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28.10.2014
Unternehmensrecht

Neues EuGH-Urteil zur Vererblichkeit des Urlaubsanspruchs

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 12. Juni 2014 (C-118/13 – Bollacke) entschieden, dass der finanzielle Ausgleich für nicht genommenen Urlaub eines Arbeitnehmers im Falle seines Todes auf dessen Erben übergeht.

I. Sachverhalt

Im zu entscheidenden Fall des EuGH war ein Arbeitnehmer vom 1. August 1998 bis zu seinem Tod am 19. November 2010 im Unternehmen der Beklagten beschäftigt. Seit dem Jahr 2009 bis zu seinem Tod war er aufgrund einer schweren Erkrankung häufig arbeitsunfähig erkrankt. Zum Zeitpunkt seines Todes standen 140,5 Tage offener Jahresurlaub aus, da er aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub nehmen konnte. Darüber hinaus bestand in dem Unternehmen die betriebliche Übung, dass ein jahrelanges Ansammeln von Resturlaub möglich war. Die Witwe und Alleinerbin des Arbeitnehmers klagte vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Bocholt auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe eines Betrages von rund EUR 14.000,00 brutto.

Das ArbG Bocholt wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gericht unter anderem aus, dass der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht vererblich sei.

Dagegen setzte das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm das Verfahren aus und legte den Fall dem EuGH vor (LAG Hamm, Beschluss vom 14. Februar 2013, 16 Sa 1511/12). Das LAG Hamm wollte mit seiner Vorlage insbesondere geklärt wissen, ob die europarechtlichen Vorschriften den ersatzlosen Wegfall des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung im Todesfall zulassen.

II. Ausgangslage

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht vor, dass der Urlaub grundsätzlich im Kalenderjahr zu nehmen ist. Zwar ist eine Übertragung des nicht genommenen Urlaubs auf das Folgejahr ausnahmsweise möglich (§ 7 Abs. 3 BUrlG), der Urlaub ist aber auch im Fall einer solchen Übertragung bis zum 31. März des Folgejahres zu nehmen; ansonsten verfällt er.

Aus der vorbezeichneten Gesetzgebung leitete das BAG in seiner früheren Rechtsprechung ab, dass langjährig erkrankte Arbeitnehmer ihren krankheitsbedingt nicht genommenen Vorjahresurlaub jeweils zum 31. März des Folgejahres verlieren. Diese Rechtsprechung hat das BAG jedoch aufgegeben, nachdem der EuGH in seiner Schultz/Hoff-Entscheidung vom 20. Januar 2009 (C-350/06 – Schultz-Hoff) entschieden hatte, dass ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht verliert, wenn er ihn wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen konnte. Der EuGH und – in der Folgezeit – auch das BAG stellten insofern klar, dass der nicht genommene Urlaub finanziell abzugelten ist.

Ebenfalls in früherer Rechtsprechung hatte das BAG die Ansicht vertreten, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch ein reiner Geldanspruch ist, der beim Tod eines Arbeitnehmers nicht auf dessen Erben übergeht (Urteil vom 20. September 2011, Az. 9 AZR 416/10). Das BAG vertrat die Auffassung, dass der arbeitnehmerseitige Anspruch auf Urlaub einen höchstpersönlichen Anspruch darstellt, der nicht vererbt werden kann und demzufolge mit dem Tod des Arbeitnehmers erlöscht, so dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG nicht in Betracht kommt.

III. Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied nun, dass das Europarecht der bisherigen deutschen Rechtsprechung entgegensteht, demzufolge nicht genommener Urlaub ohne Ausgleich durch einen Urlaubsabgeltungsanspruch untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Der EuGH stützt sich dabei in seinen Gründen auf Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG. Laut Aussage des EuGHs könne Art. 7 der Richtlinie nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der besagte Anspruch durch den Tod des Arbeitnehmers untergehe. Ein finanzieller Ausgleich sei danach unerlässlich, um die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicherzustellen, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Im Ergebnis sieht der EuGH keinen Unterschied zu dem Fall, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung endet bevor der Urlaub genommen werden kann. In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer unstreitig ein Anspruch auf Abgeltung seines nicht genommenen Urlaubs zu.

IV. Fazit

Nach dem jüngsten Urteil des EuGH kommt es danach für die Entstehung eines Urlaubsabgeltungsanspruchs weder auf den Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (z.B. durch Kündigung, Renteneintritt, Tod etc.) noch darauf an, ob der Anspruch dem Arbeitnehmer selbst zugute kommt. Einer – wie bisher durchaus üblichen – Klausel in Vergleichen oder Aufhebungsverträgen, wonach Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche im Todesfall erhalten bleiben, bedarf es danach in Zukunft nicht mehr. Darüber hinaus gibt diese Entscheidung dazu Anlass, bei langfristig schwer erkrankten Mitarbeitern – früher als bisher – über den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung nachzudenken.

Ihre Ansprechpartner

Dr. Julia Sierig
Director

jsierig@deloitte.de
Tel.: 0711 6696267

Kristin Hutzel
Manager

khutzel@deloitte.de
Tel.: 0711 6696282

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