COVID-19: Sofortmaßnahmen zur Kurzarbeit und zum Kurzarbeitergeld
Vor dem Hintergrund der bereits auf dem deutschen Markt spürbaren Folgen der COVID-19-Pandemie müssen Arbeitgeber alle vorhandenen Möglichkeiten zur Minimierung von Personalkosten und Sicherstellung der Liquidität nutzen. Hier kann die Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld helfen.
Als Teil der verabschiedeten Maßnahmenpakete zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie sind die Regelungen zu Kurzarbeit flexibilisiert und an die neuartigen Anforderungen angepasst worden. Unternehmer, die von den Folgen der COVID-19-Pandemie betroffen sind, sollten zeitnah entsprechende Möglichkeiten prüfen und Anträge stellen.
Ausgangslage
Vor dem Hintergrund der auf dem deutschen Markt bereits spürbaren Folgen der COVID-19-Pandemie müssen die Arbeitgeber alle vorhandenen Möglichkeiten zur Minimierung der Personalkosten und Erhaltung der Liquidität prüfen und ggf. nutzen. Je nach Branche, in der die Arbeitgeber tätig sind, kann die Minimierung der Personalkosten von entscheidender Bedeutung sein, um die Liquidität zu sichern und dadurch noch schlimmere Folgen für das Unternehmen und seine Mitarbeiter zu vermeiden. Eine sehr relevante Komponente ist in diesem Zusammenhang die erneuerte und erweiterte Kurzarbeitsregelung, die die deutsche Bundesregierung im Rahmen ihrer sogenannten 4-Säulen-„Bazooka“ (siehe Deloitte Tax-News) verkündet hat.
Soweit die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung nicht oder nicht vollständig erbringen können, weil bei dem Arbeitgeber kein oder ein nur eingeschränkter Bedarf besteht, ist die Vergütung grds. gemäß § 615 BGB an die Arbeitnehmer fortzuzahlen; das Betriebsrisiko trägt in der Regel der Arbeitgeber. Durch die Einführung von Kurzarbeit können die Arbeitgeber die Arbeitszeit und das Entgelt der Arbeitnehmer um bis zu 100% reduzieren und bis zu 100% der Vergütung und der Sozialversicherungsbeiträge durch die öffentliche Hand ausgleichen lassen. Hierdurch wird das grds. vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko eingeschränkt.
1. Schritt: Einführung von Kurzarbeit
Der Arbeitgeber ist gegenüber den Arbeitnehmern nicht zur einseitigen Einführung von Kurzarbeit berechtigt, sondern es bedarf hierzu im ersten Schritt einer arbeitsrechtlichen Grundlage. Eine solche kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder tarifvertraglichen Regelungen ergeben.
Wenn ein Betriebsrat, aber keine tarifvertragliche Regelung besteht, geht eine Betriebsvereinbarung Individualvereinbarungen mit den Arbeitnehmern vor. Sofern kein Betriebsrat und (noch) keine arbeitsvertragliche Grundlage besteht, kann mit den betroffenen Arbeitnehmern eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag vereinbart werden.
Für den Abschluss entsprechender Betriebsvereinbarungen bzw. Ergänzungsvereinbarungen zum Arbeitsvertrag muss ein gewisser zeitlicher Vorlauf eingeplant werden. Insbesondere der Abschluss von Betriebsvereinbarungen bedarf vor dem Hintergrund der in immer größerem Umfang auftretenden Betriebsabwesenheit von Betriebsratsmitglieder und der damit zusammenhängenden Probleme bei der Herstellung der Beschlussfähigkeit zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung einem raschen Tätigwerden.
2. Schritt: Anzeige des Arbeitsausfalls bei der zuständigen Arbeitsagentur
Auf Basis der arbeitsvertraglichen Rechtsgrundlage (Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag) muss der Arbeitgeber den Arbeitsausfall im zweiten Schritt bei der zuständigen Arbeitsagentur anzeigen, die den Arbeitsausfall bei Vorliegen der Voraussetzungen dann bestätigt. Maßgebliche Voraussetzung der Leistung von KUG ist nach § 95 SGB III, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt. Insofern ist in § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III eine Erheblichkeitsschwelle zu beachten. Grundsätzlich müssen ein Drittel der im Betrieb bzw. Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein. Um Beschäftigte und Unternehmen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie zu unterstützen, hat der Bundestag am 13. März 2020 insofern jedoch Erleichterungen beschlossen, die rückwirkend vom 1. März 2020 befristet gelten solle. Die Erheblichkeitsschwelle wird in diesem Zusammenhang insofern herabgesetzt, dass nur noch 10% der im Betrieb bzw. Betriebsteil beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein müssen.
Daneben setzt die Erheblichkeit eines Arbeitsausfalls nach § 96 Abs. 1 SGB III voraus, dass der Ausfall auf wirtschaftlichen Gründen (z.B. Auftragsrückgang) oder einem unabwendbaren Ereignis (z.B. behördlich veranlasste Schließung) beruht, die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind.
Darüber hinaus muss der erhebliche Arbeitsausfall vorübergehend und unvermeidbar sein. Ein Arbeitsausfall ist nach § 96 Abs. 4 Satz 1 SGB III unvermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern. Vermeidbar ist der Arbeitsausfall z.B. nach § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 SGB III, soweit er durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann, soweit vorrangig Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen. Derzeit bürden die Arbeitsagenturen den Arbeitgebern nicht auf, mit jedem einzelnen Arbeitnehmer entgegenstehende Urlaubswünsche zu besprechen, sondern gehen in der Regel nur dann von einer Unvermeidbarkeit aus, wenn bereits bestehende Urlaubspläne modifiziert werden. Um eine Urlaubsflut nach Beendigung der Kurzarbeitsphase zu verhindern, sollte aber versucht werden zumindest einen Teil des Urlaubs (z.B. nicht verfallenen Resturlaub aus dem Vorjahr) vor Einführung der Kurzarbeit zu gewähren. Gemäß § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III ist zudem die Inanspruchnahme von Arbeitszeitguthaben grds. vorrangig gegenüber Kurzarbeit. In Folge der Gesetzesanpassung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie soll auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergeldes (§ 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III) vollständig oder teilweise verzichtet werden können.
Der Arbeitsausfall ist nach § 99 SGB III jeweils bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, schriftlich oder elektronisch durch den Arbeitgeber anzuzeigen. Mit der Anzeige ist insbesondere glaubhaft zu machen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall besteht und die betrieblichen Voraussetzungen für das KUG erfüllt sind. Die maßgeblichen Formulare sind auf der Homepage der Arbeitsagentur abrufbar und sollten je nach Komplexität des Sachverhalts ggf. noch von einem erläuternden Anschreiben und/oder einer persönlichen Ansprache gegenüber dem zuständigen Sachbearbeiter begleitet werden.
3. Schritt: Beantragung von Kurzarbeitergeld bei der zuständigen Arbeitsagentur
Das Kurzarbeitergeld wird in der Regel frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der jeweils zuständigen Agentur für Arbeit eingegangen ist. Beruht der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis (z.B. einer behördlichen Betriebsschließung), gilt die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat (in dem das unabwendbare Ereignis eintritt) als erstattet, wenn sie unverzüglich erstattet wurde.
Die Leistung des Kurzarbeitergeldes ist sodann gesondert zu beantragen. Der Antrag ist innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten zu stellen (§ 325 Abs. 3 SGB III). Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tage der Kurzarbeit liegen. Reicht der maßgebliche Kurzarbeitszeitraum über mehr als ein Kalendermonatsende hinaus, so beginnt die Frist einheitlich erst mit dem Ablauf des letzten Kalendermonats, für den KUG beantragt wurde.
Die maximale Bezugsdauer des KUG beträgt derzeit zwölf Monate; es ist jedoch möglich, dass dieser Zeitraum per Rechtsverordnung auf maximal 24 Monate ausgedehnt wird. Das Kurzarbeitergeld ist der Höhe nach auf maximal 60 (Arbeitnehmer ohne Kinder) bzw. 67 % (Arbeitnehmer mit Kindern) der Differenz zwischen dem eigentlich geschuldeten und dem geleisteten Nettoentgelt im Rahmen der anwendbaren Beitragsbemessungsgrenzen begrenzt. In Folge der Gesetzesanpassung im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie sollen die grds. vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge zukünftig auch von der Arbeitsagentur übernommen werden.
Das Kurzarbeitergeld wird typischerweise vom Arbeitgeber vorgestreckt, der sich die Leistungen sodann von der zuständigen Arbeitsagentur erstatten lässt. Eine Vorleistung durch den Arbeitgeber ist aber nicht zwingend. Die gängigen Abrechnungssysteme verfügen in der Regel über – ggf. zubuchbare – Funktionen zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes. Die Erstattung erfolgt nach den Aussagen der Arbeitsagentur in der Regel innerhalb von 15 Kalendertagen. Ob dies auch vor dem Hintergrund der Vielzahl der Anfragen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie der Fall ist, bleibt abzuwarten.
Schließlich ist es nicht unüblich, dass der Arbeitgeber – auf Basis eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung und einer arbeitsvertraglichen Regelung – zusätzlich zur der etwaig geschuldeten reduzierten Vergütung und dem Kurzarbeitergeld einen Zuschuss bzw. eine Aufstockung zahlt. Ein solcher Zuschuss vermindert das Kurzarbeitergeld nicht, soweit noch ein Entgeltausfall gegeben ist.
Ergebnis
Kurzarbeitergeld kann je nach Umfang der Reduzierung der Arbeitszeit einen hohen Anteil der Personalkosten des Arbeitgebers decken und bietet daher eine gute und sozialverträgliche Möglichkeit Personalkosten zu minimieren und Liquidität zu sichern.
Wenn sich Arbeitnehmer in offizieller Quarantäne befinden bzw. behördliche Maßnahmen gegenüber Arbeitgebern angeordnet wurden, sollten Arbeitgeber neben der Beantragung von Kurzarbeitergeld auch die Möglichkeiten zur Beantragung von Entschädigungen nach dem Infektionsschutzgesetz prüfen, da die Leistungen aus dem Kurzarbeitergeld hinter den Leistungen aus dem Infektionsschutzgesetz zurückbleiben.
Arbeitgeber sollten schließlich bereits jetzt Vorsorge für die Zeit nach der Convid-19-Pandemie treffen und mittelfristig etwaig notwendige Restrukturierungsmaßnahmen planen. Insofern ist insbesondere an die (Weiter-) Qualifizierung des Personals, bestenfalls unter Einsatz der hierfür zur Verfügung stehenden staatlichen Hilfen, sowie – soweit nicht vermeidbar – den Abbau bzw. die Verlagerung von Personal nachzudenken.