BAG: Elternzeit – Urlaub darf nicht nachträglich gekürzt werden
Eine vom Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgenommene Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen vorheriger Inanspruchnahme von Elternzeit ist unwirksam.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmerin standen bei einer Fünftagewoche 36 Urlaubstage im Kalenderjahr zu. Im Anschluss an die Geburt ihres Sohnes im Dezember 2010 beanspruchte sie ab Mitte Februar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 15. Mai 2012 Elternzeit. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte die Arbeitnehmerin die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Im September 2012 kürzte der Arbeitgeber ihren Erholungsurlaub wegen Elternzeit nach § 17 Abs. 1 BEEG um 1/12 pro Kalendermonat der Elternzeit. Die Arbeitnehmerin erhob Klage auf Abgeltung ihres Resturlaubs.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Hamm urteilte im Juni 2013, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, welcher dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, nicht mehr nach § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG um 1/12 für jeden vollen Monat der Elternzeit kürzen. Das BAG bestätigte mit seiner Entscheidung (Urteil vom 19. Mai 2015, Az.: 9 AZR 725/13) dieses zweitinstanzliche Urteil.
Die Kürzungsbefugnis setze voraus, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erholungsurlaub tatsächlich noch habe. Daran fehle es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet sei und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe.
Der zuständige 9. Senat des BAG gibt damit seine Rechtsprechung auf, wonach der Arbeitgeber auch noch nachträglich zur Kürzung des Urlaubs bzw. indirekt der Urlaubsabgeltung berechtigt ist. Grund hierfür ist, dass die vorherige Rechtsprechung auf der nun nicht mehr vertretenen Surrogationstheorie, beruhte. Nach dieser war der Abgeltungsanspruch ein Surrogat, also Ersatz, des Urlaubs. Nunmehr wird der Urlaubsabgeltungsanspruch jedoch als reiner Geldanspruch angesehen.
Betroffene Norm
§ 17 Abs. 1 BEEG
Anmerkungen
Das Urteil des BAG verdeutlicht, dass es für Arbeitgeber ratsam ist, die oftmals geübte Praxis, die Kürzungserklärung hinsichtlich der Urlaubsansprüche in der Elternzeit nicht nur konkludent, sondern ausdrücklich abzugeben. Es empfiehlt sich, diese Erklärung schon in das Bestätigungsschreiben aufzunehmen, mit welchem auf den Antrag der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch nehmen zu wollen, reagiert wird. Nur so kann die unliebsame Überraschung vermieden werden, Urlaubsansprüche nach Beendigung der Elternzeit in ungekürztem Umfang abgelten zu müssen, sollte das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich enden.
Vorinstanz
LAG Hamm, Urteil vom 27. Juni 2013, Az.: 16 Sa 51/13