LG München I: Nichtigkeit eines widersprüchlichen Hauptversammlungsbeschlusses
Das Urteil des LG München I belegt erneut, dass das Aktienrecht sehr strenge formale Anforderungen an die Fassung von Hauptversammlungsbeschlüssen stellt. Das LG München I hat im vorliegenden Fall Stellung dazu genommen, inwieweit Hauptversammlungsbeschlüsse Bestand haben können, wenn sie widersprüchlich sind.
Sachverhalt
Der Kläger fasste in seiner Eigenschaft als Aktionär mit dem anderen Aktionär der Beklagten einen Beschluss zur Erhöhung des in Nennbetragsaktien eingeteilten Grundkapitals der Beklagten von EUR 50.000,00 um EUR 100.000,00 auf EUR 150.000,00. Der betreffende Kapitalerhöhungsbeschluss sah vor, dass die Beklagte 100.000,00 neue nennwertlose Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von je EUR 1,00 ausgeben sollte. Die Hauptversammlung beschloss ferner die Neufassung des § 5 der Satzung, wonach der Nennbetrag des Grundkapitals der Gesellschaft nunmehr EUR 150.000,00 betragen und in 150.000 Nennbetragsaktien von je EUR 1,00 eingeteilt sein sollte. Im Protokoll der betreffenden Hauptversammlung war die Präsenz von 50.000 Stückaktien vermerkt.
Der Kläger erhob gegen die Wirksamkeit des Kapitalerhöhungsbeschlusses Beschlussmängelklage, da der Beschluss im Widerspruch zur beabsichtigten Neufassung des § 5 der Satzung stehe, wonach das Grundkapital in Nennbetragsaktien aufgeteilt sein sollte.
Entscheidung
Das LG München I gab dem Kläger Recht und erklärte den Beschluss der Hauptversammlung zur Erhöhung des Grundkapitals für nichtig.
Das Gericht stellt sich auf den Standpunkt, dass der Beschluss in sich widersprüchlich und folglich wegen Perplexität nichtig sei. Es könne nicht eindeutig ermittelt werden, ob im Rahmen der Kapitalerhöhung entgegen dem Wortlaut des Kapitalerhöhungsbeschlusses tatsächlich Nennbetragsaktien ausgegeben werden sollten. Es bestehe ein unauflösbarer Widerspruch, da der von der Hauptversammlung gefasste Beschluss zur Kapitalerhöhung die Ausgabe von 100.000 neuen nennwertlosen Stückaktien vorsehe, der Beschluss zur Neufassung des § 5 der Satzung jedoch die Einteilung des Grundkapitals in 150.000 Nennbetragsaktien von je EUR 1,00.
Weiter führt das Gericht aus, dass gemäß § 8 Abs. 1 AktG und der entsprechenden Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks.13/9573 Seite 11 und 14) eine Aktiengesellschaft Aktien entweder nur als Nennbetragsaktien oder Stückaktien ausgeben könne, nicht aber beide Aktienformen nebeneinander. Demzufolge müsse bei einer Kapitalerhöhung die Gesellschaft zwingend dieselbe Aktienform ausgeben, wie sie auch die Satzung vorsehe. Eine Aktiengesellschaft, deren Grundkapital bislang in Nennbetragsaktien aufgeteilt war, könne bei einer Kapitalerhöhung somit zwingend nur Nennbetragsaktien, aber keine Stückaktien ausgeben.
Ferner sei es im vorliegenden Fall nicht möglich, den Kapitalerhöhungsbeschluss im Wege einer unschädlichen „falsa demonstratio non nocet“ („Eine Falschbezeichnung schadet nicht“) auszulegen. Die Auslegung eines Hauptversammlungsbeschlusses richte sich nach dem Willen der Hauptversammlung, der durch eine objektive, aus der Sicht eines Dritten vorzunehmende Auslegung zu bestimmen sei und nicht von den subjektiven Vorstellungen einzelner Aktionäre abhängen könne. Zum Zweck der Auslegung könne grundsätzlich auch auf die Niederschrift der Hauptversammlung zurückgegriffen werden, da die Niederschrift als Auslegungsquelle beim Handelsregister uneingeschränkt durch jedermann einsehbar sei. Im vorliegenden Fall weise allerdings das Protokoll die Präsenz von 50.000 Stückaktien in der Hauptversammlung aus, so dass gerade eben nicht eine für jeden Dritten eindeutig erkennbare Falschbezeichnung im Kapitalerhöhungsbeschluss vorliege.
Das LG München I hat schließlich offen gelassen, aus welcher Regelung sich die Nichtigkeit eines widersprüchlichen Beschlusses ergibt. In Betracht kommen die beiden Nichtigkeitsgründe nach § 241 Nr. 3 AktG, also die Unvereinbarkeit eines Beschlusses mit dem Wesen der Aktiengesellschaft und der Widerspruch des Beschlusses zum öffentlichen Interesse oder aber ein im AktG ungeschriebener Nichtigkeitsgrund.
Fazit
Das Urteil bestätigt die in § 8 Abs. 1 AktG bestimmte Vorgabe, dass eine Aktiengesellschaft entweder Nennbetragsaktien oder Stückaktien auszugeben berechtigt ist. Es zeigt darüber hinaus, dass der Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungsbeschlüssen hohe Sorgfalt zu widmen ist, um nicht ihre Wirksamkeit aufgrund formaler Fehler zu gefährden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Aktionäre im Gegensatz zur Aktienform nach § 8 Abs. 1 AktG beschließen können, grundsätzlich Inhaber- und Namensaktien (§ 10 AktG) nebeneinander auszugeben. Dasselbe gilt für die Ausgabe von Stammaktien und Vorzugsaktien.