BGH: Begrenzung Haftungsrisiken für Geschäftsführer für Zahlungen auf debitorische Konten
In einer aktuellen Entscheidung präzisiert der BGH die Haftungsvoraussetzungen des § 64 S. 1 GmbHG bei Zahlungen auf debitorische Konten der Gesellschaft
Werden von einer Gesellschaft nach Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung ihrer Überschuldung Zahlungen geleistet, so müssen die Geschäftsführer der Gesellschaft ihr diese Zahlungen aus ihrem persönlichen Vermögen ersetzen, § 64 S. 1 GmbHG. Diese Regelung zielt darauf ab, den Bestand der Insolvenzmasse zu schützen und die Gleichbehandlung der Gläubiger der Gesellschaft zu sichern. Von diesem Zahlungsverbot ausgenommen sind nach § 64 S. 2 GmbHG lediglich solche Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar waren. Zulässig sind danach insbesondere Zahlungen, die kraft Gesetzes geleistet werden müssen, wie beispielsweise die Abführung der Lohnsteuer.
Insbesondere bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs ergeben sich für die Geschäftsführung oft unvorhergesehene Haftungsrisiken. Denn das Zahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG umfasst nicht nur Abbuchungen von dem Gesellschaftskonto, sondern kann auch Gutschriften umfassen, wenn diese auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft eingehen: Während vor der Gutschrift die Forderung gegen den Schuldner der Gesellschaft offenstand und durch den Insolvenzverwalter hätte geltend gemacht werden können, ist durch die Zahlung diese Forderung erfüllt und somit erloschen. Unterliegen die Forderungen einer Gesellschaft jedoch einer Globalzession zugunsten der Bank, verbleibt der eingezogene Forderungsbetrag nicht im Aktivvermögen der Gesellschaft, sondern wird mit dem Sollsaldo bzw. mit dem Kreditrückzahlungsanspruch der Bank verrechnet. Die Gutschrift führt also zu einer vorrangigen Befriedigung nur eines Gläubigers, der Bank, was durch die Regelung des § 64 S. 1 GmbHG gerade verhindert werden soll.
Ein aktuelles Urteil des BGH (Urteil des BGH vom 23. Juni 2015 – II ZR 366/13) zu dieser Konstellation führt zu Haftungsbegrenzungen für Geschäftsführer.
Sachverhalt
Eine in die Insolvenz gefallene GmbH unterhielt ein Kontokorrentkonto mit einer Kreditlinie in Höhe von EUR 150.000,00 bei einer Sparkasse. Durch einen Globalzessionsvertrag hatte die Gesellschaft der Sparkasse zur Sicherung aller Forderungen aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen gegen Dritte abgetreten. Nach Eintritt der Insolvenzreife der GmbH wurden auf dem – durchgängig im Soll geführten – Konto Zahlungseingänge gebucht und mit Forderungen der Sparkasse verrechnet. Der Insolvenzverwalter nahm daraufhin den Geschäftsführer der GmbH in Höhe der gebuchten Eingänge in Haftung.
Entscheidung des BGH
Der BGH hält in seiner Entscheidung daran fest, dass Zahlungseingänge auf debitorischen Konten grundsätzlich zu einer Haftung der Geschäftsführer nach § 64 S. 1 GmbH führen können. Allerdings ist der Zahlungseingang auf einem debitorischen Konto nach Auffassung des BGH dann nicht haftungsbewehrt, wenn die eingezogene Forderung, auf die sich die Zahlung bezieht, von einer bereits vor Insolvenzreife vereinbarten Sicherungsabtretung an die Bank umfasst ist und die Forderung ferner vor Insolvenzreife sowohl entstanden als auch werthaltig geworden ist. Eine Forderung wird dann werthaltig, wenn der Schuldner seine vertraglich zugesagte Leistung erbringt. In der vorliegenden Konstellation war dies zu dem Zeitpunkt der Fall, in dem die Gesellschaft die vereinbarten Waren an ihre Vertragspartner lieferte bzw. die von ihr geschuldeten Dienstleistungen erbrachte.
Sofern diese Voraussetzungen, die alle von dem Geschäftsführer darzulegen und zu beweisen sind, vorliegen, entfällt die Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG. Zur Begründung führt der BGH aus, dass in einem solchen Fall die Verrechnung des in Folge der Einzahlung auf dem Konto gutgeschriebenen Betrages nicht die Insolvenzmasse verringere, da die zur Sicherheit an die Bank abgetretenen Forderungen nicht den Gläubigern zur Verwertung zur Verfügung stünden: Zwar zählen auch sicherungsabgetretene Forderungen zur Insolvenzmasse, allerdings steht dem Zessionar (hier: der Sparkasse) ein Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 1 InsO zu. Auch ist der Geschäftsführer nicht gehalten, die sicherungshalber abgetretene Forderung durch Einziehung auf ein neu eröffnetes, kreditorisch geführtes Konto bei einer anderen Bank der Einziehung und Verrechnung auf dem debitorischen Konto zu entziehen. Eine solche Umleitung der Zahlungen entspreche nach der Auffassung des BGH nicht einem ordentlichen Geschäftsgebaren. Um eine masseschmälernde und damit unzulässige Zahlung handelt es sich jedoch dann, wenn die zur Sicherheit abgetretene Forderung erst nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden ist oder vor Insolvenzreife, aber erst danach werthaltig geworden ist und der Geschäftsführer das Werthaltigmachen der Forderung verhindern konnte.
Auch nutzt der BGH die Entscheidung für die Klarstellung, dass eine Enthaftung nicht automatisch dadurch eintritt, dass eine Kontokorrentlinie durch Zahlungseingänge wieder frei wird. Zu einem Ausgleich und damit zu einer Enthaftung kann es indes kommen, wenn mithilfe der Gutschriften in „unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang“ ein verwertbarer Vermögenswert für die Masse erworben wird, etwa durch Abhebung zugunsten der Barkasse oder durch Überweisung auf ein kreditorisch geführtes Konto der Gesellschaft.
Fazit
Das vorliegende Urteil enthält eine begrüßenswerte Konturierung der Haftungsrisiken aus § 64 S. 1 GmbHG bei Zahlungen auf debitorische Konten. Auch wenn der BGH einzelne Fragen offengelassen hat, wie beispielsweise die Frage nach der Ausgestaltung des unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Zahlungs-Ein- und Ausgängen im Rahmen der Enthaftungsmöglichkeit, ist dem BGH im Ergebnis zuzustimmen. Auch wenn durch das Urteil für die beschriebenen Sonderfälle eine Haftung entfällt: In der wirtschaftlichen Krise der GmbH gilt auch weiterhin, dass im Umgang mit debitorischen Konten Vorsicht geboten ist.