Geschäftsführerhaftung für Schäden aus M&A-Transaktionen
In seiner Entscheidung vom 8. Juli 2015 (7 U 3130/14) hatte das Oberlandesgericht (OLG) München sich mit der Frage zu beschäftigen, ob ein ehemaliger Geschäftsführer für vermeintliche Schäden aus einer M&A-Transaktion haftet.
Sachverhalt
Der Beklagte ist ehemaliger Geschäftsführer der Klägerin, die Teil des A Konzerns ist. Die für den vorliegenden Fall relevanten Gesellschaften des A Konzerns waren der A. e.V., die Klägerin, deren 100%-ige Tochtergesellschaft, die A. Verlag GmbH und deren Tochtergesellschaften C. T. GmbH & Co. KG und C. T. GmbH, als persönlich haftende Gesellschafterin.
Neben der Position des Geschäftsführers der Klägerin war der Beklagte auch leitender Angestellter des A. e.V. und Mitglied des Aufsichtsrats der A. Verlag GmbH.
Mit Vertrag vom 29.06.2007 verkaufte die A. Verlag GmbH sämtliche Geschäftsanteile an der C. T. GmbH, ihre Kommanditbeteiligung an der C. T. GmbH & Co. KG, eine kartografische Datenbank, sowie Ansprüche aus zwei Darlehen, die A. Verlag GmbH und die Klägerin der C. T. GmbH & Co. KG gewährt hatten. Käuferin war die M. D. GmbH.
Dem Abschluss des Kaufvertrages gingen Sitzungen des Aufsichtsrats der A. Verlag GmbH am 14.06.2007 und des Präsidiums des A. e.V. am 28.06.2007 voraus, die den geplanten Verkauf zur Abwendung einer Insolvenz der C. T. GmbH & Co. KG zum Gegenstand hatten. In diesen Sitzungen wurden die Kaufangebote der M. D. GmbH und der Au. AG präsentiert und diskutiert. Der Aufsichtsrat gab die Beschlussempfehlung, endgültige Vertragsverhandlungen mit der M. D. GmbH zu führen, parallel aber auch mit der Au. AG weiter zu verhandeln. Die Verhandlungsführung mit den unterschiedlichen Interessenten wurde zwischen den Geschäftsführern aufgeteilt, wobei der Vizepräsident des A. e.V. in die Verhandlungen mit der M. D. GmbH eingebunden wurde. In der Präsidiumssitzung wurde die Veräußerung an M. D. GmbH beschlossen.
Die Klägerin verfolgt mit der Berufung nun Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten, die daraus resultieren sollen, dass ein Verkauf an die M. D. GmbH und nicht an die Au. AG erfolgt ist. Sie beziffert den Schaden mit knapp EUR 8 Mio., der darauf beruhen soll, dass die M. D. GmbH eine für die Ermittlung der Kaufpreishöhe negative Methode zur Vorratsbewertung angewendet hat. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte hätte im Rahmen der Vertragsverhandlungen auf eine geänderte Vorratsbewertung hinwirken und den Schaden so begrenzen zu können.
Entscheidung
Das OLG wies die Berufung als unbegründet zurück. Der Klägerin stünden weder eigene noch abgetretene Ansprüche gegen den Beklagten zu.
Eine Haftung des Beklagten aus § 43 Abs. 2 GmbHG, wonach Geschäftsführer für Pflichtverletzungen im Rahmen der Ausübung ihres Amtes haften, bestehe nicht. Eine solche Pflichtverletzung müsse seitens der Gesellschaft bewiesen werden, ebenso wie die Ursächlichkeit des Handelns für einen entstandenen Schaden. Die Geschäftsführer ihrerseits müssten darlegen, dass das fragliche Verhalten nicht pflichtwidrig war und die Grundsätze der „Business Judgement Rule“ eingehalten wurden.
Die Klägerin stützte sich auf eine Verletzung von Informationspflichten, die der Beklagte gegenüber dem Präsidium des A. e.V. gehabt haben soll. Solche Pflichten treffen üblicherweise die Organträger einer Gesellschaft beziehungsweise eines Vereins, die der Beklagte allerdings nicht bekleidete. Daher bestünde eine solche Pflicht allenfalls aufgrund entsprechender Regelungen im Gesellschaftsvertrag oder einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung der Klägerin. Diese sähen aber nur entsprechende Pflichten gegenüber Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung vor. Auch ergäben sich entsprechende Pflichten vorliegend nicht aus dem Bestehen eines Konzerns, da lediglich ein Gewinnabführungsvertrag, aber kein Beherrschungsvertrag bestand. Dass das Präsidium des A. e.V. tatsächlich in die Verhandlungen eingebunden war, führe vorliegend auch nicht zu einer Erweiterung der Geschäftsführungspflichten. Die Klägerin habe zudem nicht hinreichend vorgetragen, dass die Entscheidungszuständigkeit über den Verkauf vollständig auf das Präsidium übertragen worden sei. Auch lägen keine hinreichenden Tatschen dafür vor, dass der Beklagte die Geschäftsführer der A. Verlag GmbH angewiesen habe, den Vertrag mit M. D. GmbH abzuschließen, was zu dem geltend gemachten Schaden geführt hätte.
Auch Ansprüche aus abgetretenem Recht der A. Verlag GmbH konnte die Klägerin nicht erfolgreich geltend machen.
Das OLG verneint die Anwendung der konzernrechtlichen Vorschriften, die sich, wenn sie anwendbar wären, auch nur gegen das herrschende Unternehmen, nicht aber die Geschäftsführer richten würden. Weiterhin läge auch keine Treuepflichtverletzung des Beklagten gegenüber der A. Verlag GmbH vor, da keine schädlichen Weisungen erteilt wurden. Auch in seiner Funktion als Aufsichtsrat der A. Verlag GmbH könne dem Beklagten keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Es lägen im Rahmen des Vorgehens im Zusammenhang mit dem Verkauf keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beklage seine Überwachungspflichten gegenüber der Geschäftsführung nicht ordnungsgemäß ausgeübt hatte. Im vorliegenden Fall sei auch fraglich gewesen, ob entsprechende Überwachungs- und Kontrollpflichten im Rahmen des geplanten Verkaufs überhaupt noch bestanden haben, da das Präsidium des A. e.V. laut Klägervortrag für die Zustimmung verantwortlich gewesen sei. Ungeachtet dessen habe die Geschäftsführung aber eine unternehmerische Entscheidung getroffen, die vom Präsidium des A. e.V. aufgrund der Sitzungsentscheidung getragen wurde. Darüber hinaus wurde das Thema der Vorratsbewertung derart im Vertrag geregelt, dass es hier nachträglich noch zu Anpassungen kommen könne. In diese Entscheidung waren Mitglieder des Präsidiums des A. e.V. einbezogen.
Eine Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit dem Unternehmensverkauf war daher insgesamt zu verneinen.
Hinweise für die Praxis
Die vorliegende Entscheidung orientiert sich sehr am konkreten Einzelfall. Doch beleuchtet sie einmal mehr die grundlegenden Pflichten von Geschäftsführern und Aufsichtsräten und macht deutlich, dass deren Haftung nicht willkürlich ausgedehnt werden kann, nur weil ein Rechtsgeschäft nicht den erhofften Erfolg mit sich bringt. Geschäftsführern und Aufsichtsräten ist daher zu raten, Entscheidungen stets schriftlich zu dokumentieren, um so im Streitfall das eigene, rechtmäßige Handeln belegen zu können.