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27.08.2014
Unternehmensrecht

Grenzüberschreitende Sitzverlegung nach Deutschland bei gleichzeitiger Umwandlung in eine GmbH – auf ein Neues oder der Durchbruch?

Entgegen einer ersten Entscheidung in 2012 kommt das OLG Nürnberg insbesondere vor dem Hintergrund der vielbeachteten VALE-Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV die Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer luxemburgischen S. à r.l. nach Deutschland unter identitätswahrender Umwandlung in eine GmbH nach deutschem Recht möglich und zulässig ist.

Das OLG Nürnberg hatte bereits einmal Gelegenheit sich mit einer grenzüberschreitenden Satzungssitzverlegung einer luxemburgischen S. à r. l. nach Deutschland bei gleichzeitigem Formwechsel in eine deutsche GmbH zu befassen. Seinerzeit hatte das OLG Nürnberg die Zulässigkeit eines solchen Vorhabens noch verneint. Nachdem zwischenzeitlich der EuGH im Rahmen der vielbeachteten VALE-Entscheidung zu den einschlägigen Fragen Stellung genommen hatte, hatte das OLG Nürnberg nunmehr mit einer jüngst veröffentlichten Entscheidung aus dem Jahre 2013 erneut Gelegenheit, zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung Stellung zu nehmen. Das OLG Nürnberg gelangt nunmehr zu der Auffassung, dass aus der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV die Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer luxemburgischen S. à r. l. nach Deutschland unter identitätswahrender Umwandlung in eine GmbH nach deutschem Recht folgt.

Obgleich die weitere Entwicklung der Rechtsprechung – auch anderer Obergerichte – abzuwarten bleibt, eröffnet die Entscheidung des OLG Nürnberg neue und interessante Perspektiven für Konzernumstrukturierungen. Dies gilt insbesondere für Fälle, bei denen der Weg über eine grenzüberschreitende Verschmelzung oder eine Anwachsung wegen dadurch ausgelöster Übertragungssteuern (Grunderwerbsteuer!) nicht in Betracht kommt.

Einzelheiten

In der Vergangenheit wurde wiederholt der Versuch unternommen, den Satzungssitz ausländischer Gesellschaften identitätswahrend (also ohne Wechsel in der Person des Rechtsträgers) nach Deutschland zu verlegen. Bisher hatte die deutsche Rechtsprechung die Zulässigkeit eines solchen identitätswahrenden Zuzugs stets verneint. So war auch das OLG Nürnberg noch im Februar 2012 (Beschl. v. 13.02.2012, 12 W 2361/11) zu der Auffassung gelangt, dass das deutsche Gesellschaftsrecht eine grenzüberschreitende Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes unter identitätswahrendem Formwechsel nicht kenne und ein solcher Vorgang deshalb nicht in das deutsche Handelsregister einzutragen sei.

Mit seinem Beschluss vom 19.06.2013 hat das OLG Nürnberg nunmehr entschieden, dass die grenzüberschreitende Satzungssitzverlegung einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung nach Deutschland bei gleichzeitigem Formwechsel in eine deutsche GmbH zulässig ist.

Gegenstand des Verfahrens war wiederum die Eintragung einer (deutschen) GmbH in das deutsche Handelsregister. Die Gesellschaft war ursprünglich als Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach luxemburgischen Recht (als Société à responsabilité limitée, „S. à r. l.“) gegründet und mit statutarischem Sitz in Luxemburg in das luxemburgische Handelsregister eingetragen worden. Mit – von einem luxemburgischen Notar – notariell beurkundetem Beschluss der Gesellschafterversammlung der S. à r. l. wurde die Verlegung von deren Verwaltungs- und des Satzungssitz nach Deutschland beschlossen. Die Sitzverlegung sollte identitätswahrend und unter gleichzeitiger Unterstellung des Rechtsträgers unter die Bestimmungen des deutschen GmbH-Rechts erfolgen. Dementsprechend war Gegenstand des Beschlusses (auch) die Umwandlung der S. à r. l. in eine deutsche GmbH. Zugleich wurde die Firma der Gesellschaft geändert und die Satzung neu gefasst. Im Februar 2012 wurde die S. à r. l. mit der Begründung aus dem luxemburgischen Handelsregister gelöscht, dass der Gesellschaftssitz nach Deutschland verlegt worden sei. In der Folge fassten die Gesellschafter der S. à r. l. die bereits in luxemburgischer Urkunde gefassten Beschlüsse nochmals in einer deutschen notariellen Urkunde.

Der Notar meldete anschließend die (vermeintlich) entstandene GmbH unter Beifügung der Protokolle der Gesellschafterversammlungen, eines Sachgründungsberichts und einer Gesellschafterliste zur Eintragung in das deutsche Handelsregister an. Das Handelsregister wies den Eintragungsantrag mit der Begründung zurück, dass (i) kein nach deutschem Recht umwandlungsfähigen Rechtsträger vorliege und (ii) die für Formwechsel nach deutschem Recht vorgeschriebene Eintragungsreihenfolge nicht eingehalten worden sei.

Gegen diese Entscheidung gingen die Beteiligten mit einer Beschwerde zum Oberlandesgericht Nürnberg vor und beriefen sich dabei insbesondere auf die sogenannte VALE-Entscheidung des EuGH.

Das OLG Nürnberg gab der Beschwerde statt. In seiner Begründung lehnt es sich eng an die Vorgaben des EuGH an: Das Registergericht dürfe die formwechselnde Umwandlung einer luxemburgischen Gesellschaft in eine GmbH nach deutschem Recht nicht schlechter behandeln als die Umwandlung eines nach deutschem Recht errichteten Rechtsträgers. Auf das Verfahren seien daher die Bestimmungen des deutschen Umwandlungsgesetzes anwendbar, wobei auch eine nach luxemburgischem Recht gegründete S. à r. l. aufgrund der europarechtlichen Vorgaben als „Kapitalgesellschaft“ im Sinne des deutschen Umwandlungsgesetzes zu qualifizieren sei. Auch die von den Anforderungen des deutschen Gesetzesrechts abweichende Eintragungsreihenfolge könne zur Begründung einer Unzulässigkeit des Vorgangs nicht angeführt werden, da anderenfalls eine formwechselnde grenzüberschreitende Umwandlung in der vorliegenden und in vergleichbaren Konstellationen niemals möglich sei.

In den ersten veröffentlichten Anmerkungen trifft die Entscheidung des OLG Nürnberg überwiegend auf Zustimmung. Sie wird als logische Konsequenz aus den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten – in ihrer Auslegung durch den EuGH – begrüßt. Die kritischen Stimmen richten sich nicht gegen die Entscheidung als solche, sondern gegen den europäischen Gesetzgeber. Moniert wird insbesondere, dass die Entscheidung als Grundlage für eine rechtssichere Durchführung einer grenzüberschreitenden Satzungssitzverlegung weder geeignet noch ausreichend ist. Gefordert wird eine sekundärrechtliche Regelung in der Form einer von allen Mitgliedstaaten umzusetzenden Sitzverlegungsrichtlinie, die die Voraussetzungen und Folgen einer Satzungssitzverlegung verbindlich festschreibt.

Konsequenzen für die Praxis

Die – soweit ersichtlich erstmalige - Anerkennung des identitätswahrenden vollständigen Zuzugs einer ausländischen Kapitalgesellschaft bei gleichzeitigem Formwechsel durch ein deutsches Gericht bietet Anlass zur Hoffnung auf eine wesentliche Erhöhung der Mobilität ausländischer Kapitalgesellschaften in Bezug auf Deutschland. Dies kann insbesondere bei konzerninternen Umstrukturierungen von Vorteil sein: Zuzugswillige ausländische Kapitalgesellschaften müssen nicht mehr den Umweg über eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf einen bestehenden oder neugegründeten deutschen Rechtsträger oder einen Formwechsel mit anschließender Anwachsung gehen. Bei der Satzungssitzverlegung bleibt die sitzverlegende ausländische Kapitalgesellschaft die gleiche, sie ändert nur ihr Kleid. Damit entfällt der mit einer Verschmelzung oder Anwachsung denknotwendig verbundene Rechtsträgerwechsel. Jedenfalls nach deutschem zivilrechtlichem Verständnis besteht sogenannte Rechtsträgeridentität, ein Übergang von Vermögensgegenständen oder Verträgen findet nicht statt, auf einen Wechsel in der Identität des Rechtsträgers bezogene Kündigungsrechte werden nicht ausgelöst. Damit sollten auch die mit einem Rechtsträgerwechsel regelmäßig verbundenen negativen steuerlichen Konsequenzen in der Form von Übertragungssteuern, insbesondere Grunderwerbsteuer, entfallen, die an einen Übergang von Vermögensgegenständen anknüpfen. Dies ist insbesondere für Fälle interessant, in denen eine ausländische Kapitalgesellschaft über Grundeigentum im Inland verfügt, wie dies aus gewerbesteuerlichen Gründen bei Immobiliengesellschaften häufig der Fall ist. Für diese besteht nunmehr eine weitere Möglichkeit, ihr Immobilienvermögen auch formal zurückzuführen.

Ein wesentlicher Schritt hin zu einer Erleichterung des Zuzugs ausländischer Kapitalgesellschaften ist gemacht – nunmehr bleibt abzuwarten, wie andere deutsche Gerichte in vergleichbaren Konstellationen urteilen und ob und wann die zugrundeliegenden Fragen einer abschließenden Klärung durch den BGH zugeführt werden. In steuerlicher Hinsicht bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf zivilrechtlich zulässige Satzungssitzverlegungen reagieren wird und ob sie versuchen wird, derlei Vorgänge durch Änderungen in der Verwaltungspraxis oder gesetzgeberische Maßnahmen zu behindern. Zu klären bleibt auch, wie Mitbestimmungs- und Arbeitnehmerbeteiligungsrechte geschützt werden und welche Regeln zum Schutz von Minderheitsgesellschaftern, Arbeitnehmer und Gläubiger im Falle eines Wegzugs einer deutschen Kapitalgesellschaft in das Ausland heranzuziehen sind.

Ihre Ansprechpartner

Dr. Fleur Prop
Senior Manager

fprop@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2385

Felix Felleisen
Partner

ffelleisen@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2553

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