Produktionsverlagerungen und ihre steuerlichen Auswirkungen aus Verrechnungspreissicht
Im Zuge der fortwährenden Optimierung der Produktion kommt es immer wieder zu Verlagerungen. Steuerlich kann es sich hierbei um Funktionsverlagerungen handeln, für die ggf. eine Kompensation zu zahlen – und zu versteuern – ist. In diesem Artikel soll eine Fokussierung auf die verrechnungspreisspezifischen Auswirkungen anhand von Beispielen möglicher Verlagerungsszenarien aus deutscher Sicht vorgenommen werden.
1. Gründe für Produktionsverlagerungen
Im Zuge der fortwährenden Optimierung der Produktion kommt es immer wieder zu Verlagerungen. Steuerlich kann es sich hierbei um Funktionsverlagerungen handeln, für die ggf. eine Kompensation zu zahlen – und zu versteuern – ist. In diesem Artikel soll eine Fokussierung auf die verrechnungspreisspezifischen Auswirkungen anhand von Beispielen möglicher Verlagerungsszenarien aus deutscher Sicht vorgenommen werden.
2. Produktionsverlagerung im Fall von Auftragsfertigung
Sachverhalt
Die Unternehmensgruppe ABC stellt unter anderem die technisch und funktional eng verwandten Produkte A und B her. Entrepreneur E hält für beide Produkte das produktionsspezifische IP und stellt dieses seinen Tochtergesellschaften (TG) A und B im Rahmen einer Auftragsfertigung zur Verfügung. TG A und TG B fertigen jeweils zu 50% Produkt A und zu 50% Produkt B, wobei sie für ihre Produktionstätigkeit eine fremdübliche Vergütung auf Vollkostenbasis plus 5% Marge erhalten. Aufgrund von Effektivitätsüberlegungen wird nun die Produktion von Produkt B von TG A zu TG B verlagert. TG B verlagert daraufhin die Produktion von Produkt A zu TG A. Damit hat TG A die Produktion für Produkt A vollständig übernommen und TG B fertigt nun Produkt B vollständig. Die Kapazitätsauslastungen betragen bei TG A und B (wie vor der Verlagerung) 100%, die Vergütung (Cost+5%) bleibt bestehen, Wirtschaftsgüter wie z.B. Teile des Anlagevermögens werden nicht übertragen.
Steuerliche Einordnung
Eine Funktionsverlagerung liegt vor, wenn ein Unternehmen einem anderen nahe stehenden Unternehmen Wirtschaftsgüter, sonstige Vorteile, sowie Chancen und Risiken überträgt (vgl. § 1 Abs. 3 S. 9 AStG i.V.m. § 1 Abs. 2 FVerlV). Im beschriebenen Fall ist bereits zweifelhaft, ob mit der Verlagerung der Routinefunktionen „Produktion für Produkt A und B“ eine Funktionsverlagerung überhaupt besteht, wenn mit der Verlagerung keine Wirtschaftsgüter, Chancen, Risiken oder sonstige Vorteile einhergehen. Entscheidend ist hier also zunächst die Frage, ob in der Produktion von Produkt A und Produkt B jeweils einzelne Funktionen zu sehen sind, die über Kreuz verlagert werden, oder ob auf die Auftragsfertigung insgesamt abzustellen ist.
Da das IP nicht mit der Funktion übertragen wird, sondern weiterhin bei Entrepreneur A verbleibt und die Chancen und Risiken, die mit der Produktion verbunden sind, sich weiterhin nicht ändern (TG B und C bleiben Auftragsfertiger und werden weiterhin mit Cost+5% vergütet), könnte argumentiert werden, dass mit der Verlagerung keine immateriellen Wirtschaftsgüter, Chancen, Risiken oder sonstige Vorteile übertragen werden. Zudem führen TG A und TG B vor und nach der Restrukturierung Produktionstätigkeiten aus, sodass diese Funktionen weiterhin erhalten bleiben und nicht verlagert werden.
Die Finanzverwaltung definiert Funktionen tätigkeits- und objektbezogen anhand der verwendeten Wirtschaftsgüter und zerlegt damit Funktionen z. B. anhand von Produktgruppen in ihre kleinsten Bestandteile. Für diesen Fall könnte sich die Finanzverwaltung auf den Standpunkt stellen, dass die Produktion von Produkt A und B und somit die zugehörigen produktspezifischen Chancen und Risiken übertragen werden und somit die erläuterten Kriterien der Funktionsverlagerung erfüllt wären, sodass eine Bewertung grundsätzlich auf Basis des Transferpaketansatzes zu erfolgen habe (vgl. § 1 Abs. 3 S. 9 ff AStG).
Im Falle einer Übertragung von Routinefunktionen könnten zudem auch die sog. „Escape-Klauseln“ (vgl. § 1 Abs. 3 S. 10 AStG) greifen, so dass eine Einzelbewertung der ggf. übertragenen Wirtschaftsgüter zulässig wäre. Die 1. Alternative (keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter sind Gegenstand der Funktionsverlagerung) wurde vom Gesetzgeber als ein Ausweg aus der Transferpaketbetrachtung geschaffen. In der Literatur wird auf dieser Grundlage gefordert, dass auf eine Transferpaketbewertung verzichtet werden kann, wenn die Funktion auf ein Routineunternehmen verlagert wird, welches die Funktion ohne Übernahme wesentlicher Chancen und Risiken ausübt und dafür einen Gewinn erzielt, der zwar stabil aber relativ gering ist. Dies wäre im vorliegenden Fall gegeben, indem zwei Routinefunktionen in Form von der Auftragsfertigung ähnlicher Produkte über Kreuz verlagert werden. Da keine Wirtschaftsgüter verlagert werden, wäre auch eine Einzelbewertung obsolet.
3. Produktionsverlagerung im Fall von Eigenproduzenten
Sachverhalt
In einem abgewandelten Sachverhalt gibt es keinen Entrepreneur E und die beiden Tochtergesellschaften A und B halten selbst das produktionsspezifische IP für die Produkte A und B.
Steuerliche Einordnung
Anders als im Beispielfall oben ist davon auszugehen, dass immaterielle Wirtschaftsgüter, Chancen, Risiken und sonstige Vorteile übertragen oder zumindest zur Nutzung überlassen werden. Bei beiden TG kommt es zu einer Einschränkung der Funktion, auch wenn es durch die Verlagerungen auch gleichzeitig zu einer Ausweitung einer anderen Funktion kommt. Beide Tochtergesellschaften halten das produktspezifische IP für die Produkte A und B und es kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Verlagerung der Produktion ggfs. immaterielle Wirtschaftsgüter, vor allem aber Geschäftschancen und -Risiken und sonstige Vorteile mit übergehen. Weiterhin erfolgt die Vergütung der Tochtergesellschaften nicht als Auftragsfertiger anhand der Kostenaufschlagsmethode sondern als Eigenproduzenten anhand der durch den Verkauf erzielten Marge. Da die Produkte A und B eine unterschiedliche Profitabilität aufweisen können und diese sich vor allem in Zukunft unterschiedlich entwickeln kann, sind die Chancen und Risiken einzeln zu betrachten.
Eine sich daraus ergebende Transferpaketbewertung für beide übertragenen Funktionen ist daher vorzunehmen, um eine angemessene Ausgleichszahlung für die jeweils abgebende Gesellschaft zu ermitteln. Grundlage für diese Bewertung ist der mit der Produktion verbundene Reingewinn nach Steuern. Dahingehend ist es durchaus möglich, dass sich der jeweilige Wert der beiden Funktionen unterscheidet und sich daher auch jeweils eine abweichende Ausgleichszahlung für die kreuzweisen Funktionsverlagerungen ergibt. Dies entspricht der allgemeinen Ansicht der Finanzverwaltung.
4. Exkurs Aggregation der Funktionsverlagerung
Durch die beiden Sachverhalte wird klar, dass bei der Auslegung der gesetzlichen Grundlagen zur Funktionsverlagerung im Zweifelsfall nicht nur auf Unterscheidungen in der Produktebene abzustellen ist, sondern dass für die Aggregationsstufe weiterhin auch andere Umstände des jeweiligen Einzelfalls wie beispielsweise das Funktions- und Risikoprofil der beteiligten Gesellschaften vor und nach der Verlagerung maßgeblich sind. Erschwerend kommt hinzu, dass es für die Anwendung und Auslegung der Kriterien für das Bestehen einer Funktionsverlagerung immer noch keine eindeutige und allgemein anerkannte Regelung gibt. Die Finanzverwaltung hat zwar festgehalten, dass sowohl auf die tätigkeitsbezogenen Merkmale einer Funktion als auch auf die objektbezogenen Merkmale einer Funktion abgestellt werden soll und insbesondere bei Produktionstätigkeiten verschiedene Funktionen bereits anhand unterschiedlicher Produkte abzugrenzen sind.
Dies darf aber nicht zu einer in der Praxis nicht mehr handhabbaren Aufsplitterung von betriebswirtschaftlich einheitlichen Vorgängen führen. Schließlich ist für die Berechnung von Transferpaketen erforderlich, eine Planrechnung mit und ohne Verlagerung für das abgebende und das aufnehmende Unternehmen zu erstellen. Die Grenze wird hier also durch die Segmentierbarkeit der Finanzzahlen gesetzt. Spätestens wenn eine Segmentierung in einzelne Produkte, einzelne Märkte o.ä. aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht mehr vorgehalten wird, sondern nur durch eine artifizielle indirekte Aufteilung auf Basis von Schlüsseln (z.B. Aufteilung der gesamten Produktionskosten anhand von Außenumsätzen zur Ermittlung von Länderclustern) erfolgen kann, dürfte der hohe Aufwand in keinem Verhältnis zur geringen Verlässlichkeit einer solchen Segmentierung stehen. Eine höhere Aggregationsstufe wäre in solchen Fällen angezeigt.
In einem solchen Fall ist zudem fraglich, ob eine für steuerliche Zwecke vorgenommene Segmentierung nicht der allgemeinen Verkehrsauffassung widerspricht, wenn ein fremder Dritter sehr wahrscheinlich keine unterschiedlichen Funktionen sehen würde. Hierfür spricht auch der Wortlaut des § 1 Abs. 7 S. 2 FVerlV: Eine Funktionsverlagerung liegt demnach nicht vor, wenn diese von einem unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde.