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17.01.2014
Unternehmensrecht

Pläne zum Erlass einer EU-Verordnung zur Regelung von Insidergeschäften und Marktmanipulation

Die EU plant, Insiderhandel, Marktmanipulation und Ad-hoc-Publizität einheitlich in einer Marktmissbrauchsverordnung zu regeln. Eine politische Verständigung über den Entwurf der EU-Marktmissbrauchsverordnung liegt bereits vor. Die Verordnung muss aber noch ordnungsgemäß im Gesetzgebungsverfahren verabschiedet werden, womit noch im Jahr 2014 zu rechnen sein dürfte.

I. Hintergrund

Die neue EU-Marktmissbrauchsverordnung („Regulation on market abuse“, nachfolgend: „MAR“) soll das bislang in der EU-Marktmissbrauchsrichtlinie aus dem Jahr 2003 geregelte Marktmissbrauchsrecht ersetzen und wird weitestgehend zu einer unmittelbaren Vereinheitlichung des Marktmissbrauchsrechts in der EU führen. Im Zuge des Erlasses der MAR soll das Marktmissbrauchsrecht inhaltlich verschärft und ihr Anwendungsbereich erweitert werden. Flankierend hierzu beabsichtigt der Europäische Gesetzgeber das Strafrecht im Hinblick auf marktmissbräuchliche Verhaltensweisen durch den Erlass einer Richtlinie zu harmonisieren.

II. Einbeziehung des Freiverkehrs und anderer Handelssysteme

Vor dem Hintergrund, dass sich die Liquidität in den vergangenen Jahren zunehmend von dem Börsenhandel und geregelten Märkten in Richtung alternativer Handelsplattformen verschoben hat, wird der Anwendungsbereich des Marktmissbrauchsrechts in seiner ganzen Breite auf sogenannte Multilaterale Handelssysteme (MTF) und andere organisierte Handelssysteme (OTF) ausgedehnt. Zukünftig werden daher auch multilaterale Handelssysteme wie etwa „Chi-X“ und „Turqoise“ sowie Handelsplätze wie der Freiverkehr unter das gesamte Regelungsregime des Marktmissbrauchsrechts fallen. Insbesondere für die Akteure im Freiverkehr bedeutet dies, dass sie neben dem gegenwärtig schon für sie geltenden Insiderhandelsverbot und dem Verbot der Marktmanipulation zukünftig auch die Vorschriften zur Ad-hoc-Publizität, zu Insiderlisten, Directors‘ Dealings und die damit verbundenen Sanktionsbestimmungen beachten müssen. Außerbörslich gehandelte Derivate (OTC), die mit an einem geregelten Markt oder MTF/OTF gehandelten Finanzinstrument verbunden sind, sollen ebenfalls dem gesamten Regelungsregime des Marktmissbrauchsrechts unterfallen.

III. Insiderinformation und Insiderhandel

Die Definition der Insiderinformation soll weitgehend unverändert bleiben. In Anlehnung an das Urteil des EuGH in Sachen Daimler AG/Markus Geltl wird die MAR klarstellen, dass Vorstufen oder Zwischenschritte, die auf ein übergeordnetes Ziel hinauslaufen, ebenfalls schon eine Insiderinformation darstellen können.

Verboten sind weiterhin das Tätigen von Insidergeschäften, Dritten das Tätigen von Insidergeschäften zu empfehlen oder sie hierzu zu verleiten und die unbefugte Weitergabe von Insiderinformationen. Neu ist, dass die Stornierung noch nicht durchgeführter Transaktionen unter das Insiderhandelsverbot fallen kann. Ausnahmen vom Insiderhandelsverbot soll es weiterhin etwa bei sogenannten „Face-to-Face-Geschäften“ geben. Eine ausdrückliche Regelung soll das sogenannte „Marketsounding“ erfahren, wonach die Weitergabe von Insiderinformationen durch Emissionsbanken an potentielle Investoren im Vorfeld einer geplanten Kapitalmarkttransaktion zulässig sein kann.

IV. Marktmanipulation

Neben der vollendeten handels- und informationsgestützten Marktmanipulation wird die MAR zukünftig auch den Versuch der Marktmanipulation untersagen.

V. Ad-hoc-Publizität und Insiderlisten

Da der Anwendungsbereich des Marktmissbrauchsrechts nunmehr auch Emittenten in OTF sowie MTF erfassen wird, müssen zukünftig insbesondere Emittenten im Freiverkehr Insiderinformationen unverzüglich veröffentlichen (Ad-hoc-Publizität). Unverändert können die Unternehmen die Veröffentlichung aufschieben, wenn die sofortige Veröffentlichung ihre legitimen Interessen beeinträchtigen würde. Finanzinstitute können ferner mit behördlichem Einverständnis die Publikation einer Insiderinformation verzögern, wenn anderenfalls ihre finanzielle Stabilität und das gesamte Finanzsystem gefährdet sind.

Die Pflicht zur Führung von Insiderlisten trifft mit der Ausdehnung des Geltungsbereichs des Marktmissbrauchsrechts nun Emittenten im Freiverkehr ebenfalls. Keine Insiderlisten sind ausnahmsweise zu führen, wenn die Finanzinstrumente des Emittenten an KMU-Wachstumsmärken zugelassen sind und die Emittenten durch Sicherungsmaßnahmen für die Einhaltung der Insiderregeln sorgen.

VI. Directors' Dealings

Aufgrund des erweiterten Anwendungsbereichs der MAR auf MTF und OTF werden insbesondere auch Führungskräfte von Emittenten im Freiverkehr Geschäfte mit Finanzinstrumenten mitteilen und die Emittenten umgekehrt diese Geschäfte veröffentlichen müssen. Neu einführen wird die MAR, dass Emittenten eine fortlaufende Liste sämtlicher Führungskräfte und der ihnen nahestehenden Personen zu führen haben, die in den Anwendungsbereich der Meldepflicht fallen. In Fortführung der bisherigen Rechtslage sind sämtliche Transaktionen ab EUR 5.000,00 im Jahr zu melden und zu veröffentlichen, wobei die BaFin ermächtigt ist, diese Schwelle auf EUR 20.000,00 im Jahr heraufzusetzen.

VII. Aufsichtsbehörde und Sanktionen

Trotz der Schaffung der unabhängigen Europäischen Behörde zur Sicherung der Stabilität der Finanzsysteme „ESMA“ (European Securities and Markets Authority) wird die BaFin auch nach Inkrafttreten der MAR für die Aufsicht über die Einhaltung des Marktmissbrauchsrechts zuständig sein. Die ESMA soll dagegen überwiegend Kompetenzen zur Koordinierung und Regulierung erhalten.

Vorgesehen ist, dass die BaFin Befugnisse zur Durchsuchung von Geschäftsräumen und zur Beschlagnahme von Dokumenten erhält sowie personenbezogene Daten bis zu fünf Jahren speichern darf. Ferner ist die Verschärfung von Verwaltungssanktionen geplant: Insiderhandel und Marktmanipulation können mit Geldbußen bis zu EUR 5.000.000,00 sanktioniert werden, Directors' Dealings mit bis zu EUR 500.000,00 sowie alle übrigen Verstöße bis zu EUR 1.000.000,00 (z.B. Verletzungen der Ad-hoc-Publizitätspflicht). Bei schwerwiegenden Verstößen soll die BaFin gegenüber juristischen Personen berechtigt sein, Geldbußen von bis zu EUR 15.000.000,00 oder 15 % des (Konzern-) umsatzes zu verhängen.

Die einzelnen Straftatbestände für marktmissbräuchliche Handlungen werden dagegen in einer eigenen Richtlinie geregelt, deren Vorgaben die Mitgliedsstaaten durch nationale Rechtsakte dann noch entsprechend umsetzen müssen.

VIII. Fazit

Mit der zukünftigen Vereinheitlichung des Marktmissbrauchsrechts auf EU-Ebene werden gleichzeitig die entsprechenden Regelungen verschärft, wie insbesondere die Regelungen zur erweiterten Sanktionierung von marktmissbräuchlichem Verhalten zeigen oder zur Einstufung der Stornierung von Aufträgen als marktmissbräuchliches Verhalten und das explizite Verbot des Versuchs der Marktmanipulation.

Für die Praxis von besonderer Bedeutung ist die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Marktmissbrauchsrechts, insbesondere die Erstreckung auf MTF und OTF, wovon insbesondere Emittenten im Freiverkehr betroffen sein werden. Letztere können jedoch im Unterschied zu Gesellschaften, deren Aktien am regulierten Markt bzw. zur Börse zugelassen sind, ihre Finanzinformationen weiterhin nach IFRS oder HGB erstellen und unterliegen nicht dem Wertpapierübernahmegesetz. Die Prospektpflicht gilt für sie unverändert nicht, es sei denn, dass es sich bei der Emission um ein öffentliches Angebot handelt oder die Regeln der Börse die Erstellung eines Prospekts vorsehen.

Von der MAR betroffene Emittenten und Unternehmen sollten sich frühzeitig auf die in der MAR vorgesehenen Änderungen einstellen, da EU-Verordnungen in den Mitgliedsstaaten unmittelbar Geltung erlangen, ohne dass die Mitgliedsstaaten innerhalb einer bestimmten Frist noch die betreffenden EU-Vorschriften in nationales Recht umsetzen müssen.

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