FG BW: Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung
In seinem Urteil vom 16.06.2016 (1 K 3229/14) hat das FG Baden-Württemberg entschieden, dass die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nicht erfüllt sind, wenn der Arbeitnehmer neben seinem eigenen Hausstand zwar eine zweite, näher am Beschäftigungsort liegende Wohnung unterhält, der Beschäftigungsort jedoch bereits vom eigenen Hausstand in zumutbarer Weise erreicht werden kann.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige, der im Streitjahr 2013 einen Wohnsitz am Beschäftigungsort S unterhielt, lebte zusätzlich mit seiner Ehefrau in einem eigenen Hausstand im rund 38 km von S entfernten A. Die etwa 6 km vom Beschäftigungsort entfernte Wohnung in S wurde vom Kläger bereits seit Ende 2012 mit der Absicht gemietet, künftig nicht mehr täglich von A nach S pendeln zu müssen.
Streitig war, ob der Steuerpflichtige mit seiner Wohnung am Beschäftigungsort in S die Voraussetzungen für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung erfüllt.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG Baden-Württemberg lagen die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung nicht vor.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG können notwendige Mehraufwendungen wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abgezogen werden, wenn der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort wohnt und außerhalb des Ortes seiner regelmäßigen Arbeitsstätte (ab 2014: erste Tätigkeitsstätte) auch einen eigenen Hausstand unterhält.
Auch wenn der Steuerpflichtige zweifelsfrei einen eigenen Hausstand in S unterhielt, versagt das FG Baden-Württemberg den Werbungskostenabzug mit der Begründung, dass sich der Familienwohnsitz in A ebenfalls noch am Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte des Klägers befand. Das FG betont dabei, dass hierfür nicht die jeweilige politische Gemeinde, sondern vielmehr der Bereich, der zum Einzugsgebiet der regelmäßigen Arbeitsstätte gehört, zu betrachten ist. Kann ein Arbeitnehmer danach – ungeachtet von Gemeinde- und Landesgrenzen – seinen Beschäftigungsort von seinem eigenen Hausstand in zumutbarer Weise täglich aufsuchen, ist eine doppelte Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG ausgeschlossen.
Nach Ansicht des FG Baden-Württemberg ist die Beurteilung der Zumutbarkeit nicht allein auf die Entfernung zwischen eigenem Hausstand und Beschäftigungsort abzustellen. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen (insbesondere Verkehrsanbindung mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln sowie deren Erreichbarkeit). Ein eigener Hausstand am Beschäftigungsort liegt danach regelmäßig noch dann vor, wenn der Arbeitnehmer üblicherweise von dort täglich zu seinem Beschäftigungsort pendeln kann. Eine Fahrtzeit von etwa einer Stunde für die einfache Strecke ist dabei noch als zumutbar anzusehen.
Im Ergebnis wurde eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung vom FG Baden-Württemberg versagt, da der Steuerpflichtige die Entfernung von seinem Hausstand in A zu seinem Arbeitsort in S in etwa 34 Minuten bewältigen kann. Auch bei Berücksichtigung eines Zuschlages für Staulagen von 20 bis 30 Minuten je einfacher Fahrt liegt somit noch eine zumutbare Fahrtzeit von etwa einer Stunde vor.
Anmerkungen
Aufgrund der beim BFH hierzu anhängigen Revision (VI R 2/16) bleibt abzuwarten, ob sich dieser dem Urteil des FG Baden-Württemberg anschließt. Dafür spricht, dass der BFH – wenn auch in einem anderen Kontext – mit seinem Urteil vom 19.04.2012 (VI R 59/11) eine Fahrtzeit von einer Stunde für die einfache Strecke als angemessen erachtete.
Betroffene Norm
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG.
Streitjahr 2013.
