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21.01.2015
Unternehmensrecht

BAG: Keine Möglichkeit der Zurückweisung einer Kündigung, die durch den nicht im Rahmen seiner Gesamtprokura handelnden Personalleiter des Unternehmens ausgesprochen wurde

Eine vom Personalleiter eines Unternehmens ausgesprochene Kündigung, der zugleich Gesamtprokurist ist, kann nicht nach § 174 S. 1 BGB mit der Begründung zurückgewiesen werden, er habe als Gesamtprokurist keine ausreichende Vertretungsmacht zum Ausspruch der Kündigung gehabt.

Sachverhalt

Die Beklagte stellt Baumaschinen her und beschäftigt etwa 720 Arbeitnehmer. Der Kläger war bei der Beklagten seit Februar 2004 als Materialbesteller im Fertigungslager und in der Endmontage beschäftigt. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich betriebsbedingt mit Schreiben vom 27.04.2012 mit Wirkung zum Ablauf des 31.07.2012. Das Kündigungsschreiben war vom Prokuristen und Personalleiter der Beklagten Herrn K. mit dem Zusatz „ppa“ sowie vom Personalsachbearbeiter der Beklagten Herrn G. mit dem Zusatz „i. V.“ unterzeichnet. Dem Kündigungsschreiben war keine Originalvollmacht beigefügt. Laut Handelsregister war Herr K. Gesamtprokurist der Beklagten und nur zusammen mit einem Geschäftsführer oder einem anderen Prokuristen der Beklagten vertretungsberechtigt. Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 2.05.2012 wies der Kläger die Kündigung „mangels Nachweises der Vertretungsberechtigung des Unterzeichners“ zurück.

Mit seiner zum Arbeitsgericht Herne erhobenen Kündigungsschutzklage wandte sich der Kläger gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung und hat behauptet, die Stellung von Herrn K. als Personalleiter bei der Beklagten sei ihm nicht bekannt gewesen. Zwar sei er „eine Art Chef“; welche Aufgaben er im Unternehmen erfülle, sei ihm jedoch nicht bekannt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Es hat angenommen, der Kläger habe die Kündigung nach § 174 S. 1 BGB mit rechtlichem Erfolg zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidung

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht entschied, das die Kündigung der Beklagten nicht deshalb unwirksam sei, weil der Kläger sie nach § 174 S. 1 BGB wirksam zurückgewiesen habe. Nach § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung gemäß § 174 S. 1 BGB sei die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, mithin also die Unwirksamkeit der seitens der Beklagten ausgesprochenen Kündigung.

Allerdings ist das Zurückweisungsrecht nach § 174 S. 1 BGB gemäß § 174 S. 2 BGB dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber demjenigen, gegenüber dem das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen werden soll, die Bevollmächtigung (vorher) mitteilt. Ein derartiges „In-Kenntnis-Setzen“ liegt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auch dann vor, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter – zum Beispiel durch die Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter der Personalabteilung – in eine Stelle berufen habe, mit der ein Kündigungsrecht üblicherweise verbunden ist. Die bloße interne Übertragung einer solchen Funktion reiche dafür jedoch nicht aus. Erforderlich sei vielmehr stets, dass die Berufung des Mitarbeiters in die entsprechende Position auch nach außen im Betrieb ersichtlich ist oder eine sonstige Bekanntmachung erfolgt. Der Erklärungsempfänger muss davon in Kenntnis gesetzt werden, dass der Erklärende die Stellung im Unternehmen tatsächlich innehat.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, scheide eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 S. 2 BGB selbst dann aus, wenn der kündigende Personalleiter zugleich (Gesamt-)Prokurist des Unternehmens ist und die im Handelsregister publizierte Prokura sein – alleiniges – Handeln nicht deckt. In derartigen Fällen genüge, dass der Kündigungsempfänger auf Grund der – ihm bekannten – Stellung des Kündigenden als Personalleiter von einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zum alleinigen Ausspruch von Kündigungen ausgehen muss. Ob der Personalleiter zugleich eine ausreichende Vertretungsmacht als (Gesamt-)Prokurist besitze, sei insofern grundsätzlich ohne Belang.

Etwas anderes gelte auch nicht deswegen, weil für den Kläger nicht ersichtlich war, dass Herr K. in seiner Funktion als Personalleiter nicht an die Einschränkungen der Prokura gebunden war, oder weil er hätte annehmen müssen, Herr K. handele – indem er das Kündigungsschreiben mit dem Zusatz „ppa“ unterzeichnete – allein in seiner Funktion als Prokurist. Nach § 51 HGB hat ein Prokurist in der Weise zu zeichnen, dass er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatz beifügt. Der Zusatz solle klarstellen, dass der Erklärende als Prokurist für den Inhaber handelt. Daraus könne aber nicht gefolgert werden, dass er als Personalleiter keine alleinige Kündigungsbefugnis habe. Denn der Gesamtprokurist zeichnet selbst dann mit dem gewöhnlichen Prokurazusatz, wenn er allein mit interner Zustimmung des anderen Gesamtprokuristen handelt.

Sei der Arbeitnehmer also über die Person des Personalleiters hinreichend in Kenntnis gesetzt, muss er allein aus dessen Stellung als Personalleiter folgern, dass er alleinige Vertretungsmacht zum Ausspruch von Kündigungen habe. Diese Befugnis des Personalleiters werde durch den Umstand, dass er zugleich zum Gesamtprokuristen bestellt und daher nur mit einer weiteren Person zur Vornahme von rechtsgeschäftlichen Handlungen für das Unternehmen berechtigt ist, nicht begrenzt.

Betroffene Normen

§ 174 BGB, § 51 HGB

Anmerkungen

Die vorliegende Entscheidung ist von erheblicher praktischer Bedeutung und schafft zugleich Rechtssicherheit. In größeren Unternehmen unterzeichnet nämlich regelmäßig nicht die Geschäftsführung oder der Vorstand der Gesellschaft die Kündigung eines Arbeitnehmers, sondern meist der Personalleiter. Kündigt ein gewillkürter – also rechtsgeschäftlich bestellter – Vertreter des Arbeitgebers allerdings ohne Vorlage einer Vollmachtsurkunde, kann der Arbeitnehmer die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich mit der Folge ihrer Unwirksamkeit nach § 174 S. 1 BGB zurückweisen. Eine solche Zurückweisung ist jedoch nicht möglich, wenn der Vollmachtgeber den Empfänger über die Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat, § 174 S. 2 BGB. Für die wirksame Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Personalleiter eines Unternehmens genügt insofern, dass der zu kündigende Arbeitnehmer dessen Funktion als Personalleiter kennt. Bei der „In-Kenntnis-Setzung“ der Arbeitnehmer sollte aber darauf geachtet werden, dass nicht nur die zum Ausspruch von Kündigungen befugte Position (z.B. der „Personalleiter“), sondern auch der jeweilige Stelleninhaber namentlich benannt wird.

Spricht ein Prokurist gegenüber einem Arbeitnehmer eine Kündigung aus, gilt der Arbeitnehmer durch die Eintragung und die Bekanntmachung der Prokura im Handelsregister als von der Bevollmächtigung positiv in Kenntnis gesetzt, wenn die Prokura länger als 15 Tage im Handelsregister eingetragen ist. Ist dies der Fall, bedarf es beim Ausspruch einer Kündigung keiner Vorlage einer Vollmachtsurkunde, soweit der Prokurist im Rahmen seiner im Handelsregister eingetragenen Vertretungsmacht (z.B. Einzelprokura) handelt.

Schwierigkeiten entstehen, wenn zugunsten des Personalleiters – wie im vorliegenden Fall – eine Gesamtprokura im Handelsregister eingetragen ist, nach der er nur zusammen mit einem weiteren Prokuristen oder einem Geschäftsführer bzw. Vorstand zur Vornahme von rechtsgeschäftlichen Handlungen für das Unternehmen berechtigt ist. In diesen Fällen trennt das Bundesarbeitsgericht nun zwischen der Funktion des Kündigenden als Personalleiter einerseits und seiner Stellung als Prokurist andererseits mit der Folge, dass eine ausreichende Vertretungsmacht als (Gesamt-)Prokurist – zusätzlich zur ordnungsgemäßen Bevollmächtigung als Personalleiter – nicht erforderlich ist. Die eingeschränkte Bevollmächtigung als (Gesamt-)Prokurist schlägt insofern nicht auf die ordnungsgemäße und wirksame Bevollmächtigung als Personalleiter zum Ausspruch von Kündigungen durch.

Obgleich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts Rechtssicherheit für größere Unternehmen im Zusammenhang mit dem Ausspruch von Kündigungen schafft, sollte stets mit größter Sorgfalt darauf geachtet werden, dass die Kündigungserklärung ausschließlich von entsprechend vertretungsberechtigten Personen im Einklang mit den Vertretungsregelungen des Unternehmens unterzeichnet wird. Existiert im Unternehmen ein Personalleiter, sollten die Arbeitnehmer nachweisbar über die Person des Personalleiters und dessen Befugnis zum Ausspruch von Kündigungen in Kenntnis gesetzt werden. Bestehen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Vertretungsbefugnis der die Kündigungserklärung unterzeichnenden Personen Zweifel, sollte der Kündigungserklärung eine entsprechende Vollmachtsurkunde im Original beigefügt werden. Ist der Personalleiter zugleich zum Gesamtprokuristen bestellt, sollte er Kündigungserklärungen, um Missverständnisse und Unsicherheiten zu vermeiden, nicht mit dem Zusatz „ppa“, sondern in seiner Funktion als Personalleiter unterzeichnen.
 

Vorinstanz

Arbeitsgericht Herne, Urteil vom 30.10.2012, 4 Ca 1237/12
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 16.05.2013, 17 Sa 1708/12

Fundstelle

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.09.2014, 2 AZR 567/13

Ihr Ansprechpartner

Dr. Martin Döpner
Manager

mdoepner@deloitte.de
Tel.: 0211 8772-3107

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