Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG): Weg frei für Online-Gründung der GmbH
Das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie enthält Ansätze für eine Modernisierung wesentlicher Themenbereiche des Handels- und Gesellschaftsrechts. Das Herzstück der Neuregelungen betrifft die Online-Gründung der GmbH. Das Umsetzungsgesetz wird am 01.08.2022 in Kraft treten.
Einleitung
Bereits am 31.07.2019 ist die sog. Digitalisierungsrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie (EU) 2019/1151 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht) in Kraft getreten, die eine Vielzahl von Vorgaben zur Modernisierung des Handels- und Gesellschaftsrecht enthält. Die Einführung der Möglichkeit zur Online-Gründung von Kapitalgesellschaften bildete das Herzstück des Reformvorhabens. Für Einzelheiten wird auf unseren Beitrag (siehe DeloitteTax-News) aus Januar 2020 verwiesen.
Die Digitalisierungsrichtlinie hätte grundsätzlich schon bis zum 31.07.2021 in nationales Recht umgesetzt werden müssen, in besonderen Fällen wurde EU-Mitgliedsstaaten jedoch eine Verlängerungsoption von einem Jahr zugestanden. Von diesem Optionsrecht hat der deutsche Gesetzgeber Gebrauch gemacht, sodass die Umsetzung nun erst (aber spätestens) bis zum 01.08.2022 erfolgen muss.
Aufbauend auf dem Entwurf der Bundesregierung vom 10. 02.2021 wurde das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) am 10.06.2021 vom Bundestag beschlossen; es passierte am 25.06.2021 den Bundesrat und wird (jedenfalls die Online-Gründung betreffend) pünktlich am 01.08.2022 in Kraft treten.
Die zentralen Neuregelungen des Gesetzes im Überblick mit Schwerpunkt auf die Online-Gründung:
Online-Gründung von Kapitalgesellschaften
Hinsichtlich der Zielvorgaben für die Online-Gründung von Kapitalgesellschaften sind in der Digitalisierungsrichtlinie zwei grundlegende Aussagen verankert:
- Die Mitgliedstaaten müssen die Gründung in einem Online-Verfahren ermöglichen, welches die physische Präsenz des Gründers vor der hierfür zuständigen Stelle entbehrlich macht.
- Das Online-Gründungsverfahren muss innerhalb von fünf Arbeitstagen abgeschlossen sein, vorausgesetzt, dass der Gründer eine natürliche Person ist und ausschließlich Musterdokumente verwendet. In allen anderen Fällen darf das Verfahren nicht länger als zehn Arbeitstage dauern.
a) Beurkundung mittels Videokommunikation durch den Notar
Zur Umsetzung der ersten Vorgabe, also der Möglichkeit der Gründung in einem Online-Verfahren ohne physische Präsenz des Gründers, sieht § 2 Abs. 3 GmbHG-E vor, dass die Beurkundung des Gesellschaftsvertrages und der im Rahmen der Gründung gefassten Gesellschafterbeschlüsse durch den Notar mittels Videokommunikation erfolgen kann, wobei die Wahlmöglichkeit zwischen Online- und Präsenzverfahren besteht. Hierzu enthält das DiRUG Vorgaben für eine Anpassung des Beurkundungsgesetzes (§§ 16a bis 16e BeurkG-E). Vor diesem Hintergrund bleibt der Notar als „Gatekeeper“ für die Registergerichte auch im Rahmen des Online-Verfahrens erhalten.
Gemäß § 16a BeurkG-E kann der Notar die Beurkundung mittels Videokommunikation im Einzelfall ablehnen, wenn er die Erfüllung seiner Amtspflichten auf diese Weise nicht gewährleisten kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er sich im Rahmen des Online-Verfahrens keine Gewissheit über die Person eines Beteiligten verschaffen kann.
Über die Beurkundung erstellt der Notar nach Maßgabe des § 16b BeurkG-E in elektronischer Form eine Niederschrift, die von den Beteiligten qualifiziert elektronisch zu unterzeichnen ist.
Die Identifizierung der Beteiligten erfolgt nach Maßgabe des § 16c BeurkG-E im Rahmen Beurkundung anhand eines elektronisch übermittelten Lichtbildes in Verbindung mit einem elektronischen Identitätsnachweis, beispielsweise dem deutschen Personalausweis mit eID-Funktion. Auch die Nutzung von Identifizierungsmitteln, die im EU-Ausland ausgestellt wurden, ist unter der Voraussetzung möglich, dass die Identifizierungsmittel gemäß Art. 6 eIDAS-VO anerkannt werden und dem Sicherheitsniveau „hoch“ im Sinne des Art. 8 Abs. 2 lit. c eIDAS-VO entsprechen.
Zudem sieht das DiRUG vor, dass sich die Gründer im Rahmen des Online-Verfahrens vertreten lassen können. Hierzu müssen Vollmachten, die gemäß § 16d BeurkG-E in elektronisch beglaubigter Form der Niederschrift beizufügen sind, je nach Einzelfall legalisiert oder mit Apostille versehen, in herkömmlicher Art und Weise, also in Papierform, beigebracht werden.
b) Zeitliche Vorgaben für die Eintragung ins Handelsregister
Zur Umsetzung der zweiten Vorgabe, also der Frist von maximal zehn Tagen für den Abschluss der Online-Gründung, sieht das DiRUG Änderungen der Handelsregisterverordnung vor. Demnach muss die Gründung ab Handelsregisteranmeldung gemäß § 25 Abs. 3 HRV-E innerhalb von maximal zehn Arbeitstagen eingetragen sein. Bei Gründung mit ausschließlich natürlichen Personen als Gründungsgesellschafter und bei Verwendung der Musterprotokolle, die für die Zwecke der Online-Gründung leicht modifiziert wurden, muss die Gründung innerhalb von maximal fünf Arbeitstagen eingetragen sein.
Wie im Vorfeld bereits erwartet, sieht das DiRUG einen eng umrissenen Anwendungsbereich für die Online-Gründung vor. Insbesondere wird das Online-Verfahren nur für die Gründung der GmbH (inklusive der UG) eröffnet; die Gründung anderer Kapitalgesellschaften, insbesondere der AG und KGaA, ist weiterhin nur im Präsenzverfahren möglich. Zudem bleibt das Online-Verfahren auf die Gründung mit Bareinlagen beschränkt, weshalb auch die Gründung mit Sacheinlagen dem Präsenzverfahren vorbehalten bleibt. Schließlich kommt das Online-Verfahren nur für Gründer in Betracht, die Inhaber eines entsprechenden elektronischen Identifizierungsmittels sind. Daher kommen Angehörige von Drittstaaten oder solcher EU-Staaten, die ihren Bürgern kein geeignetes Identifizierungsmittel anbieten, nicht in den Genuss des Online-Verfahrens.
Weitere Neuregelungen
Neben den Regelungen zur Online-Gründung greift das DiRUG weitere Themen auf, von denen insbesondere die Folgenden im Überblick dargestellt werden sollen:
a) Beglaubigung mittels Videokommunikation durch den Notar
Gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 HGB-E können Handelsregisteranmeldungen in Zukunft mittels Videokommunikation beglaubigt werden, wenn die Anmeldung durch Einzelkaufleute, Kapitalgesellschaften in den Rechtsformen der GmbH, AG und KGaA oder deutsche und EU- / EWG-ausländische Zweigniederlassungen erfolgt. Insoweit regelt § 40a BeurkG-E die Details der Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur.
b) Neugestaltung der Registerpublizität
Im Hinblick auf die Registerpublizität führt das DiRUG nun eine „register only“-Lösung ein. Dies bedeutet, dass die Bekanntmachung von Eintragungen in das Handelsregister künftig nur noch durch die erstmalige Abrufbarkeit der entsprechenden Informationen über das Registerportal der Länder erfolgt (www.handelsregister.de). Damit entfallen zukünftig Redundanzen, die durch mehrfache Bekanntmachungen im bisherigen Sinne (wie derzeit über www.handelsregisterbekanntmachungen.de und www.unternehmensregister.de) entstehen.
Darüber hinaus enthält das DiRUG eine Neuregelung der Modalitäten für die Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen. So sollen Jahresabschlüsse zukünftig unmittelbar beim Unternehmensregister zur Offenlegung eingereicht werden und nicht wie bisher beim Bundesanzeiger. Auch der Abruf von Unterlagen wird in Zukunft ausschließlich über das Unternehmensregister erfolgen.
Schließlich wird der Abruf von Daten aus dem Handelsregister in Zukunft gebührenfrei möglich sein. Zur Finanzierung werden die eingetragenen Rechtsträger eine Bereitstellungsgebühr zahlen.
c) Grenzüberschreitender Informationsaustausch über disqualifizierte Direktoren
Das DiRUG enthält eine Reihe von Neuregelungen, die den grenzüberschreitenden Informationsaustausch über disqualifizierte Direktoren erleichtern. Hierzu wird gemäß § 9c HGB-E das Unternehmensregister damit betraut, ausländische Anfragen zu beantworten und Informationsersuchen deutscher Gerichte weiterzuleiten.
Darüber hinaus sollen auch im Ausland ausgesprochene Berufs- und Gewerbeverbote zur Disqualifikation deutscher Geschäftsführer und Vorstände führen (§ 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG-E bzw. § 76 Abs. 3 S. 3 AktG-E).
d) Grenzüberschreitender Informationsaustausch über Zweigniederlassungen
In das Handelsregister sollen gemäß § 13a HGB-E auch Informationen über ausländische Zweigniederlassungen in einem EU/EWR-Staat eingetragen werden, die von einer deutschen Kapitalgesellschaft errichtet wurden.
Zudem entfällt für ausländische Geschäftsführer und Vorstände das Erfordernis einer Versicherung über das Nichtvorliegen von Bestellungshindernissen analog § 37 Abs. 2 AktG, bzw. § 8 Abs. 3 GmbH. Für die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten sollen die bisherigen Vorgaben allerdings bestehen bleiben.
Fazit
Durch das DiRUG erfährt das deutsche Handels- und Gesellschaftsrecht jedenfalls in Ansätzen eine lange fällige Modernisierung, nicht zuletzt durch die erstmalige Einführung der Möglichkeit einer Fernbeurkundung mittels Videokommunikation.
Der eingeschränkte Anwendungsbereich der Online-Gründung verdeutlicht, dass der Gesetzgeber die Fernbeurkundung zunächst noch erproben möchte. Vor diesem Hintergrund sollte die Praxisrelevanz der neuen Möglichkeiten nicht überschätzt werden. Wie zuvor bereits dargestellt, beschränkt sich die Möglichkeit der Fernbeurkundung auf die Gründung der GmbH und nur mit Bareinlagen. Andere Rechtsformen und die Gründung mit Sacheinlagen sind ausgenommen. Trotz des Umstands, dass die Möglichkeit der Online-Gründung in besonderem Maße für ausländische Gründer interessant sein dürfte, ist festzustellen, dass Ausländern der Zugang zum Onlineverfahren in vielen Fällen verwehrt bleibt. Dies liegt an den strengen Anforderungen an die Identifizierungsmittel, mit denen sich Gründer im Rahmen des Onlineverfahrens ausweisen können. So werden insbesondere Gründungswillige aus Drittstaaten, zum Beispiel den USA oder Japan, mangels adäquater Identifizierungsmittel von vornherein vom Onlineverfahren ausgeschlossen. Selbst innerhalb der Europäischen Union ist zu konstatieren, dass viele Bürger derzeit über kein taugliches Identifizierungsmittel verfügen.
Im Übrigen ist festzustellen, dass das DiRUG zur Digitalisierung des Gesellschaftsrechts zwar beiträgt, es in vielerlei Hinsicht aber deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt. Insbesondere bei der Gründung durch einen (ausländischen) Bevollmächtigten ist es so, dass die notariell beglaubigte Vollmacht (gegebenenfalls mit Apostille) dem beurkundenden Notar nach wie vor in Urschrift oder Ausfertigung vorzulegen ist, da eine Möglichkeit der elektronischen Übermittlung nicht besteht. Vor diesem Hintergrund erscheint der Begriff der „Online-Gründung“ in vielerlei Hinsicht als zu hoch gegriffen. Auch sieht das Gesetz keine Möglichkeit der Videokommunikation für weitere beurkundungspflichtige Vorgänge wie Änderungen des Gesellschaftsvertrages, Kapitalerhöhungen, Sitzverlegungen oder Anteilsübertragungen vor.
Schließlich ist anzumerken, dass es äußerst fraglich ist, ob die neuen zeitlichen Vorgaben für die Eintragung ins Handelsregister zu einer nennenswerten Beschleunigung des Gründungsprozesses führen werden. In der Praxis haben Verzögerungen in der Regel andere Ursachen, beispielsweise die umfangreichen regulatorischen Vorgaben, im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Bankkontos relevant werden.