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23.05.2023
Unternehmensrecht

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: Implikationen zu Sanktionen und zivilrechtliche Klagen

Vor dem Hintergrund erster Berichte über Beschwerden von Menschenrechtsorganisation gegen zwei Unternehmen auf Basis des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, durchleuchten wir in Grundzügen die wesentlichen Aspekte des Risikos von Sanktionen und zivilrechtlichen Klagen.

Das Risiko durch Beschwerden Dritter, insbesondere von ausländischen sowie internationalen Verbänden, Organisation und Gewerkschaften, in den Fokus von Ermittlungen des zuständigen Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu möglichen Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzt (LkSG) zu rücken, wird – unter Berücksichtigung erster Berichte – ein immer realistisches Szenario für Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen.

Darüber hinaus darf auch die Gefahr einer beispielsweise auf Schadensersatz gerichteten Klage von Betroffenen, die geltend machen in ihren überragend wichtigen geschützten Rechtsposition aus § 2 Abs. 1 LkSG verletzt zu sein, nicht unterschätzt werden. Vor allem wird eine solche Klage durch die besondere Prozessstandschaft nach § 11 LkSG begünstigt. Danach kann derjenige, der eine Verletzung derartiger Rechtspositionen behauptet, zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Rechte einer inländischen Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation die Ermächtigung zur Prozessführung erteilen.

Zu berücksichtigen ist, dass eine Beschwerde oder zivilrechtliche Klage auch zu Image und Reputationsschäden von Unternehmen führen kann. Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick zu Sanktionen nach dem LkSG sowie den Implikationen möglicher zivilrechtlicher Klagen.

Sanktionen nach dem LkSG

Der Sanktionsmechanismus des LkSG wird in § 24 LkSG geregelt. Danach handelt ordnungswidrig wer vorsätzlich oder fahrlässig z.B. eine Risikoanalyse nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig durchführt, oder eine Präventionsmaßnahme nicht oder nicht rechtzeitig ergreift oder eine Abhilfemaßnahme nicht oder nicht rechtzeitig ergreift.

Bei fehlender sowie nicht richtiger, nicht vollständige oder nicht rechtzeitiger Durchführung einer Risikoanalyse droht ein Bußgeld von bis zu fünfhunderttausend Euro. Dagegen droht bei nicht oder nicht rechtzeitiger Ergreifung einer Präventionsmaßnahme oder Abhilfemaßnahme sogar ein Bußgeld von bis zu achthunderttausend Euro.

Allerdings kann bei einer juristischen Person oder Personenvereinigung mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Millionen Euro,

  • a) eine nicht oder nicht rechtzeitiger Ergreifung einer Abhilfemaßnahme oder
  • b) eine fehlende oder nicht rechtzeitiger Erstellung und Umsetzung eines Konzepts im Rahmen der Abhilfemaßnahme,

mit einer Geldbuße bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes geahndet werden.

Überdies droht der Ausschluss von der Teilnahme an Vergabeverfahren über die Vergabe eines Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrags bis zur nachgewiesenen Selbstreinigung, für Unternehmen, die wegen einer rechtskräftig festgestellten Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße in einer bestimmten Mindesthöhe belegt worden sind. Der Ausschluss darf nur innerhalb eines angemessenen Zeitraums von bis zu drei Jahren erfolgen.

Diese Sanktionsmöglichkeiten macht deutlich, wie wichtig es ist, die eigenen Prozesse zum Risikomanagement und Risikoanalyse zu optimieren und bei der Identifizierung von menschenrechtlichen und/oder umweltbezogenen Risiken oder der Verletzung von menschenrechtsbezogenen und/oder umweltbezogenen Pflichten zumindest die gesetzlichen Mindestvorgaben zu Präventionsmaßnahmen und Abhilfemaßnahmen effektiv umzusetzen. Nicht nur die operative Seite zur Umsetzung und Durchführung von Risikoanalyse, Präventionsmaßnahmen und Abhilfemaßnahmen sind dabei entscheidend, sondern auch eine rechtliche Begleitung und ständige Bewertung dieser Maßnahmen erscheint geboten. Dies vor allem, um spätere Beschwerden oder Sanktionen auf der Rechtsebene, bestmöglich begegnen zu können.

Implikationen möglicher zivilrechtlicher Klagen

Ein weiterer Aspekt ist die Gefahr möglicher Klagen von Betroffenen, mit denen zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, wie z.B. Schadensersatzansprüche. Zwar begründet eine Verletzung der Pflichten aus dem LkSG nach § 3 Abs. 3 LkSG keine zivilrechtliche Haftung, jedoch bleibt eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung unberührt. Daraus folgt, dass insbesondere die deliktischen Haftungsnormen aus dem BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht kommen, wie z.B. §§ 823 Abs. 1, 826, 831 BGB.

Jedoch bestehet in diesem Zusammenhang eine Vielzahl rechtlicher Hürden für eine zivilrechtliche Klage, sowohl auf prozessualer als auch auf materiell-rechtlicher Ebene. Dennoch sind diese Hürden nicht unüberwindbar und das Szenario, als Unternehmen plötzlich zur Beklagten einer solchen Klage zu werden, daher nicht gänzlich ausgeschlossen.

Bei einer Klage eines Betroffenen aus dem Ausland stellt sich zunächst die Frage nach der internationalen Gerichtszuständigkeit. Je nach anwendbarer Vorschrift (z.B. Brüssel-Ia-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012), Lugano Übereinkommen) muss ggfs. bereits rechtzeitig eine Zuständigkeitsrüge erhoben werden, um ein rügeloses Einlassen zu vermeiden. Nach der besonderer Prozessstandschaft muss nicht der Betroffene selbst als Kläger auftreten, sondern kann zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Rechte einer inländischen Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation die Ermächtigung zur Prozessführung erteilen. Zu beachten ist, dass die besondere Prozessstandschaft nach § 11 LkSG nur Ansprüche wegen der Verletzung einer überragend wichtigen geschützten Rechtsposition aus § 2 Abs. 1 LkSG erfasst. Daher ist hier schon sorgfältig zu prüfen, ob der vom Kläger verfolgte Anspruch tatsächlich auf der Verletzung einer überragend wichtigen geschützten Rechtsposition beruht.

Ein weiterer Aspekt wird die Frage nach dem anwendbaren Recht sein. Handelt es sich um einen Kläger mit dauerhaftem Wohnsitz und Aufenthalt im Ausland, so wird für ihn entscheidend sein, dass deutsches Recht anwendbar ist. Das LkSG ist ein deutsches Gesetz, ebenso wie die allgemeinen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage aus dem BGB. Aus deutschrechtlicher Perspektive wird das anwendbare Recht wohl nach der Rom-I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 593/2008) oder Rom-II-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 864/2007) zu beurteilen sein. Dies folgt schon aus der jeweiligen universellen Anwendbarkeit der Rom-I-Verordnung bzw. Rom-II-Verordnung. Sollte nach diesen Vorschriften nicht das deutsche Recht als anwendbar angesehen werden, so wird sich die – in der juristischen Fachliteratur nicht abschließend geklärte – Frage stellen, ob das LkSG im Zusammenhang mit der deliktischen Anspruchsgrundlage nicht als zwingendes Recht nach Art. 16 Rom-II-Verordnung einzuordnen ist. Falls die Eingriffsnormqualität nach Art. 16 Rom-II-Verordnung verneint werden würde, so wäre dann die Folgefrage, ob bei der Beurteilung von Ansprüchen nach fremden Recht nicht das LkSG als angemessene Sicherheits- und Verhaltensregeln nach Art. 17 Rom-II-Verordnung zu berücksichtigen ist. Da noch weder konkrete Rechtsprechung mit LkSG-Bezug noch eine Rechtsprechungstendenz hierzu existiert, besteht Ungewissheit wie ein Gericht die Anwendbarkeit des deutschen Rechts bei Auslandsbezug im Einzelfall beurteilen wird.

Auch im Rahmen der Darlegungs- und Beweislast bezüglich der geltend gemachten Ansprüche ist ein Trend dahingehend erkennbar, dass Gerichte zunehmend zugunsten der Kläger eine sekundäre Darlegungslast zulasten der Beklagtenpartei annehmen. Es wäre nicht überraschend, wenn dieser Trend auch im Zusammenhang mit dem LkSG fortgeführt werden würde.

Gleichwohl sind nach wie vor viele rechtliche Fragen im Zusammenhang der zivilrechtlichen Haftung ungeklärt. Dennoch ist eine zivilrechtliche Haftung nach den Vorschriften des BGB, wie z.B. §§ 823 Abs. 1, 826, 831 BGB, nicht gänzlich ausgeschlossen. Aufgrund fehlender Rechtsprechung lässt sich das Risko und die Erfolgsaussichten zivilrechtlicher Klagen nicht zuverlässig ableiten und vorhersagen.

Fazit

Das Risiko möglicher Sanktion und zivilrechtlicher Klagen ist gegeben. Zudem wird – aufgrund der aktuellen Berichterstattungen – deutlich das erste Organisationen bereits aktiv sind und vor allem einen Blick auf Unternehmen werden, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen . Um so wichtiger ist es, laufend zu prüfen, ob die Sorgfaltspflichten nach dem LkSG eingehalten werden. Auch die Verankerung von vertraglichen Mitwirkungspflichten für Präventions- und Abhilfemaßnahmen bei Lieferanten ist insoweit von Relevanz. Ebenso sollten die eigenen Bemühenspflichten stets dokumentiert und ggs. rechtlich aufbereitet werden, um sich gegen spätere drohende Sanktionen oder möglichen zivilrechtlicher Klagen bestmöglich verteidigen zu können.

Fundstellle

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
LkSG - nichtamtliches Inhaltsverzeichnis (gesetze-im-internet.de)

 

Ihre Ansprechpartner

Johannes Passas
Partner

jpassas@deloitte.de
Tel.: +49 511 307559 546

Dr. Rudolph Anthony Holtz
Senior Associate

rudholtz@deloitte.de
Tel.: +49 511 307559 306

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