FG Schleswig-Holstein: Wechselkursverluste bei langfristigen Fremdwährungsdarlehen
Ein langfristiges Fremdwährungsdarlehen ist mit den Anschaffungskosten und nicht mit dem höherem Teilwert zu bilanzieren, wenn die Restlaufzeit am Bilanzstichtag mehr als 10 Jahre beträgt und noch von einer Üblichkeit der Wechselkursschwankungen ausgegangen werden kann.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, hatte mit einem Kreditinstitut einen „Rahmenvertrag für ein Fremdwährungsdarlehen“ geschlossen. Dieser sah vor, dass die Klägerin den vereinbarten Darlehensrahmen im Zeitraum vom 17.04.2007 bis zum 28.02.2026 durch Auszahlung einzelner Tranchen in Euro, Schweizer Franken (CHF) oder Yen (JPY) in Anspruch nehmen konnte. Spätestens am 28.02.2026 sollten ausgezahlte Tranchen fällig und zurückzuzahlen sein. Sie konnten jedoch beiderseits mit einer Frist von vier Wochen vor Ablauf von jeweils neu vereinbarten Zinsbindungsfristen (jeweils zwischen drei und zwölf Monaten) gekündigt werden. In den Steuerbilanzen der Streitjahre 2008 bis 2011 behandelte die Klägerin eine im Jahr 2007 in CHF ausgezahlten Tranche, die sie in 2013 vollständig zurückzahlte, als kurzfristiges Darlehen und erfasste Aufwand aufgrund von eingetretenen Kursverlusten. Das Finanzamt hingegen erkannte diesen Verlust aus dem höheren Teilwertansatz der Fremdwährungsverbindlichkeit nicht an.
Entscheidung
Das Finanzamt habe den Abzug der Kursverluste aus der Fremdwährungsverbindlichkeit als Betriebsausgaben zu Recht nicht anerkannt.
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG können Verbindlichkeiten mit dem höheren Teilwert bilanziert werden, wenn die Erhöhung des Rückzahlungsbetrags des Darlehens voraussichtlich dauerhaft ist. Die insofern zu treffende Prognoseentscheidung hänge maßgeblich von der Laufzeit des Darlehens und von der Üblichkeit der Kursschwankungen ab. Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten, die eine Restlaufzeit von jedenfalls zehn Jahren haben, begründe ein Kursanstieg der Fremdwährung grundsätzlich keine voraussichtlich dauernde Teilwerterhöhung, da die Währungsschwankungen in der Regel ausgeglichen würden (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 23.04.2009 und vom 04.02.2014, Hessisches FG vom 06.07.2011, BMF-Schreiben vom 16.07.2014). Auf den Devisenmärkten übliche Wechselkursschwankungen berechtigten nicht zu einem höheren Ansatz der Verbindlichkeit.
Das FG qualifizierte im vorliegenden Sachverhalt die in CHF ausgezahlte Tranche als langfristige Fremdwährungsverbindlichkeit. Entscheidend für die Einordnung als langfristige Verbindlichkeit sei nach der BFH-Rechtsprechung die vertraglich vereinbarte Laufzeit bis zum Zeitpunkt der Rückzahlungsverpflichtung (vgl. BFH-Urteil vom 04.02.2014). Die im Urteilsfall bestehende wechselseitige Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung und Rückzahlung der gezogenen Darlehenstranche bzw. die neu vereinbarten Zinsbindungsfristen seien unbeachtlich, solange am Bilanzstichtag nicht mit einer tatsächlichen vorzeitigen Rückzahlung zu rechnen sei (vgl. Hessisches FG vom 06.07.2011). Mit Auszahlung der Fremdwährungstranche sei auch kein neues Darlehen begründet worden. Vielmehr sei weiterhin die im Darlehensrahmenvertrag vereinbarte Laufzeit zu beachten. Daher müsse bei Berechnung der o.g. Zehn-Jahres-Frist zur Beurteilung der Langfristigkeit auf den Rückzahlungstermin laut Rahmenvertrag, hier den 28.02.2016, abgestellt werden. Damit sei die Zehn-Jahres-Frist an den Bilanzstichtagen aller Streitjahre überschritten worden.
Auch stufte das FG die in den Streitjahren erlittenen Kursverluste als übliche Wechselkursschwankungen ein. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass ihr an den Bilanzstichtagen objektive Anzeichen für einen voraussichtlich dauerhaft gesunkenen Wechselkurs vorgelegen hätten. Der Hinweis auf eine Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank vom 06.11.2011 über die Festlegung eines Mindestkurses von 1,20 CHF pro 1 Euro führe zu keiner anderen Bewertung, weil es sich dabei lediglich um die Stützung einer Untergrenze handele, die einen Rückschluss auf die Dauerhaftigkeit einer Wertveränderung nicht zulasse. Außerdem handele es sich für die vor November 2011 liegenden Bilanzstichtage allenfalls um einen unbeachtlichen wertbegründenden – nicht werterhellenden – Umstand. So verhalte es sich auch mit der erst im Januar 2015 erfolgten Aufhebung des Mindestkurses. Daher sei die Bewertung der Fremdwährungsverbindlichkeit mit dem höheren Teilwert im Streitfall nicht zulässig.
Betroffene Normen
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG, § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG
Streitjahre 2008-2011
Anmerkung
Die Auffassung des FG Schleswig-Holstein zur Bewertung von Fremdwährungsdarlehen liegt grundsätzlich auf der Linie der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteile vom 23.04.2009 und vom 04.02.2014) sowie der diesbezüglichen Verwaltungsauffassung (BMF-Schreiben vom 16.07.2014). Da das FG die Revision zugelassen hat, bleibt jedoch die Entscheidung des BFH im hier vorliegenden Sachverhalt abzuwarten. Das Urteil des FG verdeutlicht jedenfalls, dass ein voraussichtlich dauerhaft gesunkener Wechselkurs in der Praxis nur schwer darzulegen und glaubhaft zu machen sein wird. Im Einzelfall kann in Erwägung gezogen werden, etwaige Verluste zum jeweiligen Bilanzstichtag zu realisieren.
Fundstelle
Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 09.03.2016, 2 K 84/15, Revision zugelassen
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 04.02.2014, I R 53/12, BFH/NV 2014, S. 1016
BFH, Urteil vom 23.04.2009, IV R 62/06, BStBl. II 2009, S. 778
Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 06.07.2011, 4 K 287/10, rkr., siehe Deloitte Tax-News
BMF, Schreiben vom 16.07.2014, BStBl. I 2014, S. 1162, siehe Deloitte Tax-News