BGH: Anforderungen an qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarungen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Entscheidung vom 5. März 2015 (IX ZR 133/14) zur Rechtsnatur sowie zu den Anforderungen an eine qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung Stellung genommen. Die Entscheidung, die sich auf ein vieldiskutiertes Sanierungsinstrument bezieht, wird von erheblicher Auswirkung auf die Praxis sein.
Zur Vermeidung einer Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne werden häufig sog. Rangrücktrittserklärungen bzw. richtiger Rangrücktrittsvereinbarungen abgeschlossen.
Die Folge einer Rangrücktrittsvereinbarung ist im Wesentlichen, dass die von dem Rücktritt im Rang erfasste Verbindlichkeit in einem für die Frage der insolvenzrechtlichen Überschuldung aufzustellenden Überschuldungsstatus nicht passiviert werden muss, und sich die Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz um die im rangzurückgetretenen Verbindlichkeiten reduzierten und somit - sofern der Rangrücktritt weit genug ist – eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne nicht gegeben ist.
Eine gesetzliche Regelung für die Ausgestaltung von Rangrücktrittsvereinbarungen liegt nicht vor, in der Insolvenzordnung wird lediglich auf Rangrücktrittsvereinbarungen verwiesen, ohne aber genaue Anforderungen an den Inhalt zu definieren.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Entscheidung vom 5. März 2015 (IX ZR 133/14) zur Rechtsnatur sowie zu den Anforderungen an eine qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung nun Stellung genommen. Die Entscheidung ist von erheblicher Auswirkung für die Praxis.
Sachverhalt
Der Insolvenzverwalter der Schuldnerin (GmbH) verfolgt im Wege der Klage Erstattung von Zahlungen, die die Schuldnerin im Zeitpunkt der bereits bestehenden Überschuldung an die Beklagte gezahlt hat. Bei den Zahlungen handelt es sich um Zinszahlungen in Höhe von rund EUR 342.000,-- im Rahmen einer Mezzanine-Finanzierung.
Die Schuldnerin hatte in den Jahren 2006 und 2007 mit den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten eine Genussrechtsvereinbarung sowie ein Darlehen abgeschlossen, die beide mit einem Rangrücktritt versehen sind. Weder die Beklagte noch ihre Rechtsvorgängerinnen sind bzw. waren Gesellschafterinnen der Schuldnerin. Die jetzige Beklagte ist durch Vertragsübernahme in die Verträge eingetreten und hat im Zeitraum Januar bis März 2008 die vorgenannten Zinszahlungen erhalten.
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde im Juni 2008 beantragt um im Oktober desselben Jahres eröffnet.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage des Klägers jeweils ab.
Entscheidung
Der BGH stellt in seiner Entscheidung zunächst klar, dass die Regelungen der Insolvenzordnung, die sich mit dem Rangrücktritt beschäftigen, also § 19 Abs. 2 Satz 2 und § 39 Abs. 2 InsO auch dann zur Anwendung kommen, wenn der Rangrücktritt nicht durch Gesellschafter, sondern seitens außenstehender Dritter, wie im vorliegenden Fall durch Mezzanine-Kreditgeber, gewährt wird.
Im Folgenden geht der BGH auf die Anforderungen ein, die eine qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung erfüllen muss, um eine Überschuldung zu vermeiden. Diesbezüglich bestätigt der BGH, dass die Anforderungen, die bis zum Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (MoMiG) am 1. November 2008 galten, im Wesentlichen auch für Rangrücktritte nach den neuen Regelungen gelten. Somit muss sich ein Rangrücktritt sowohl auf den Zeitraum vor als auch nach Insolvenzeröffnung erstrecken. Des Weiteren muss in der Vereinbarung klargestellt sein, dass die Forderungen der nachrangigen Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den Forderungen der übrigen Gläubiger, die keinen Rangrücktritt vereinbart haben, befriedigt werden dürfen. Hinsichtlich der sogenannten „Rangtiefe“ hält es der BGH nach den jetzt geltenden Regelungen für ausreichend, dass ein Rangrücktritt hinter die Forderungen aus § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO erklärt wird. Die Gleichstellung mit den Einlagerückgewähransprüchen der Gesellschafter soll nicht mehr erforderlich sein. In Bezug auf die Dauer des Rangrücktritts ist es für die Vermeidung einer Überschuldung erforderlich, dass der Rangrücktritt zeitlich unbegrenzt erklärt wird. Der BGH bestätigt zudem, dass der Nachrang nicht lediglich die Hauptforderung erfasst, sondern sich vielmehr auch auf Zinsen und Nebenforderungen erstreckt.
Die Frage nach der Rechtsnatur des Rangrücktritts beantwortet der BGH dahingehend, dass es sich bei der Rangrücktrittsvereinbarung um einen dinglichen Schuldänderungsvertrag (§ 311 Abs. 1 BGB) handelt, der zwar nicht den Bestand der Forderung, aber deren Rang ändert. Danach wird das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis dahingehend geändert, dass der Gläubiger Befriedigung seiner Forderung nur dann verlangen kann, wenn entsprechend freies Vermögen beim Schuldner vorhanden ist. Besteht hingegen Insolvenzreife, ist eine Tilgung nicht zulässig und der Gläubiger hat keinen Anspruch auf Befriedigung.
Diese rechtliche Einordnung hat nach der Entscheidung des BGH zur Folge, dass Zahlungen an nachrangige Gläubiger, die im Zeitpunkt der Insolvenzreife erfolgt sind, ohne Rechtsgrund geleistet werden und nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts, insbesondere § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB, zurückgefordert werden können. Eine Rückforderung kann dann ausgeschlossen sein, wenn der Leistende weiß, dass er auf eine Nichtschuld leistet (§ 814 BGB). Erforderlich ist jedoch eine wissentliche und freiwillige Leistung auf eine Nichtschuld.
Weiterhin führt der BGH aus, dass aufgrund dieser rechtlichen Einordnung Zahlungen, die während des vom Rangrücktritt erfassten Zeitraumes getätigt werden, als unentgeltliche Leistungen nach § 134 InsO zurückgefordert werden können. Der Begriff der Unentgeltlichkeit wird im Insolvenzrecht weit ausgelegt und immer dann bejaht, wenn dem Vermögensabfluss keine entsprechende Vermögensmehrung beim Schuldner gegenübersteht. Dies bejaht der BGH für den Fall der Leistung auf eine Nichtschuld. Die Anfechtung erstreckt sich auf alle Zahlungen, die in einem Zeitraum von vier Jahren vor Antrag auf Insolvenzeröffnung getätigt wurden und ist auch möglich, wenn Bereicherungsansprüche wegen wissentlicher Leistung auf eine Nichtschuld ausgeschlossen sind.
Der BGH geht ebenfalls noch darauf ein, inwiefern eine getroffene Rangrücktrittsvereinbarung nachträglich aufgehoben werden kann. Diesbezüglich kommt er zu dem Ergebnis, dass es sich bei Rangrücktrittsvereinbarungen um Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, nämlich der übrigen derzeitigen und zukünftigen Gläubiger der Schuldnerin, handelt (§ 328 Abs. 2 BGB). Das sich daraus zugunsten der Gläubiger ergebende Schutzinteresse verbietet es den Parteien, die Rangrücktrittsvereinbarung ohne deren Mitwirkung aufzuheben. Eine entsprechende Aufhebung ohne Gläubigerbeteiligung ist somit entsprechend der vorliegenden Entscheidung nur möglich, wenn bei der Schuldnerin keine Insolvenzreife vorliegt oder diese beseitigt ist.
Unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidung hat der BGH die Sache mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Insbesondere muss das Berufungsgericht feststellen, ob im Zeitpunkt der Zahlungen bereits Insolvenzreife bei der Schuldnerin vorlag.
Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung des BGH enthält zu wichtigen Punkten, insbesondere zu Ausgestaltung, Rangtiefe, Dauer und Rechtsnatur des Rangrücktritts, Aussagen, die bislang im Rahmen der Gestaltung von Rangrücktrittsvereinbarungen ungeklärt oder umstritten waren. Für die künftige Gestaltung schafft der BGH somit weitgehend Rechtssicherheit.
Im Hinblick auf bestehende Rangrücktrittsvereinbarungen ist zu raten, diese im Hinblick auf die aktuelle Entscheidung zu überprüfen, insbesondere dann, wenn sich die Schuldnerin in finanziellen Schwierigkeiten befindet.
Insbesondere für außenstehende Dritte, die einen entsprechenden Rangrücktritt vereinbart haben oder dies in Erwägung ziehen, dürften die Ausführungen hinsichtlich der Einordnung als Vertrag zugunsten Dritter und der damit zusammenhängenden Auswirkungen auf die Aufhebbarkeit von Rangrücktritten von Bedeutung sein. Denn, anders als bei Gesellschaftern, sind deren Beziehungen zur Schuldnerin in der Regel von vornherein von begrenzter Dauer. Sollte es zum Ende der Geschäftsbeziehung um die finanzielle Situation der Schuldnerin nicht günstig bestellt sein, besteht die Gefahr, dass die Rangrücktrittsvereinbarung nicht beendet wird und die Rückzahlung der Forderungen nicht erfolgen kann. Das war unter Umständen bereits vor der BGH-Entscheidung der Fall, wird nun aber ausdrücklich klargestellt. Daher sollte genau geprüft werden, ob eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung in Bezug auf alle Gläubiger wirklich erforderlich ist, oder ob es, zum Beispiel im Falle von Mezzanine-Kreditgebern, ausreicht, hinter die Forderungen einzelner Gläubiger wie Senior-Kreditgeber zurückzutreten.
Da ein entscheidender Faktor des Rangrücktritts auch die steuerliche Behandlung der entsprechenden Forderung ist, nämlich dass die Forderung nicht erfolgswirksam ausgebucht wird, wäre wünschenswert, dass die Aussagen des BGH vom Bundesfinanzhof ebenfalls akzeptiert werden und mit der entsprechenden Gestaltung von Rangrücktritten auch die gewünschte steuerrechtliche Wirkung erzielt werden kann.