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11.04.2016
Unternehmensrecht

BGH: Keine Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für erst nach Ausscheiden fällig werdende, rückständige Einlageschuld eines Mitgesellschafters

Ein Gesellschafter, der vor Fälligkeit der Einlageschuld eines Mitgesellschafters, dessen Geschäftsanteil später im Wege der Kaduzierung eingezogen worden ist, ausscheidet, haftet grundsätzlich nicht für diese Fehlbeträge – selbst dann nicht, wenn er durch Übertragung seines Geschäftsanteils an den kaduzierten Mitgesellschafter ausgeschieden ist (BGH, Urteil vom 19.05.2015 – II ZR 291/14)

Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob ein Gesellschafter, der vor Fälligkeit der Einlageschuld eines Mitgesellschafters aus der Gesellschaft aufgrund der Übertragung seines Geschäftsanteils an diesen Mitgesellschafter ausgeschieden ist, für den Fehlbetrag haftet, wenn dieser Mitgesellschafter im Wege der Kaduzierung aus der Gesellschaft später ausscheidet (BGH, Urteil vom 19.05.2015 – II ZR 291/14).

Sachverhalt

Der Beklagte und sein Mitgesellschafter waren die einzigen Gesellschafter einer GmbH. Anfang 2009 übertrug und verkaufte der Beklagte seinen voll eingezahlten Geschäftsanteil GA 1 für einen Euro an seinen Mitgesellschafter, der zu diesem Zeitpunkt auf seinen eigenen Geschäftsanteil GA 2 nur die Hälfte eingezahlt hatte. Dessen restliche Einlage war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingefordert worden. Ende 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Der Insolvenzverwalter forderte den Mitgesellschafter zur Zahlung der noch ausstehenden Einlageschuld auf seinen Geschäftsanteil GA 2 auf. Da der Mitgesellschafter nicht zahlte, kaduzierte der Insolvenzverwalter den Geschäftsanteil GA 2 (§ 21 GmbHG). Die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Mitgesellschafters verlief erfolglos. Der Insolvenzverwalter nahm dann den Beklagten auf Zahlung der ausstehenden Einlage auf den kaduzierten Geschäftsanteil GA 2 in Anspruch, allerdings durch alle Instanzen erfolglos.

Vorinstanzen

Das LG Hamburg (Urt. v. 26.07.2012 – 322 O 314/11) hat die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen. Das OLG Hamburg (Urt. v. 22.03.2013 – 11 U 152/12) hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen und die Revision zum BGH zugelassen. Die Revision des Insolvenzverwalters hatte keinen Erfolg.

Gründe

Nach Ansicht des BGH haftet der Beklagte in dem vorliegenden Fall unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die nicht erfüllte Einlageverpflichtung des Mitgesellschafters.

Keine Haftung des Beklagten nach § 22 GmbHG, da der Beklagte bezogen auf den kaduzierten Geschäftsanteil GA 2 kein Rechtsvorgänger i.S.d. Norm war

Rechtsvorgänger i.S.d. § 22 GmbHG ist nur derjenige, der zeitlich vor dem ausgeschlossenen Gesellschafter wirksam Inhaber des nicht voll eingezahlten und später kaduzierten Geschäftsanteils gewesen ist. Da jedoch der Mitgesellschafter von Beginn an Inhaber des kaduzierten Geschäftsanteils GA 2 war, war der Beklagte kein Rechtsvorgänger i.S.d. § 22 GmbHG.

Keine Haftung des Beklagten nach § 24 GmbHG, da der Beklagte „kein übriger Gesellschafter“ i.S.d. Norm war

Nach § 24 GmbHG haben die übrigen Gesellschafter den Fehlbetrag aufzubringen, soweit eine Einlage im Kaduzierungsverfahren weder von dem zahlungspflichtigen Mitgesellschafter eingezogen, noch durch den Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann. Dabei ist „übriger Gesellschafter“ nur derjenige, der im Zeitpunkt der Fälligkeit der Einlageverpflichtung (noch) Gesellschafter der GmbH ist.

Der Beklagte war im Zeitpunkt der Fälligkeit der Einlageverpflichtung betreffend den Geschäftsanteils GA 2 nicht mehr Gesellschafter der GmbH, da die Einlageverpflichtung erst mit dem Zahlungsverlangen durch den Insolvenzverwalter im Jahre 2010 fällig geworden ist, also zu einem Zeitpunkt, als der Beklagte nicht mehr Gesellschafter der GmbH war.

Weder die Satzung der GmbH enthielt Fälligkeitsregelungen für rückständige Einlagen noch gab es einen vorherigen Einforderungsbeschluss der Gesellschafterversammlung und eine anschließende Einforderung seitens des Geschäftsführers der GmbH, der die Fälligkeit der Resteinlage vor Ausscheiden des Beklagten ausgelöst hätte.

Der Insolvenzverwalter kann die offene, noch nicht fällige Einlage selbst einfordern, ohne dass es dazu einer Bestimmung im Gesellschaftsvertrag oder eines vorherigen Gesellschafterbeschlusses bedarf. Der Insolvenzverwalter ist insoweit auch nicht durch etwaige statutarische Fälligkeitsbestimmungen an der Einforderung gehindert.

Keine Haftung des Beklagten als Rechtsvorgänger für eine den kaduzierten Mitgesellschafter treffende Ausfallhaftung nach § 24 GmbHG aufgrund eines weiteren, nicht kaduzierten Geschäftsanteils

Der kaduzierte Mitgesellschafter haftet für Rückstände auf seinen kaduzierten Geschäftsanteil GA 2 nach § 24 GmbHG, weil er über einen weiteren Geschäftsanteil (Geschäftsanteil GA 1) neben dem kaduzierten Geschäftsanteil GA 2 verfügt. Den Beklagten als Rechtsvorgänger des nicht kaduzierten Geschäftsanteils GA 1 treffe eine solche Ausfallhaftung in Beziehung zu dem nicht kaduzierten Geschäftsanteil allerdings nicht, so der BGH, denn die Aufbringung von Fehlbeträgen i.S.d. § 24 GmbHG betrifft keine „nicht erfüllte Einlageverpflichtung“ i.S.d. § 22 GmbHG. Außerdem betrifft die Haftung nach § 22 GmbHG nur diejenige Einlageverpflichtung, derentwegen die Kaduzierung betrieben wird.

Keine Haftung des Beklagten aufgrund Veräußerung seines Geschäftsanteils GA 1 vor Fälligkeit der Einlageschuld an den später kaduzierten Mitgesellschafter / Gedanke des rechtsmissbräuchlichen Handelns

Eine Ausnahme und damit eine Haftung nach § 24 GmbHG könnte deshalb greifen, weil der Beklagte seinen Geschäftsanteil GA 1 gerade an den Mitgesellschafter verkauft hat, der seine Einlageschuld nicht vollständig erbracht hat. Der BGH erteilt jedoch mit dem vorliegenden Urteil der Meinung, die den übertragenden Gesellschafter nach § 24 GmbHG haften lassen will, wenn er seinen Geschäftsanteil vor Fälligkeit der Einlageverpflichtung gerade an den Mitgesellschafter veräußert, der mit seinem eigenen Geschäftsanteil kaduziert wird (wie etwa OLG Köln, 23.6.1993 – 2 U 118/92), eine Absage.

Eine Haftung nach § 24 GmbHG scheidet aus…

§ 24 GmbHG diene dem Schutz der Kapitalaufbringung. Daher sei es nicht gerechtfertigt, im Kaduzierungsverfahren Gesellschafter für Fehlbeträge haften zu lassen, die bereits vor Fälligkeit der Einlageverpflichtung aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Zwar begründe § 24 GmbHG eine Haftung für fremde Verbindlichkeiten, allerdings führt der BGH aus, dass es sich hier um eine rein subsidiäre Haftung handele, der Ausnahmecharakter zukomme. Schon der Wortlaut des § 24 GmbHG betrifft keine ehemaligen Gesellschafter. Eine über § 24 GmbHG hinausgehende Haftung, die bereits als hart empfunden wird, sei nach Ansicht des BGH grundsätzlich nicht geboten.

Auch keine Haftung aus § 16 Abs. 2 GmbHG…

Der BGH macht klar, dass er keine Veranlassung sieht, die Norm über den Wortlaut hinaus auch auf fremde Einlageverpflichtungen auszudehnen.

Keine Haftung wegen Rechtsmissbrauchs…

Der BGH sah in dem vorliegenden Fall keine ausreichenden Anhaltspunkte für einen Rechtsmissbrauch. Die Übertragung sei fast zwei Jahre vor dem Kaduzierungsverfahren erfolgt und auch allein der Umstand, dass der Beklagte seinen Geschäftsanteil für einen Euro veräußert hat, lässt keinen Schluss auf eine Krise der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Veräußerung zu und damit auf ein rechtsmissbräuchliches Handeln des Beklagten.

Hinweis für die Praxis

Das Urteil des BGH bestätigt die herrschende Auffassung in Rechtsprechung bzw. Literatur und schafft Klarheit betreffend die Gesellschafterhaftung nach §§ 22 und 24 GmbHG. Das oben bereits erwähnte Urteil des OLG Köln hatte hier für Unsicherheit gesorgt, da in diesem Fall das OLG Köln entschieden hatte, dass der Gesellschafter, der seinen Geschäftsanteil an seinen Mitgesellschafter veräußert hatte, der die Einlageverpflichtung auf seinen eigenen, später kaduzierten Geschäftsanteil noch nicht erbracht hat, weiter haften sollte. Diese Unsicherheit ist nun beseitigt worden.

Des Weiteren lehnt der BGH die eher gesellschafterfreundliche Ansicht in der Literatur zur Haftung gemäß § 24 GmbHG ab, die annimmt, dass nur derjenige nach § 24 GmbHG haftet, der nicht nur bei Fälligkeit der ausstehenden Einlage, sondern auch dann noch Mitgesellschafter ist, wenn nach Erschöpfung der Maßnahmen nach den §§ 21 bis 23 GmbHG die Haftung nach § 24 GmbHG geltend gemacht wird. Nach dem BGH ist entscheidender Zeitpunkt für die Anknüpfung der Haftung aus § 24 GmbHG die Fälligkeit der Einlageforderung. Wer im Zeitpunkt der Fälligkeit der Einlageforderung noch Mitgesellschafter ist, haftet nach § 24 GmbHG, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.

Eindeutig klar sagt der BGH auch, dass eine Haftung aus § 16 Abs. 2 GmbHG ausscheide und das § 24 GmbHG ein Ausnahmecharakter zukomme, der einer erweiterten Auslegung grundsätzlich entgegensteht.

Interessant sind die Ausführungen des BGH in diesem Zusammenhang zum Thema rechtsmissbräuchliches Verhalten. Zwar, so der BGH, könne man bei einem Kaufpreis von einem Euro nicht ohne weiteres von einem Rechtsmissbrauch sprechen. Allerdings deutet der BGH an, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegen kann, wenn der Gesellschafter seinen Anteil erst in der Krise der Gesellschaft an seinen Mitgesellschafter veräußert. Hier muss daher bei der Vertragsgestaltung deutlich dokumentiert werden, dass der Verkaufspreis auch den Marktpreis darstellt.

Ihre Ansprechpartner

Nicole Billing
Senior Associate

nbilling@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2063

Heike Richter
Partner

hrichter@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-2492

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