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31.10.2014
Transfer Pricing

Steuervermeidung oder kaufmännische Gestaltungsfreiheit? Die Anwendungsmöglichkeiten des Five-Forces-Modells nach Porter in der Steuerstrategie

Gerade im Lichte der aktuellen BEPS-Initiativen wie das Country-by-Country Reporting, im Rahmen dessen die Finanzbehörden Zugriff auf Massen an undifferenzierten und schematischen Daten erhalten, gewinnt eine gut durchdachte und auf den individuellen Fall angepasste Markt- und Wettbewerbsanalyse an Bedeutung. Eine Möglichkeit zur Systematisierung, die faktisch alle von den VGV geforderten Aspekte berücksichtigt und bislang vor allem im strategischen Management eingesetzt wurde, besteht im Modell der fünf Marktkräfte nach Porter.

1. Einleitung

Dass multinational tätige Konzerne von Verrechnungspreisgestaltung zusammen mit anderen aggressiven Steuerplanungsstrategien profitieren und dadurch die Konzernsteuerquote erheblich senken können, ist seit langem kein Geheimnis. Gleichzeitig ist es keine neue Aufgabe für den Fiskus, unter Beachtung der Standortattraktivität Steueraufkommen vor willkürlicher Verrechnungspreispolitik zu schützen. Als vor über zwei Jahren Europas Finanzminister ihren Kampf gegen die Steuertricks internationaler Konzerne starteten, stand insbesondere das Sparmodell „Double Irish with a Dutch Sandwich“ im Visier.

Davon motiviert wurde unter der Federführung des OECD-Projekts zur Bekämpfung von Steuerverkürzung und Gewinnverschiebung (Base Erosion and Profit Shifting, kurz: BEPS) den G20 Staaten im Februar 2013 ein erster umfassender Bericht über die Auswirkungen von Gewinnverlagerungen vorgelegt. Im Juli 2013 folgte ein Aktionsplan zur Verdeutlichung der Kernmaßnahmen gegen BEPS und im September 2014 wurden sieben überarbeitete Leitlinien unter Berücksichtigung der in der Zwischenzeit geführten Diskussionen veröffentlicht. Im Bereich der Verrechnungspreise soll u.a. eine angemessene Gewinnaufteilung zwischen verbundenen Unternehmen entsprechend der Wertschöpfung sichergestellt werden, die sowohl den Anforderungen der mittlerweile stark digitalisierten Wirtschaft einerseits als auch den nach wie vor human- und kapitalintensiven Bereichen gerecht wird.

Aus vorgenannten Gründen erhalten die Verrechnungspreise in Betriebsprüfungen internationaler Konzerne bereits seit Jahren eine immer größer werdende Bedeutung und rücken verstärkt in den Fokus. International und nach Maßgabe der OECD ist der Fremdvergleichsgrundsatz die Grundlage zur Bestimmung von Preisen für den konzerninternen Austausch von Gütern und Leistungen. Mit seiner Hilfe sollen letztlich Gewinne in den Ländern besteuert werden, in denen die tatsächliche Wertschöpfung stattgefunden hat. Im Mittelpunkt einer staatlich anerkannten Verrechnungspreispolitik liegt das Fremdvergleichsprinzip, dessen Umsetzung eine angemessene Markt- und Wettbewerbsanalyse voraussetzt. Diese ist aber gerade im Lichte der BEPS-Diskussion und der zu erwartenden Maßnahmen sowohl im Setting als auch in Testing nicht zu unterschätzen.

2. Dokumentationspflichten für Marktverhältnisse

Bereits in den Verwaltungsgrundsätzen von 1983 wird auf die Bedeutung der Marktverhältnisse zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise verwiesen. Gemäß Tz. 3.1.2.1 sind bei der Prüfung des Verrechnungspreises alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere die Verhältnisse des Marktes sowie die Wettbewerbssituation. Der weitgefasste Terminus der „Markt- und Wettbewerbsverhältnisse“ wurde im BMF-Schreiben vom 12.04.2005 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren, nachfolgend „VGV“) konkretisiert.

Gerade im Lichte der aktuellen BEPS-Initiativen wie das Country-by-Country Reporting, im Rahmen dessen die Finanzbehörden Zugriff auf Massen an undifferenzierten und schematischen Daten erhalten, gewinnt eine gut durchdachte und auf den individuellen Fall angepasste Markt- und Wettbewerbsanalyse an Bedeutung. Eine Möglichkeit zur Systematisierung, die faktisch alle von den VGV geforderten Aspekte berücksichtigt und bislang vor allem im strategischen Management eingesetzt wurde, besteht im Modell der fünf Marktkräfte nach Porter.

3. Das Porter-Modell

Um eine Markt- und Wettbewerbsanalyse durchführen zu können, muss in einem ersten Schritt der Begriff des Marktes definiert werden. Als solcher sei jeder, nicht zwangsweise physischen Ort zu verstehen, an dem Angebot und Nachfrage aufeinander treffen und an dem Waren und Dienstleistungen getauscht werden. In einem zweiten Schritt ist der relevante Markt zu definieren. Nach Knieps müssend dabei zwei Ausprägungen bedacht werden: Dies ist zum einen die räumliche Dimension (wo wird gehandelt?) und zum anderen die Produktdimension (was wird gehandelt?). Einige Autoren weisen außerdem noch auf die zeitliche Abgrenzung hin (wann wird/wurde gehandelt?).

Das zentrale Ziel unserer Analyse nach Porter ist die Abschätzung der erzielbaren Renditen in einer Branche (die ihre Produkte auf dem relevanten Markt anbietet), indem den strukturellen Merkmalen und folglich der Wettbewerbssituation die maßgebliche Rolle zugesprochen wird.

Im Porter-Modell werden insgesamt fünf Marktkräfte diskutiert, die jeweils ein bestimmtes Bedrohungspotential für einen bestehenden Anbieter haben können. Je höher das kumulierte Bedrohungspotential, desto geringer ist die zu erwartende Rendite, die auf dem Markt realisiert werden kann bzw. desto geringer ist die Branchenattraktivität. Anders ausgedrückt: Ein hohes Bedrohungspotential geht einher mit schwierigen Markt- und Wettbewerbsverhältnissen und dementsprechend mit geringeren Renditen. Die folgende Grafik illustriert die fünf Kräfte, die im Modell berücksichtigt werden.

Abbildung: Struktur des Porter-Modells (eigene Darstellung)

Obwohl das Modell bereits vor mehr als 30 Jahren entwickelt wurde, erfreut es sich vor allem auf Grund seiner pragmatischen Ausrichtung bis heute hoher Beliebtheit und Bedeutung, vor allem aber nicht nur im strategischen Management.

4. Möglichkeiten zur praktischen Anwendung des Porter-Modells

Einer der zentralen Vorteile des Porter-Modells ist der hohe Deckungsgrad, den es gegenüber der Analyse der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse gemäß GAufzV und VGV aufweist. Insbesondere die in der VGV gewählten Begrifflichkeiten zeigen den originär industrieökonomischen Charakter der Anforderungen. Demnach eignet sich der Ansatz prinzipiell sowohl für eine ex-ante Analyse („Setting“, Festsetzung der Verrechnungspreise) als auch für eine ex-post Analyse („Testing“, Überprüfung der Verrechnungspreise).

Ein teilstandardisiertes Vorgehen zur Wettbewerbsanalyse kann z.B. folgende Schritte beinhalten:

  • Präzise Abgrenzung und Definition des relevanten Marktes mit Hilfe der o.g. Kriterien
  • Eigene Erhebung von Marktdaten und/ oder Erfassung von Sekundärinformationen (bspw. Informationen, die durch Branchenverbände publiziert werden)
  • Durchführen einer Analyse mit Hilfe der fünf Kräfte von Porter (vgl. folgender Abschnitt)

Allgemein gibt es eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten, wobei der große Vorteil des Porter-Modells darin besteht, dass sich die Analyse der Verrechnungspreise auf ein etabliertes langlebiges Denkmodell berufen kann, das sich zudem einer hohen internationalen Akzeptanz erfreut. Exemplarische Einsatzmöglichkeiten sind:

  • Zur schlichten systematischen Erfüllung der Dokumentationsanforderungen im Rahmen der GAufzV. Die Analyse entlang eines etablierten betriebswirtschaftlichen, intuitiven Denkmodells ist in aller Regel verwertbar.
  • Definition des relevanten Marktes für Fremdvergleichsanalysen. Dies umfasst z.B. die Festlegung geeigneter NACE Codes in Benchmarking Studien oder die alternative Verprobung von Verrechnungspreisen auf Märkten, die auf den ersten Blick gar nicht als relevant angesehen werden (z.B. Märkte in denen Substitute gehandelt werden).
  • Einengung der Bandbreite denkbarer Verrechnungspreise und Bestimmung genauerer Zielwerte, z.B. bei Benchmarking-Studien oder wenn Fremdvergleichswerte direkt aus Marktdaten bezogen werden können .
  • Festlegung des wahrscheinlichsten Wertes im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs bei Funktionsverlagerungen durch die Bestimmung von Marktmacht und das Herausarbeiten einer wahrscheinlichen Verhandlungslösung.
  • Verteidigung von Dauerverlusten, soweit diese auf marktspezifische Umstände zurückgeführt werden können (§ 5 Nr. 5 GAufzV) und nicht aus einer konzernweiten Strategie zur Vermeidung von Gewinnen in Hochsteuerländern resultieren.
  • Begründung von marktbedingten Übergewinnen, soweit diese auf marktspezifische Umstände zurückgeführt werden können.
  • Verprobung von Geschäftsplänen. Von Unternehmen erstellte Geschäftspläne sind zumeist übermäßig optimistisch, um eine Freigabe durch das Management zu erleichtern, und sollten vor Implementierung eines Verrechnungspreissystems sorgsam geprüft werden.
  • Definition relevanter Marktumstände, die im Rahmen einer Unternehmensstrategie zu beachten sind. Auf dieser Basis kann eine Objektivierung einer Wertschöpfungsbeitragsanalyse gelingen, die im Hinblick auf die als relevant erachteten Marktumstände die Verantwortlichkeiten im Konzern (Entscheidungsgewalt, ausgeübte Funktionen, eingesetzte Wirtschaftsgüter, getragene Risiken) zuordnet. Eine detaillierte Wertschöpfungsbeitragsanalyse ist insbesondere im Zusammenhang mit der Anwendung der Gewinnaufteilungsmethode notwendig.

5. Fazit

Mit dem Five-Forces-Modell nach Porter existiert ein intuitives und weitläufig als Konvention anerkanntes Instrument zur Analyse der Branchenstruktur, das nicht steuerfokussiert ist. Es kann praktisch ohne Adaptionen zur qualitativen Analyse der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse im Rahmen der Bestimmung und Überprüfung von Verrechnungspreisen eingesetzt werden. Es ist in der Lage, eine Struktur vorzugeben, mit deren Hilfe die Anforderungen der Steuerbehörden an die Darstellung regelmäßig erfüllt werden können.

Ferner ist dieser Ansatz auch zur Untermauerung und Verfeinerung der Steuerplanung geeignet. In diesem Zusammenhang kann das Modell genutzt werden, um gegenüber den Finanzbehörden auch ungewöhnliche Modelle hinsichtlich ihrer ökonomischen Begründung zu erläutern und zu zeigen, dass solche Sachverhalte eben nicht vorrangig steuergetrieben sind. Die systematische Analyse hilft dabei, erzielte Ergebnisse zu hinterfragen, die Planungsgenauigkeit zu verbessern und eine betriebswirtschaftlich fundierte Begründung von Verrechnungspreisen zu erwirken. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen BEPS-Initiativen und aggressiv auftretenden Finanzverwaltungen existiert damit ein pragmatischer und systematischer Ansatz, der sowohl zur Planung als auch Dokumentation und Verteidigung genutzt werden sollte.

Fundstellen

Knieps, G. (2008): Wettbewerbsökonomie, 3. Auflage, Berlin/Heidelberg/New York, S. 48.
Krusche, D. (1961): Marktverhalten und Wettbewerb. Eine Untersuchung zum Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Berlin, S. 23 und Herresthal, E. (1983): Die Praxis der Mittelstandskooperation nach § 5b GWB, Berlin, S. 72.
Becker, F. G; Fallgatter, M. J: (2005): Strategische Unternehmensführung, 2. Auflage, Berlin, S. 74.
Für eine ausführlichere Darstellung des Modells empfehlen wir dem interessierten Leser Porter, M. E. (2008): The Five Competitive Forces That Shape Strategy, in: Harvard Business Review, Januar 2008.
 

Ihre Ansprechpartner

Prof. Dr. Markus Breuer
SRH Hochschule Heidelberg, Professor

markus.breuer@hochschule-heidelberg.de
Tel.:

Julia Gehri
Director

jugehri@deloitte.de
Tel.: 0711 16554-7419

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