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14.10.2015
Unternehmensrecht

Mieterhöhungen bei der Wohnraumvermietung: Widerrufsbelehrung – ja oder nein?

Nach den neuen §§ 312 Abs. 4, 312 g BGB ist das Verbraucherwiderrufsrecht nun auch auf Wohnraummietverträge anwendbar. Umstritten ist, ob Mietern bei Mieterhöhungen ein Widerrufsrecht zusteht und Vermieter zur Belehrung über das Widerrufsrecht verpflichtet sind. Eine fehlende Belehrung hätte zur Folge, dass Mieter eine wirksam gewordene Mieterhöhung bis ein Jahr und 14 Tage nach deren Zustandekommen widerrufen könnten. Der jeweilige Vermieter wäre dann verpflichtet, die „überzahlte“ Miete zurück zu gewähren, ohne vom Mieter Wertersatz zu erhalten.

Mitte des Jahres 2014 hat der Gesetzgeber die Bestimmungen zu Verbraucherverträgen und zu dem Recht von Verbrauchern, bestimmte Verträge zu widerrufen, umfassend reformiert und dabei deren Anwendungsbereich deutlich erweitert. Eine bedeutende Neuerung ist insbesondere, dass das Widerrufsrecht nach § 312 Abs. 4 BGB nunmehr auch auf Wohnraummietverträge anwendbar ist.

Diese Neuerung hat zu erheblicher Unruhe bei Vermietern und Verbänden geführt. Der Tagesspiegel widmete dem Thema sogar einen eigenen Beitrag unter dem Titel „Gewerblich oder nicht gewerblich – das ist hier die Frage. Das neue Widerspruchsrecht“.

Gründe für die Unsicherheiten sind Unklarheiten hinsichtlich des genauen Anwendungsbereichs des Widerrufsrechts von Mietern sowie die weitreichenden Folgen bei dessen Nichtbeachtung.

Noch ungeklärt ist insbesondere, ob das Widerrufsrecht für Mieterhöhungen gilt. Soweit Wohnraummietern im Falle von Mieterhöhungen ein Widerrufsrecht zustände, wären Vermieter nach § 312 d BGB verpflichtet, die Mieter über ihr 14-tägiges Widerrufsrecht zu belehren. Fehlt eine solche Belehrung, könnte der jeweilige Mieter eine bereits wirksam gewordene Mieterhöhung bis ein Jahr und 14 Tage nach deren Zustandekommen widerrufen. Der Vermieter wäre dann verpflichtet, die „überzahlte“ Miete zurück zu gewähren, ohne vom Mieter Wertersatz für die Nutzung der Wohnung zu erhalten.

Obgleich bislang - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung dazu vorliegt, ob Wohnraummietern bei Mieterhöhungen ein Widerrufsrecht zusteht, soll angesichts der für die Mietvertragsparteien erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung dieses Themas der aktuelle Meinungsstand in der mietrechtlichen Literatur im Folgenden kurz dargestellt und mit einem Praxistipp verbunden werden:

I. Zu den allgemeinen Voraussetzungen des Verbraucherwiderrufsrechts

Voraussetzung für ein Widerrufsrecht von Mietern ist nach § 312 Abs. 1 BGB das Vorliegen eines Verbrauchervertrags über entgeltliche Leistungen eines Unternehmers und nach §§ 312 b, c BGB das Bestehen eines Widerrufstatbestandes.

1. Verbrauchervertrag

Ein Mietvertrag ist nach § 310 Abs. 3 BGB ein Verbrauchervertrag, wenn der Vermieter Unternehmer (vgl. § 14 BGB) und der Mieter Verbraucher (vgl. § 13 BGB) ist. Während die Verbrauchereigenschaft von Wohnraummietern in der Regel unstreitig ist, wird die Unternehmereigenschaft von (privaten) Vermietern in der Rechtsprechung bis dato unterschiedlich beurteilt. Vermieter sollten daher im Einzelfall genau prüfen, ob sie als Unternehmer gelten und im Zweifel von ihrer Unternehmereigenschaft ausgehen.

2. Widerrufstatbestand

Weitere Voraussetzung für ein Widerrufsrecht des Mieters bei Mieterhöhungen ist, dass die Mieterhöhung a) außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312 b BGB) oder b) im Wege eines Fernabsatzgeschäfts (§ 312 c BGB) zustande gekommen ist. Praktisch relevant dürfte vor allem die Variante b) sein, wobei umstritten ist, wann ein Fernabsatzgeschäft vorliegt. Nach einer Ansicht muss der Vermieter tatsächlich etwas „absetzen“, so dass die lediglich systematische Realisierung nachträglicher Vertragsänderungen durch Fernkommunikationsmittel für die Bejahung des Tatbestands nicht ausreicht (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 2015, § 558b Rdnr. 35b). Nach anderer Auffassung liegt ein Fernabsatzgeschäft schon und immer dann vor, wenn das Mieterhöhungsverlangen ohne persönlichen Kontakt kommuniziert wird, also z.B. durch einen Briefwechsel (vgl. Schüller, BeckOK BGB, 2015, § 557, Rn. 10).

Vertretbar erscheint die zweite Ansicht aber nur dann, wenn Fernkommunikationsmittel nicht nur gelegentlich eingesetzt werden und Unternehmer die organisatorischen Voraussetzungen bieten, um regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen.

II. Das Widerrufsrecht und die einzelnen Mieterhöhungstatbestände

Die sich anschließende Frage, ob dem Mieter bei Mieterhöhungen ein Widerrufsrecht zusteht, wird je nach Art der Mieterhöhung unterschiedlich beantwortet:

1. Mieterhöhung durch Vereinbarung nach § 557 Abs. 1 und Abs. 2 BGB

Bei einer vertraglich vereinbarten Mieterhöhung nach § 557 Abs. 1 und Abs. 2 BGB soll ein Widerrufsrecht des Mieters bestehen können, da laut der Gesetzesbegründung in sämtlichen Fällen der nachträglichen Vertragsänderung ein berechtigtes Interesse des Mieters existiere, Abreden zu widerrufen, die außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz zustande gekommen sind (vgl. Blank/Börstinghaus, Miete 2014, § 557 Rdnr. 6).

2. Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach §§ 558 ff. BGB

Ob dem Mieter bei einer Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach §§ 558 ff. BGB ein Widerrufsrecht zusteht, ist derzeit umstritten. Eine Ansicht (Lützenkirchen, Mietrecht 2015, § 558b; Rdnr. 48h) lehnt dies ab, da die 14-tägige Widerrufsfrist dazu diene, dem Mieter eine Bedenkzeit einzuräumen, die bei solchen Mieterhöhungen bereits mit der zweimonatigen Überlegungsfrist nach § 558b Abs. 2 BGB sichergestellt sei. Nach anderer Auffassung sollen die §§ 312 ff. BGB auch für Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete gelten (vgl. Schüller, a.a.O., § 558a, Rn. 3). Dies folge daraus, dass sich das gesetzliche Widerrufsrecht nicht auf die Dauer der Bedenkzeit des Mieters beziehe, sondern auf die Tragweite einer bindenden Willenserklärung. Der Mieter könne somit seine Zustimmung zur Mieterhöhung widerrufen, obgleich er nach §§ 558 ff. BGB zur Zustimmung verpflichtet ist.

3. Mieterhöhung bei Modernisierungen nach § 559 BGB

Bei Modernisierungsmieterhöhungen nach § 559 BGB soll kein Widerrufsrecht des Mieters bestehen, da es sich hierbei nur um ein vom Vermieter einseitig erklärtes Mieterhöhungsrecht handelt (vgl. Frieser, Neue Gesetze 2015, S. 11).

III. Fazit und Praxistipp

Die Frage, ob dem Mieter bei Mieterhöhungen ein Widerrufsrecht zusteht und den Vermieter Belehrungspflichten treffen, wird derzeit je nach Art der Mieterhöhung unterschiedlich beantwortet. Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte hierzu entscheiden werden. Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Folgen einer unterbliebenen, aber notwendigen Widerrufsbelehrung wird Vermietern, die kein Risiko eingehen wollen, empfohlen, Mietern zumindest bei Mieterhöhungen nach § 557 und §§ 558 ff. BGB eine (wirksame) Widerrufsbelehrung zu erteilen.

Ihr Ansprechpartner

Dr. Benedikt Hartl
Senior Manager

bhartl@deloitte.de
Tel.: 030 25468-228

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