BAG: Arbeitnehmer müssen in der Regel geeignete Tatsachen darlegen und beweisen, wollen sie gerichtlich eine Verbesserung des erteilten Arbeitszeugnisses erreichen
Erteilt der Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis mit der Leistungs- und Führungsbeurteilung „befriedigend“ (Erfüllung der übertragenen Aufgaben „zur vollen Zufriedenheit“) oder besser und beansprucht der Arbeitnehmer in einem Zeugnisrechtsstreit eine bessere Beurteilung, so hat er entsprechende Leistungen vorzutragen und im Bestreitensfall auch zu beweisen. Dies gilt unabhängig von branchenspezifisch unterschiedlichen Beurteilungsgewohnheiten.
Sachverhalt
Die Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis, in der die Klägerin etwa ein Jahr lang im Empfangsbereich und als Bürofachkraft beschäftigt war. Zu den Tätigkeiten der Klägerin zählten neben der Organisation der Praxis die Betreuung der Patienten, die Vergabe von Terminen, die Führung und Verwaltung der Patientenkartei, die Ausfertigung von Rechnungen sowie die Aufstellung von Dienst- und Urlaubsplänen.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte die Beklagte ein Arbeitszeugnis mit der Leistungsbewertung „zur vollen Zufriedenheit“. Die Klägerin war mit dieser Beurteilung nicht einverstanden und verlangte ein Arbeitszeugnis mit der Leistungsbewertung „stets zur vollen Zufriedenheit“.
Die Klägerin hatte vor dem Arbeitsgericht wie auch in der Berufungsinstanz vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab der Beklagten Recht.
Entscheidung
Das BAG bestätigte seine ständige Rechtsprechung zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in Zeugnisrechtsstreiten. Nach dieser Rechtsprechung ist Ansatzpunkt der Verteilung die Note „befriedigend“ als mittlere Note der Bewertungsskala. Wird eine bessere Bewertung als die Schulnote „befriedigend“ verlangt, trifft den/die Arbeitnehmer(-in) die Darlegungs- und Beweislast. Darzulegen ist, dass den Anforderungen gut oder sehr gut entsprochen wurde. Gelingt diese Darlegung- bzw. im Bestreitensfall der Beweis nicht zur Überzeugung des Gerichts, so wird die Klage abgewiesen.
Umgekehrt trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dann, wenn er ein Zeugnis erteilt, das die Leistung des Arbeitnehmers schlechter als „befriedigend“ bewertet. Der Arbeitgeber muss dann Tatsachen vortragen und beweisen, die eine solche Beurteilung rechtfertigen.
Anders als die Vorinstanzen betont das BAG, dass die Beweislastverteilung nicht davon abhängt, in welcher Anzahl gute oder sehr gute Zeugnisse erteilt werden. Die Vorinstanzen hatten im Hinblick darauf, dass in ca. 90% aller Fälle gute oder sehr gute Zeugnisse erteilt werden, die Darlegungs- und Beweislast nahezu stets zu Lasten der Arbeitgeber verteilt. Auch spielen insoweit branchenspezifisch unterschiedliche Beurteilungsgewohnheiten keine Rolle.
Betroffene Norm
§ 109 Abs. 1 GewO
Anmerkungen
Die Entscheidung des BAG bringt inhaltlich nichts Neues hat aber große praktische Bedeutung. Denn das BAG beendet mit der Entscheidung eine vor allem im Norden und Osten der Bundesrepublik Deutschland verbreitete instanzrechtliche Rechtsprechung. Nach dieser mussten Arbeitgeber im Ergebnis selbst ein mit der Schulnote „gut“ erteiltes Zeugnis rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer hiermit nicht einverstanden war. Denn die Arbeitgeber traf nach der instanzrechtlichen Rechtsprechung die Darlegungs- und Beweislast, dass die vom Arbeitnehmer beanspruchte bessere Beurteilung nicht zutreffend sei.
In der Praxis führte dies häufig dazu, dass Arbeitgeber große Zugeständnisse machten, um Zeugnisrechtsstreite durch Vergleich beenden zu können. Denn es sollte vermieden werden, weitere Zeit und Kosten für langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen aufzuwenden. Dies wiederum führte zu einer Verwässerung der Aussagekraft der Arbeitszeugnisse, da die vergleichsweise erteilten Zeugnisse häufig beschönigend waren. Letztlich schadete die instanzrechtliche Rechtsprechung der Gesamtheit der Arbeitnehmer.
Fazit
Die insoweit klarstellende Entscheidung des BAG ist zu begrüßen. Sie stellt eine einheitliche Rechtsprechung sicher und beseitigt die eingetretene zunehmende Verwässerung der Aussagekraft der Arbeitszeugnisse.
Vorinstanz
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.03.2013 - 18 Sa 2133/12
Fundstelle
BAG, Urteil vom 18.11.2014 – 9 AZR 584/13