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01.02.2016
Indirekte Steuern/Zoll

Personengesellschaft als Organgesellschaft möglich und Nichtunternehmer nicht Teil einer Organschaft - Deutsche Organschaft doch nicht unionsrechtswidrig?

Der BFH lässt Personengesellschaften unter engen Voraussetzungen als Organgesellschaft zu. Die Eingliederung erfordert ein Durchgriffsrecht des Organträgers. Ein Nichtunternehmer kann nicht Organträger sein.

Hintergrund

Mit Urteil vom 16.07.2015 hat der EuGH entschieden, dass der Ausschluss von Personengesellschaften vom Rechtsinstitut der umsatzsteuerlichen Organschaft ebenso wie das Erfordernis eines Über- und Unterordnungsverhältnisses grundsätzlich im Widerspruch zum Unionsrecht stehen, es sei denn diese Einschränkungen stellen Maßnahmen zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken zur Steuerumgehung bzw. – Steuerhinterziehung dar (C- 108/14 und C-109/14 Rechtssache Minerva + Larentia/Marenave).

Mit Spannung war erwartet worden, wie der BFH auf diese Rechtsprechung reagiert.

Entscheidung

Am 28.01.2016 veröffentlichte der BFH gleichzeitig fünf Entscheidungen (V R 67/14, V R 15/14, V R 36/13, V R 25/13, V R 12/14) zu Einzelaspekten der umsatzsteuerlichen Organschaft, in denen er auf der Grundlage des geltenden Rechts ein konsistentes Bild eines unionsrechtskonformen deutschen Organschaftsverständnisses skizziert.

Der BFH greift die vom EuGH aufgezeigte Möglichkeit auf, die prinzipielle Einschränkung des Kreises der möglichen Organgesellschaften auf juristische Personen, sowie das Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrecht (Über- und Unterordnungsverhältnis) mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit, der Verwaltungsvereinfachung und der Missbrauchsvermeidung zu begründen.

Die Eckpfeiler dieses Konzepts lauten:

  • Der Begriff juristische Person kann im Wege der teleologischen Extension so ausgelegt werden, dass er Personengesellschaften unter besonderen Voraussetzungen umfasst.
  • Die deutschen Eingliederungsvoraussetzungen mit Durchgriffsrecht genügen dem unionsrechtlichen Präzisierungsvorbehalt.
  • Ein Nichtunternehmer kann nicht Organträger sein.

Personengesellschaft als Organgesellschaft
Art. 11 MwStSystRL, der den unionsrechtlichen Rahmen für eine Mehrwertsteuergruppe darstellt, bedarf der Präzisierung auf nationaler Ebene. Diesen Präzisierungsvorbehalt hat der deutsche Gesetzgeber – so der BFH - in der Weise genutzt, dass er den Kreis der möglichen Organgesellschaften prinzipiell auf juristische Personen beschränkt.

Der Ausschluss einer Personengesellschaft ist jedoch dann nicht mit dem Prinzip der Rechtsformneutralität der MwStSystRL vereinbar, wenn diese vergleichbar einer juristischen Person in das Unternehmen des Gesellschafters eingegliedert ist.

Während über die finanzielle Eingliederung einer juristischen Person rechtssicher, einfach und ohne Nachweisschwierigkeiten entschieden werden kann, trifft dies auf eine Personengesellschaft nicht zu. Wegen des bei Personengesellschaften geltenden Einstimmigkeitsprinzips und des fehlenden Formenzwangs im Gesellschaftsrecht der Personengesellschaften, besteht bei diesen im Allgemeinen keine hinreichende Grundlage, um die Person des Steuerschuldners einfach und rechtssicher bestimmen zu können.

Erfüllt eine Personengesellschaft jedoch ausnahmsweise diese Voraussetzungen, so widerspricht ihr Ausschluss aus der Organschaft dem Gesetzeszweck.

Nach Auffassung des BFH (siehe Deloitte Tax-News) kann eine Personengesellschaft daher ausnahmsweise Organgesellschaft sein. Erforderlich ist dafür, dass die finanzielle Eingliederung wie bei einer juristischen Person zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die ihrerseits in das Unternehmend des Organträgers finanziell eingegliedert sind, so dass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gewährleistet ist.

Diese Voraussetzung erfüllt beispielsweise eine GmbH & Co. KG, wenn der Kommanditist zu 100 % an der KG beteiligt ist und gleichzeitig mehr als 50 % der Anteile an der Komplementär GmbH hält.

Kein Nichtunternehmer als Organträger
Die Zulassung von Nichtunternehmern als Organträger durch den nationalen Gesetzgeber ist unionsrechtlich zwar zulässig aber nicht geboten. Der Ausschluss von Nichtunternehmern nach nationalem Recht verstößt daher nicht gegen Unionsrecht, da das Erfordernis der Unternehmereigenschaft des Organträgers im nationalen Kontext zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken oder Verhaltensweisen erforderlich und geeignet ist.

Ob dies auch zwingend für Organgesellschaften, wie z.B. Zwischenholdings gilt, war im Streitfall nicht zu entscheiden.

Eingliederungsvoraussetzungen
Für das sich aus dem nationalen Recht ergebende Erfordernis einer Eingliederung mit Durchgriffsrechten besteht nach Ansicht des BFH eine hinreichende Grundlage im Unionsrecht. Aufgrund des Präzisierungsvorbehalts der MwStSystRL ist das im deutschen Recht vorgesehene Abstellten auf eine Eingliederung mit Durchgriffsrechten gerechtfertigt, da sich hieraus die Organschaft als Zusammenfassung zu einem Steuerpflichtigen beim Organträger rechtssicher ergibt.

Handlungsbedarf

Nach deutschem Recht besteht eine umsatzsteuerliche Organschaft, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Personengesellschaften, die die vom BFH aufgestellten Kriterien erfüllen, sind daher bereits heute unselbständiger Teil des Unternehmens des Organträgers. Solange die Steuerfestsetzung noch änderbar ist, können sich die Betroffenen hierauf berufen und die Rechtsfolgen der Organschaft auf der Grundlage der genannten Rechtsprechung bei der Finanzverwaltung einfordern.

Unter den genannten Voraussetzungen liegt jedoch auch eine Organschaft vor, wenn diese nicht erkannt oder von den Beteiligten nicht gewollt ist. Die Rechtsfolgen der Organschaft können daher von der Finanzverwaltung auch gegen den Willen der Beteiligten geltend gemacht werden. Insbesondere hinsichtlich der Haftung von Organgesellschaften für Steuern der Organschaft bestehen insoweit Risiken.

Es steht zwar zu erwarten, dass sich die Finanzverwaltung kurzfristig zur Anwendbarkeit der Rechtgrundsätze der BFH Urteile äußert und ggf. im Wege einer Nichtbeanstandungsregelung Sachverhalte in der Vergangenheit nicht gegen den Willen der Beteiligten aufgreift. Dessen ungeachtet müssen derartige Sachverhalte identifiziert, steuerrechtlich bewertet und gegebenenfalls für die Zukunft umgestaltet werden. Eine steuerlich nachteilige Organschaft kann z.B. durch die Beseitigung der Voraussetzungen der organisatorischen Eingliederung für die Zukunft verhindert werden.

Anmerkung

Mit Verfügung vom 24.05.2016 hat sich die OFD Frankfurt a.M. zur Anwendung der BFH-Urteile V R 67/14, V R 15/14, V R 25/13 vom 02.12.2015 sowie des BFH-Urteils XI R 38/12 vom 19.01.2016 geäußert.
Der BFH hatte mit Urteil vom 19.01.2016, XI R 38/12, siehe Deloitte Tax-News,  entschieden, dass der Begriff der „juristischen Person“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG) bei richtlinienkonformer Auslegung auch eine GmbH & Co. KG erfasse.
Die OFD Frankfurt a.M. legt nun fest, dass die BFH-Urteile V R 25/13 und XI R 38/12 vorläufig grundsätzlich nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden seien. Abweichend davon könnten sich aber – sofern die Voraussetzungen beider Urteile vorlägen – der Organträger und die GmbH & Co. KG einheitlich auf die Rechtsprechung berufen. Dafür sei erforderlich, dass bei einer GmbH & Co. KG als Organgesellschaft an dieser neben dem Organträger nur Personen beteiligt sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind. Vertrauensschutz nach § 176 AO werde nicht gewährt. Daneben sei eine finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung der GmbH & Co. KG in das Unternehmen des Organträgers – auch noch im Zeitpunkt der Berufung auf die Rechtsprechung – erforderlich; zudem müssten alle betroffenen Steuerfestsetzungen noch änderbar sein.

Vorinstanzen
Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 18.11.2014, 1 K 1480/12 (zu V R 67/14)
Finanzgericht Münster, Urteil vom 12.02.2013, 15 K 4005/11 U,AO (zu V R 15/14)
Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom 06.08.2013, 2 K 1964/10 (zu V R 36/13)
Finanzgericht München, Urteil vom 13.03.2013, 3 K 235/10, siehe Deloitte Tax-News (zu V R 25/13)
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 22.08.2013, 16 K 128/13 (zu V R 12/14, NV)

Fundstellen
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 67/14
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 15/14
BFH, Urteil vom 03.12.2015, V R 36/13
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 25/13
Pressemitteilung Nr. 4 vom 28.01.2016
BFH, Urteil vom 02.12.2015, V R 12/14 (NV)

Weitere Fundstellen
EuGH, Urteil vom 16.07.2015, Larentia + Minerva C-108/14 und C-109/14, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 19.01.2016, XI R 38/12, siehe Deloitte Tax-News
OFD Frankfurt a.M., Verfügung vom 24.05.2016, S 7105 A - 22 - St 110

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