Neues vom Auslandstätigkeitserlass
Der Auslandstätigkeitserlass (ATE), der frühere „Montageerlass“, führt in der Praxis der internationalen Mitarbeiterentsendung insofern ein Schattendasein, als er in allen Fällen unanwendbar ist, in denen zwischen den beteiligten Staaten ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) besteht. Letzteres ist aber im Verhältnis zu den meisten wichtigen Staaten, mit denen der Austausch von Mitarbeitern stattfindet, der Fall. Es gibt jedoch Ausnahmen, wie beispielsweise Brasilien, Hong Kong, Nigeria und Saudi Arabien, mit denen zurzeit kein DBA besteht. Insbesondere für bestimmte Brachen, deren Leistungen nach dem ATE privilegiert sind, spielt daher der Erlass eine bedeutende Rolle. Der EuGH hat nunmehr in einer Entscheidung (s.u.) einen Stolperstein für die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses aus dem Weg geräumt.
Was bezweckt der ATE?
Der ATE ist eine Billigkeitsregelung. Bestimmte Auslandstätigkeiten werden als förderungswürdig angesehen. Ziele sind die Förderung der deutschen Wirtschaft und der deutschen Entwicklungshilfe. Deshalb soll der Lohn für diese Tätigkeiten begünstigt werden, indem er von der eigentlich geltenden deutschen Besteuerung freigestellt wird. Das Einkommensteuergesetz eröffnet diese Möglichkeit und die Finanzverwaltung hat mit dem ATE von der Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Welche Tätigkeiten sind begünstigt?
Begünstigt ist:
1. die Planung, Errichtung, Inbetriebnahme, Erweiterung, Instandsetzung, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen sowie der Einbau, die Aufstellung oder Instandsetzung sonstiger Wirtschaftsgüter. Außerdem ist das Betreiben der Anlage bis zur Übergabe an den Auftraggeber (= Probelauf) begünstigt.
2. das Aufsuchen oder die Gewinnung von Bodenschätzen,
3. die Beratung (Consulting) ausländischer Auftraggeber oder Organisatoren im Hinblick auf Vorhaben der Nummer 1 oder 2 oder
4. die deutsche öffentliche Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit.
Ausdrücklich nicht begünstigt sind Tätigkeiten des Bordpersonals auf Seeschiffen, die Tätigkeit von Leiharbeitnehmern bei gewerblicher Arbeitnehmerüberlassung und bestimmte Arten von Beratung.
Welches sind die zeitlichen Voraussetzungen?
Voraussetzung ist eine mindestens dreimonatige Tätigkeit in einem Nicht-DBA Land. Kurze Unterbrechungen sind unter bestimmten Bedingungen unschädlich.
Welches sind die Folgen der Anwendung des ATE?
Folge der Anwendung des ATE ist die Freistellung des Arbeitslohns, der auf die begünstigte Tätigkeit entfällt, von der deutschen Einkommensteuer. Die Freistellung kann nach Antrag auch bereits im Lohnsteuerverfahren zur Anwendung kommen.
Dabei sind, wie bei einer Freistellung nach einem Doppelbesteuerungsabkommen, zunächst diejenigen Gehaltsbestandteile zu identifizieren, die unmittelbar mit der Auslandstätigkeit zusammen hängen (zum Beispiel Zulagen). Andere Gehaltsbestandteile sind aufzuteilen, wenn die Auslandstätigkeit nicht ganzjährig war.
Eine Besteuerung im Ausland muss, anders als bei der Anwendung der DBA, nicht nachgewiesen werden. Die Finanzverwaltung duldet, dass es dadurch zu Keinmalbesteuerungen kommen kann. Allerdings unterliegen die Einkünfte dem Progressionsvorbehalt.
Gibt es strittige Punkte bei der Auslegung der Vorschrift?
Wir haben eine Voraussetzung noch nicht erwähnt, die bisher von der deutschen Rechtsprechung und der Finanzverwaltung immer angewendet wurde:
Nach dem Wortlaut des ATE setzt dessen Anwendung voraus, dass der Arbeitgeber des Mitarbeiters, dessen Arbeitslohn nach dem ATE von der deutschen Besteuerung freigestellt werden soll, im Inland ansässig ist. Ferner enthält der ATE die Voraussetzung, dass es sich bei dem Hersteller und Lieferanten im Sinne der oben genannten Nr. 1 bis 3 um einen inländischen Unternehmer handeln muss. Begünstigt im Sinne der Nummer 4 ist nur die deutsche öffentliche Entwicklungshilfe.
Der EuGH hat am 28.2.2013 im Fall „Petersen und Petersen“ entschieden, dass die Beschränkung auf inländische Arbeitgeber nicht mit EU-Recht vereinbar ist.
Es war, stark verkürzt dargestellt, folgender Fall zu entscheiden:
Herr Petersen, ein Däne, hatte mit Frau Petersen seinen Wohnsitz in Deutschland. In Dänemark unterhielt er lediglich eine Ferienwohnung. Herr Petersen war bei einem dänischen Unternehmen angestellt, für das er im afrikanischen Staat Benin bei einem dänischen Entwicklungshilfeprojekt tätig war.
In Dänemark, wo sein Arbeitslohn zur Auszahlung kam, wurde dieser von der dänischen Steuer freigestellt. In Deutschland wollte Herr Petersen in seiner Einkommensteuererklärung eine Freistellung von der deutschen Einkommensteuer erreichen, indem er sich u.a. auf den ATE berief, weil zwischen der BRD und Benin kein DBA besteht.
Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass Herr Petersen keinen inländischen Arbeitgeber habe und es sich außerdem nicht um ein deutsches Entwicklungshilfeprojekt handele.
Dagegen wandte sich Herr Petersen mit einer Klage beim Finanzgericht, das aufgrund europarechtlicher Zweifel den Fall dem EuGH vorlegte.
Dieser hat entschieden, dass die Nichtgewährung der Freistellung in Fällen eines Arbeitgebers, der in einem anderen EU-Staat ansässig ist, nicht mit Art. 45 AEUV vereinbar ist. Art. 45 AEUV schützt die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU. Die Einwände der Bundesregierung, man könne doch die Voraussetzungen der Vorschrift nur schwer überprüfen und man habe kein Budget für eine indirekte Förderung ausländischer Entwicklungshilfeprojekte, ließ der Gerichtshof nicht gelten.
Folgen der Entscheidung und Ausblick:
Die Entscheidung hat einen Stolperstein für die Anwendung des ATE, zumindest in EU-Fällen, beseitigt. Bisher war es für die Anwendung entscheidend, ob der Arbeitgeber in Deutschland ansässig war. War der Arbeitnehmer bei der „falschen“ Konzerngesellschaft angestellt, so scheiterte bisher die Freistellung. In Fällen mit EU-Arbeitgebern, die noch nicht bestandskräftig und damit änderbar sind, empfehlen wir, die Freistellung des begünstigten Arbeitslohns nachträglich zu erstreiten.
Allerdings möchten wir auch anmerken, dass der EuGH bisher nicht ausdrücklich darüber entschieden hat, ob in den Fällen der oben dargestellten Nummern 1 bis 3 auch das Erfordernis entbehrlich ist, dass es sich um einen inländischen Hersteller, Auftraggeber etc. handeln muss. Unseres Erachtens liefe aber die Entscheidung des EuGH bei Beibehaltung der Anforderung „ins Leere“. Daher gehen wir davon aus, dass auch bei diesem Tatbestandsmerkmal die Anforderung „inländisch“ fallen wird.
Abschließend sei der Hinweis erlaubt, dass die EuGH-Entscheidung für die deutschen Steuerpflichtigen langfristig eher ein Nachteil sein könnte. Die Finanzverwaltung könnte den Europarechtsverstoß nämlich auch negativ für die Zukunft beseitigen, indem sie den ATE abschafft.
Sollten auch Sie und Ihre Mitarbeiter von den Regelungen des ATE und der vorgestellten Entscheidung des EuGH betroffen sein und Unterstützung bei der Umsetzung benötigen - sprechen Sie uns an, wir unterstützen Sie und Ihre Mitarbeiter hierbei gern!