BFH: Rückstellungen für Mietrückzahlungen
Sachverhalt
Die Klägerin vermietete im Streitjahr 2001 Fahrzeuge mit unterschiedlichen Vertragslaufzeiten. Bereits im Mietvertrag wurde jeweils ein Fahrzeugrestwert nach Beendigung des Mietverhältnisses vereinbart, der Abrechnungsgrundlage bei Beendigung des Mietvertrags war. Nach Ablauf der Mietzeit wurden die Fahrzeuge an Dritte verkauft. Der aus der Veräußerung erzielte Verkaufspreis lag in der Regel über dem kalkulierten Fahrzeugrestwert. Die Klägerin war gegenüber dem jeweiligen Mieter verpflichtet, den tatsächlichen Verkaufspreis unter Abzug des kalkulierten Fahrzeugrestwerts zurückzuzahlen.
Die Klägerin bildete aufgrund der latenten Rückzahlungsverpflichtung eine Rückstellung für die Mietrückgewährungen. Dies lehnte das Finanzamt ab. Mit ihrer dagegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin den mindernden Abzug eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens (RAP) bzw. die Bildung einer Rückstellung für die Rückkaufverpflichtung. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Entgegen der Auffassung des FG kann die Klägerin für den Anspruch der Mieter, am Veräußerungserlös der Fahrzeuge insoweit beteiligt zu werden, als dieser den zwischen den Vertragsparteien kalkulierten Restwert übersteigt, Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bilden.
Gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Beruht die ungewisse Verbindlichkeit auf einem so genannten schwebenden Geschäft aus einem gegenseitigen Vertrag, der von der zur Sach- oder Dienstleistung verpflichteten Partei noch nicht voll erfüllt ist, hat die Passivierung regelmäßig zu unterbleiben. Anders ist dies nur zu beurteilen, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehung durch schuldrechtliche Vorleistungen oder einen Erfüllungsrückstand gestört ist. Das gilt auch für Dauerschuldverhältnisse. Ein derartiger Erfüllungsrückstand ist im Streitfall gegeben.
Die Klägerin schuldet ihren Vertragspartnern zum einen die Überlassung der Fahrzeuge während der Mietzeit entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen. Zum anderen ist sie jedoch auch verpflichtet, am Ende der Mietzeit die Fahrzeuge jeweils zu veräußern und den Erlös abzüglich des vereinbarten Restwerts an die Mieter herauszugeben. Es handelt sich - wirtschaftlich betrachtet - um eine Mietrückzahlung, die unter der Bedingung steht, dass sich das Fahrzeug zum Ende der Mietzeit noch im Betriebsvermögen der Klägerin befindet und der Veräußerungserlös den kalkulierten Restwert übersteigt. Für diese Pflicht, die die Klägerin am Ende der Laufzeit der Mietverträge trifft, vereinnahmt sie die Gegenleistung bereits während der Mietzeit in Form "überhöhter" Mietraten. Da diese Erlöse mit der Vergütungspflicht zum Ende des Vertrags belastet sind, befindet sich die Klägerin insoweit in einem Erfüllungsrückstand (Verpflichtungsüberhang), dem zur Vermeidung eines überhöhten Gewinnausweises durch die Bildung einer Rückstellung bilanziell Rechnung getragen werden muss.
Es handelt sich nicht um Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, die gemäß § 5 Abs. 4a EStG nicht ausgewiesen werden dürfen. Ein Verlust aus einem schwebenden Geschäft droht, wenn konkrete Anzeichen dafür vorliegen, dass der Wert der eigenen Verpflichtung aus dem Geschäft den Wert des Anspruchs auf die Gegenleistung übersteigt. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Die Mietleistungen werden von vornherein so bemessen, dass sie den aus dem Fahrzeugverkauf folgenden Verlust der Klägerin abdecken.
Ein passiver RAP war ebenso wenig wie eine Anzahlung zu bilden. Die Klägerin erbringt mit dem Verkauf der Fahrzeuge und der Auskehrung des Veräußerungserlöses keine zeitraumbezogene Leistung, wie sie für die Rechnungsabgrenzung charakteristisch ist (§ 5 Abs. 5 S. 1 EStG, BFH-Beschluss vom 07.04.2010). Auch von einer Anzahlung lässt sich nicht sprechen, weil die Mieter der Fahrzeuge schuldrechtlich kein gesondertes Entgelt für den Anspruch auf Beteiligung am Veräußerungserlös entrichtet haben.
Die Klägerin kann die Rückstellung in monatlich ansteigender Höhe bis zu dem Betrag bilden, zu dem der Buchwert der Fahrzeuge zum Ende der Mietzeit den kalkulierten Restwert übersteigt. Da die Voraussetzungen für die Rückzahlung der überzahlten Mietraten im Laufe der Mietzeit geschaffen werden, muss die Rückstellung nach Maßgabe der entrichteten Mietzahlungen über diesen Zeitraum angesammelt werden. Soweit die Klägerin auch den Veräußerungserlös, der den Buchwert der Fahrzeuge zum Ende der Mietzeit übersteigt, an die Mieter auszahlen muss, ist keine Rückstellung zu bilden. Die Klägerin ist insoweit wirtschaftlich nicht belastet, weil sie diese Leistung aus künftigen Erträgen und nur für den Fall zu erbringen hat, dass sie tatsächlich einen Preis über dem Buchwert der Fahrzeuge erzielt.
Da die Laufzeit der Verträge ein Jahr übersteigt, sind die Rückstellungen abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e S. 1 EStG 1997 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/ 2000/2002). Das Gesetz geht typisierend davon aus, dass eine erst in Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige und ordnet für derartige Fälle stets eine Abzinsungspflicht an.
Betroffene Norm
§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB
Streitjahr 2001
Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28.05.2010, 6 K 4384/08
Fundstelle
BFH, Urteil vom 21.09.2011, I R 50/10
Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 07.04.2010, I R 77/08, BStBl II 2010, S. 739, siehe Deloitte Tax-News