkungen
Abweichende Auffassung in der Literatur
Der BFH hält es in Fortführung seiner neueren Rechtsprechung nicht (mehr) für erforderlich, dass Aufwendungen des Arbeitgebers zu einem Vorteil des jeweiligen Arbeitnehmers führen müssen.
Zur Begründung führt er aus, dass eine Aufteilung der Gesamtkosten auf die angemeldeten/eingeladenen Teilnehmer und die Zurechnung des so ermittelten individuellen Vorteils auf die tatsächlich an der Betriebsveranstaltung teilnehmenden Arbeitnehmer/Begleitpersonen dazu führen würde, dass nicht alle Aufwendungen des Arbeitgebers i.S. von § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 2 EStG als Arbeitslohn angesetzt würden. Abweichend davon wird in der Literatur zum Teil weiterhin die Auffassung vertreten, dass der Arbeitnehmer durch die Leistungen des Arbeitgebers anlässlich der Betriebsveranstaltung objektiv bereichert sein muss (z.B. HHR/Pflüger, § 19 EStG Rz 296). Und diese Voraussetzung ist bei sog. No-Show-Kosten gerade nicht der Fall.
Vorinstanz
Finanzgericht Köln, Urteil vom 27.06.2018, 3 K 870/17, siehe Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 29.04.2021, VI R 31/18, BStBl. II 2021, S.606
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 14.10.2015, IV C 5 - S 2332/15/10001, BStBl. I 2015, S. 832
BFH, Urteil vom 12.12.2012, VI R 79/10, BFHE 240, S. 44, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 16.05.2013, VI R 7/11, BStBl. II 2015, S. 189, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 28.04.2020, VI R 41/17, BStBl. II 2020, S. 531
