Elektromobilität: Masterplan Ladeinfrastruktur führt zu umfassenden gesetzlichen Änderungen
Die Bundesregierung hat ihren „Masterplan Ladeinfrastruktur“ verabschiedet, der insbesondere den Aufbau der dringend benötigten Ladeinfrastruktur beschleunigen soll. Er ist eine unmittelbare Reaktion auf den von der Bundesregierung aufgestellten Klimaschutzplan 2050. Trotz der zu erwartenden umfassenden Neuregelungen dürften die Maßnahmen über punktuelle Verbesserungen nicht hinausgehen. Die Abschaffung entscheidender rechtlicher Hemmnisse, wie das Mess- und Eichrecht, sind nicht Teil des Maßnahmenpakets.
Die Bundesregierung will den flächendeckenden Aufbau von Ladepunkten für Elektroautos vorantreiben und dabei die Wirtschaft stärker in die Pflicht nehmen. Der sogenannte „Masterplan Ladeinfrastruktur“ der Bundesregierung ist eine unmittelbare Reaktion auf den von der Bundesregierung aufgestellten Klimaschutzplan 2050, der eine Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor bis 2030 um 40-42 % vorsieht. Der Aufbau der Ladeinfrastruktur leidet seit Jahren unter anderem daran, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen entweder noch nicht geschaffen worden sind oder den schnellen Aufbau von Ladeinfrastruktur verhindern. Der Masterplan sieht vor, bestimmte Hemmnisse anzugehen und somit einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der einen beschleunigten Ausbau der Ladeinfrastruktur ermöglicht.
Insbesondere skizziert der Masterplan Maßnahmen, die zum einen für die öffentlich zugänglichen Ladepunkte und zum anderen für nicht-öffentlich zugängliche Ladepunkte vorgesehen sind. Öffentlich zugängliche Ladepunkte sind dabei solche, die grundsätzlich unter die Ladesäulenverordnung (LSV) fallen und sich dadurch auszeichnen, dass ein unbestimmter Personenkreis die Ladepunkte ungehindert nutzen kann. Nicht-öffentlich zugängliche Ladepunkte sind daher solche, die im wesentlichen durch physische Zugangsbeschränkungen nur durch einen bestimmten Personenkreis genutzt werden können, wie etwa in der eigenen Garage.
Nachfolgend geben wir einen Überblick über die von der Bundesregierung vor allem im Jahr 2020 vorgesehenen Maßnahmen.
Maßnahmen für den Aufbau von öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur
- Überarbeitung der Ladesäulenverordnung bis zum Sommer 2020: Es soll die Vorgabe aufgenommen werden, dass in den Ladepunkten eine Schnittstelle zu implementieren ist, die genutzt werden kann, um Standortinformationen und dynamische Daten wie den Belegungsstatus zu übermitteln. Ggf. sollen auch Regelungen zur Verbesserung der Nutzung von Authentifizierung, Bezahlsystemen und Roaming auch im europäischen Kontext eingeführt werden.
Den Regelungsumfang und Hintergrund der Ladesäulenverordnung haben wir bereits in unseren Beiträgen vom 22.04.2016 und 23.05.2017 erläutert. Insbesondere neue Vorgaben im Hinblick auf die Ermöglichung des Zugangs von Ladekunden unterschiedlicher Roaming-Anbieter stellten aus unserer Sicht ein wichtiges Merkmal dar, um den maximalen Nutzen für Ladekunden zu schaffen. - Novellierung des EEG: Die existierenden Rechtsunsicherheiten bei der Abrechnung und der Zahlung der EEG-Umlage sollen beseitigt werden. Insofern lässt sich vermuten, dass die unterschiedliche Qualifikation des Ladepunkts nach Energiewirtschaftsrecht (EnWG) und Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), die zu Abwicklungsschwierigkeiten führt, bereinigt wird. Denn energiewirtschaftsrechtlich werden Ladesäulen gemäß § 3 Nr. 25 EnWG als Letztverbraucher qualifiziert. Unter dem EEG hingegen gelten die Ladekunden gem. § 3 Nr. 33 EEG als Letztverbraucher und der Ladepunktbetreiber als Elektrizitätsversorgungsunternehmen nach § 3 Nr. 20 EEG. Der Ladepunktetreiber ist somit nach dem EnWG zwar privilegiert, da er nicht als Energieversorgungsunternehmen (EVU) gilt und mithin die an EVU (Stromlieferanten) gestellten Anforderungen nicht erfüllen muss. Unter dem EEG ist er jedoch u.a. Schuldner der EEG-Umlage, wie dies im Regelfall nur Stromlieferanten sind.
- Netzausbau: Der vorausschauende Ausbau der Netze soll gemeinsam mit der Bundesnetzagentur bis März 2020 geplant werden, um Engpässe, die durch Ladeinfrastruktur entstehen könnten, zu vermeiden.
- Betrieb von Ladeinfrastruktur durch Verteilnetzbetreiber: Die Bundesregierung hat vor, bei regionalem Marktversagen dem Verteilnetzbetreiber zu gestatten, Ladeinfrastruktur aufzubauen. Der Bundesregierung ist dabei offenbar bewusst, dass es europarechtlich nur in den absoluten Ausnahmefällen zulässig ist, dass Verteilernetzbetreiber Ladeinfrastruktur betreiben. Dies ergibt sich ausdrücklich aus Artikel 33 Abs. 2 und 3 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie EU 2019/944 vom 05.06.2019. Die Bundesregierung wird daher in enger Abstimmung mit der EU-Kommission eine Regelung finden müssen, die sehr restriktive Voraussetzung für das Tätigwerden der Verteilernetzbetreiber festlegt. In Deutschland gibt es bisher nur ein Verteilnetzbetreiber, der selbst Ladepunkte betreibt, das ist Stromnetz Hamburg.
- Versorgungsauflage an herkömmlichen Tankstellen: Bis Mitte 2020 soll geprüft werden, ob es verbindliche Auflagen für Tankstellenbetreiber gibt, auch Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zu installieren. Durch eine Versorgungsauflage soll geregelt werden, dass an allen Tankstellen in Deutschland auch Ladepunkte angeboten werden.
- Schnellladesäulen und Mineralölwirtschaft: Das BMU soll bis Ende 2020 prüfen, ob die Errichtung und der Betrieb von Schnellladesäulen der Mineralölwirtschaft als Dekarbonisierungsmaßnahme angerechnet werden kann. Hintergrund dürfte sein, dass durch das geplante „Gesetz über ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen“ die Preise für Kraftstoffe der Mineralölwirtschaft stark belastet werden.
- Änderung der Stellplatzverordnungen: Die Kommunen sollen aufgefordert werden zu prüfen, inwieweit Stellplatzverordnungen derart überarbeitet werden müssen, so dass es Anreize für die Schaffung von Ladeinfrastruktur gibt. Die Idee ist, die Anzahl der vorzuhaltenden Stellplätze zu reduzieren, wenn Stellplätze mit Ladeinfrastruktur geschaffen werden.
- Änderungen des Bauordnungsrechts/Brandschutz: Die Regelungen des Bauordnungsrechts insbesondere in Bezug auf Brandschutzregelungen sollen daraufhin überprüft werden, inwieweit es hier Erleichterungen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur geben kann.
Maßnahmen für den Aufbau von nicht-öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur
- Änderung des Miet-und WEG-Rechts: Der Bundesrat hat einen Vorschlag für einen Gesetzesentwurf zur WEG-Reform verabschiedet. Eingebracht haben das Vorhaben für den am 11.10.2019 beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Wohnungseigentumsgesetzes zur Förderung der Elektromobilität die Länder Baden-Württemberg und Bayern (BR-Drs. 347/19 vom 11.10.2019). Dieser Gesetzesentwurf beinhaltet einen Vorschlag zur Erleichterung der Installation von Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern. Um den Einbau von Ladestellen für Elektromobilität zu fördern, soll u.a. eine dem § 554a BGB (Barrierefreiheit) entsprechende Regelung für den Einbau einer Ladestation für Elektrofahrzeuge zugunsten des Mieters einer Wohnung mit Stellplatz geschaffen werden. Zusammengefasst sollen sowohl Mieter als auch Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Einbau einer Ladeeinrichtung bekommen. Das Gesetz soll bis Ende 2020 umgesetzt werden.
- Ladeinfrastruktur in Gebäuden: Die novellierte EU-Gebäuderichtlinie 2018/844 soll im Frühjahr 2020 in deutsches Recht umgesetzt werden. Dies führt zu konkreten Vorgaben für die Leitungs-und Ladeinfrastruktur bei Neubauten bzw. größeren Renovierungen von Wohn-und Nicht-Wohngebäuden. Bei der Umsetzung der Anforderungen zur Elektromobilität in den nationalen Rechtsvorschriften sollten die Mitgliedstaaten potenzielle unterschiedliche Voraussetzungen gebührend berücksichtigen, etwa das Eigentum an Gebäuden und den angrenzenden Parkplätzen, öffentliche Parkplätze, die von privaten Unternehmen betrieben werden, und Gebäude, die sowohl als Wohn- als auch als Nicht-wohngebäude dienen. Darüber hinaus werden damit auch Vorgaben an die Mindestanzahl von Ladepunkten umgesetzt. In Bezug auf neue Nichtwohngebäude und Nichtwohngebäude, die einer größeren Renovierung unterzogen werden, haben die Mitgliedstaaten, sofern das Gebäude über mehr als zehn Stellplätze verfügt, dafür Sorge zu tragen, dass mindestens ein Ladepunkt sowie für mindestens jeden fünften Stellplatz die Leitungsinfrastruktur (Schutzrohre für Elektrokabel) errichtet wird, um die spätere Errichtung von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge zu ermöglichen, sofern der Parkplatz sich innerhalb des Gebäudes befindet und die Renovierungsmaßnahmen bei größeren Renovierungen den Parkplatz oder die elektrische Infrastruktur des Gebäudes umfassen oder der Parkplatz an das Gebäude angrenzt und die Renovierungs-maßnahmen bei größeren Renovierungen den Parkplatz oder die elektrische Infrastruktur des Parkplatzes umfassen.
- Änderung steuerrechtlicher Vorschriften: Das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften ist bereits im Gesetzgebungsverfahren. Der Bundestag hat am 7.11.2019 in zweiter und dritter Lesung dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugestimmt (vgl. Deloitte Tax-News). Dieser soll geplant zum 01.01.2020 in Kraft treten. Geplant es, das unter anderem die Steuerbefreiung für vom Arbeitgeber gewährte Vorteile für das elektrische Aufladen eines E-Fahrzeuges im Betrieb des Arbeitgebers und für die zeitweise zur privaten Nutzung überlassene betriebliche Ladevorrichtung bis 2030 verlängert werden soll.
- Überprüfung der Pauschalen für das Aufladen eines Dienstwagens: die Pauschalen sollen vom BMF dahingehend überprüft werden, ob im Kalenderjahr 2021 eine Anpassung erfolgen muss. Es soll zudem eine Regelung erarbeitet werden, wie die Abrechnung der tatsächlich entstandenen Kosten/Auslagen erfolgen kann.
- AfA-Tabelle nach § 7 Abs. 1 EStG: es sollen einheitliche Kriterien für die Festlegung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer für Ladeinfrastruktur erarbeitet und ggf. die AfA-Tabelle ergänzt werden.
- Überprüfung Niederspannungsanschlussverordnung: Der am 22.03.2019 neu eingeführte § 19 Abs. 2 NAV, welcher eine Mitteilungspflicht für „Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge“ in Niederspannung und für solche ab 12 kVA eine Zustimmungspflicht des Netzbetreibers ohne eine sanktionsbewehrte Entscheidungsfrist vorsieht, wird im Hinblick auf seine praktische Wirkung (ggf. Verzögerung von Netzanschlüssen) überprüft und im Jahr 2021 soll eine Evaluierung stattfinden, wie ein beschleunigter Netzanschluss vor diesem Hintergrund umgesetzt werden kann.
- Verordnung zu § 14a EnWG zum netzdienlichen Lastmanagement: Im Jahr 2020 soll der Rechtsrahmen definiert werden, um die Rahmenbedingungen für das netzdienliche Laden bzw. Lastmanagement festzulegen. Bisher gelten elektrische Ladepunkte zwar als steuerbare Verbrauchseinrichtung i.S.d. § 14a S. 1 EnWG, die grundsätzlich von einem verringerten Netzentgelt profitieren können. Es gibt bisher jedoch weder technische Regelungen hierzu noch Vorgaben für die Bildung solcher verminderter Entgelte. Insofern ist zu erwarten, dass eine lange geplante Verordnung zu steuerbaren Verbrauchseinrichtungen erarbeitet werden wird.
Bewertung des Maßnahmenpakets
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bundesregierung den rechtlichen Rahmen für den Aufbau von Ladeinfrastruktur an vielen Stellen anpassen wird. Dabei werden viele rechtliche Hürden beseitigt werden. Dennoch wird das Maßnahmenpaket bei weitem nicht ausreichen, um der Elektromobilität einen praxistauglichen, einfachen und verlässlichen Rechtsrahmen zu geben. Die Bundesregierung justiert einmal mehr nur nach, anstelle einen gesamtheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen. Insbesondere werden auch die größten Hemmnisse in der Praxis, wie etwa eine Vereinfachung des Mess-und Eichrechts sowie eine Anpassung der Preisangabenverordnung (PAngV) und eine Vereinfachung der Marktregeln zur Abwicklung von Strombelieferungen von diesem Maßnahmenpaket nicht erfasst. Auch im steuerlichen Bereich sind die Maßnahmen nur ein erster Schritt. Insbesondere im Bereich der Umsatzsteuer sind viele Fragen noch nicht beantwortet.