BGH: Up- und Cross-stream Sicherheiten im Konzern - Gewährungszeitpunkt entscheidend für § 30 GmbHG
BGH legt den Beurteilungszeitpunkt für die Gewährung dinglicher Sicherheiten im Rahmen des § 30 GmbHG auf den Bestellungs- und nicht auf den Verwertungszeitpunkt fest
Im Rahmen der Auslegung von § 30 Abs. 1 GmbHG (Kapitalerhaltung) war es bei der Gewährung von dinglichen Sicherheiten durch eine Gesellschaft zur Besicherung von Darlehensverbindlichkeiten ihres Gesellschafters lange streitig, ob es für die Frage einer verbotenen Kapitalrückzahlung auf den Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit oder auf den Zeitpunkt ihrer Verwertung ankommt.
Der Bundesgerichtshof bestätigt nunmehr mit seinem Urteil vom 21. März 2017 (Az.: II ZR 93/16) seine bereits angedeutete Rechtsauffassung und legt die Bestellung der Sicherheit als Beurteilungszeitpunkt fest.
Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden, § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG. Dies umfasst nicht nur die direkte Auszahlung von der Gesellschaft an die Gesellschafter: Auch die Gewährung einer Sicherheit durch die Gesellschaft für Ansprüche Dritter gegen die Gesellschafter (siehe Schaubild) ist ein unter § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG zu berücksichtigender Vorgang.
Umstritten war bislang jedoch, ob eine verbotene Auszahlung bereits in der Bestellung der Sicherheit liegen kann oder ob es erst im Zeitpunkt von deren tatsächlicher Verwertung zu einer Auszahlung im Sinne des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG kommt.
Entscheidung des BGH
In seinem Urteil entschied der BGH, dass bereits der Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit relevant ist. Als Begründung verweist der BGH auf die Gewährung eines Darlehens, die mit der Stellung einer dinglichen Sicherheit für eine Darlehensverbindlichkeit des Gesellschafters zu vergleichen sei und legt dabei eine „wirtschaftliche Betrachtungsweise“ zugrunde. Die Sicherheit scheide demnach wirtschaftlich bereits mit ihrer Bestellung aus dem Vermögen der Gesellschaft aus.
Keine Auszahlung liege hingegen vor, wenn die Leistung der Gesellschaft durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist (§ 30 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 GmbHG). Ein solcher Anspruch gerichtet auf die Freistellung von der Inanspruchnahme der Sicherheit steht der Gesellschaft gegenüber ihrem Gesellschafter zu, sobald die besicherte Verbindlichkeit fällig wird.
Vollwertig sei ein solcher Anspruch aus der Sicht des BGH dann, wenn der Gesellschafter – aus einer ex ante Sicht – voraussichtlich in der Lage sein wird, die besicherten Darlehensverbindlichkeiten zurückzuzahlen („Prognoseentscheidung“), da in diesen Fällen eine Inanspruchnahme der Sicherheit und somit ein Ausfall des Freistellungsanspruchs der Gesellschaft gegen den Gesellschafter unwahrscheinlich ist. Falle die Prognoseentscheidung positiv aus, liege im Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung ein bloßer Aktivtausch vor, der nach § 30 GmbHG unbeachtlich sei, selbst dann wenn sich die Vermögenslage des Gesellschafters zu einem späteren Zeitpunkt verschlechtern sollte. Eine negative Entwicklung lasse die ex ante festgestellte Vollwertigkeit des Freistellungsanspruchs nicht rückwirkend entfallen.
Der Geschäftsführer der Gesellschaft müsse zwar die Vermögensverhältnisse des Gesellschafters beobachten und auf eine sich anbahnende Bonitätsverschlechterung mit der Anforderung von Sicherheiten oder der Durchsetzung des Freistellungsanspruchs reagieren. Die Nicht-Geltendmachung dieses Freistellungsanspruchs führe jedoch zu keiner Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG und stelle auch selbst keine Auszahlung im Sinne des § 30 GmbHG dar.
Fazit
Der vom BGH festgelegte Zeitpunkt schafft nunmehr im Rahmen von dinglichen Up- und Cross-stream Sicherheiten Klarheit für Konzernfinanzierungen, -gesellschaften und deren Geschäftsführer und ist damit zu begrüßen. Welcher Sorgfaltsmaßstab an die von dem Geschäftsführer zu treffende Prognoseentscheidung angelegt werden soll, wurde vom BGH hingegen nicht näher beleuchtet und bleibt daher für den Geschäftsführer ein haftungsrelevantes Thema, da seine Bewertung aus einer ex-ante Sicht überprüfbar sein wird. Ob der BGH, dessen Entscheidung sich auf eine dingliche Sicherheit (hier: Grundschuld) bezog, auch Personalsicherheiten (Bürgschaften, Garantien o.ä.) erfasst wissen wollte, geht aus der Entscheidung nicht hervor, erscheint aber aufgrund der verallgemeinerungsfähigen und übertragbaren Kriterien nicht unwahrscheinlich.