Zurück zur Übersicht
09.11.2022
Transfer Pricing

Implikationen aktueller Marktzinsentwicklungen für konzerninterne Finanztransaktionen

​Die Folgen der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen des vergangenen Jahres spiegeln sich neben der erhöhten Inflation insbesondere im angestiegenen Marktzinsniveau wider. Nach einer lang anhaltenden Phase stabiler Niedrigzinsen ist auf den globalen Kapitalmärkten seit dem Frühjahr 2022 ein starker Anstieg der Zinssätze zu verzeichnen. Da sich diese Entwicklungen maßgeblich auf Finanzierungsgeschäfte auswirken, sollten die Implikationen für konzerninterne Finanztransaktionen vor diesem Hintergrund kritisch geprüft werden.​ 

1. Entwicklung des Marktzinsniveaus

Seit Beginn der weltweiten Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2009 hat sich das Marktzinsniveau über mehr als ein Jahrzehnt durchgehend rückläufig entwickelt. Diese Entwicklung lässt sich insbesondere am Verlauf der Leitzinsen der großen Zentralbanken nachvollziehen. So hat beispielsweise die EZB die Leitzinsen im Euroraum seit 2008 von damals 4,25% bis 2016 auf 0% gesenkt. Erst am 21.07.2022 hob die EZB den Leitzins erstmalig wieder auf 0,5% und im Laufe der letzten Monate sukzessive auf mittlerweile 2,0% an (Stand: 07.11.2022). Ähnliche Entwicklungen können auch bei der US-amerikanischen Notenbank Fed beobachtet werden, welche ihren Leitzins im Laufe des aktuellen Jahres von 0,25% auf 4,00% erhöhte. Dieser Trend lässt sich auch anhand anderer Referenzgrößen veranschaulichen. Beispielsweise führte die Entwicklung des Marktzinsniveaus dazu, dass auch Interbankenzinssätze wie der EURIBOR – welcher häufig als Referenzzinssatz für variable Verzinsungen in Darlehensverträgen vereinbart wird – ab Mitte 2022 erstmals seit 2016 wieder über 0% lagen. Der Verlauf der Leit- und Interbankenzinsen im Zeitraum 2007 bis 2022 wird in der untenstehenden Grafik illustriert. Ebenso lässt sich das gestiegene Marktzinsniveau am Verlauf sog. Zinsstrukturkurven beobachten, welche die durchschnittliche Verzinsung von Unternehmensanleihen für bestimmte Branchen, Bonitäten, Währungen und Laufzeiten abbilden und häufig im Rahmen von Verrechnungspreisanalysen für die Ermittlung fremdüblicher Zinssätze für konzerninterne Finanzierungsgeschäfte herangezogen werden.

2. Auswirkungen auf Verrechnungspreise für konzerninterne Finanztransaktionen

Die aktuellen Zinsentwicklungen am Kapitalmarkt und die damit verbundenen Unsicherheiten können erhebliche Auswirkungen auf die Bestimmung fremdüblicher Verrechnungspreise für konzerninterne Finanzierungsgeschäfte haben. Neben der Frage nach einer fremdüblichen Verzinsung wirken sich diese Entwicklungen u.a. auch auf die Verschuldungskapazitäten („Debt Capacity“) sowie auf die Beurteilung fixer und variabler Zinsen aus. Im Folgenden sollen daher einige ausgewählte Aspekte im Zusammenhang mit konzerninternen Finanztransaktionen vor dem Hintergrund gestiegener Marktzinsen näher beleuchtet werden.

2.1. Konzerninterne Darlehenstransaktionen

Darlehensbetrag und Verschuldungskapazität des Darlehensnehmers

Die Entwicklungen des Marktzinsniveaus sind nicht nur für die Höhe eines fremdüblichen Zinssatzes relevant, sondern auch für die Frage nach einem fremdüblichen Darlehensbetrag vor dem Hintergrund der Verschuldungskapazität des Darlehensnehmers. Ein Anstieg des Marktzinsniveaus führt ceteris paribus zu einem Anstieg konzerninterner Zinsen. Es empfiehlt sich daher die Auswirkungen der damit einhergehenden höheren jährlichen Zinsbelastung auf die Schuldendienstfähigkeit des Darlehensnehmers auch bei der Festlegung des Darlehensbetrages genauer zu untersuchen (z.B. im Rahmen einer „Debt Capacity Analyse“). Dieser Aspekt sollte insbesondere berücksichtigt werden, wenn geplant wird neue Darlehen im Konzern zu vergeben oder wenn bestehende Darlehen in näherer Zukunft auslaufen und entsprechend refinanziert werden sollen. Einen weiteren Einflussfaktor in diesem Kontext stellt die gestiegene Inflation dar, welche im Einzelfall dazu führen kann, dass Investitionsbeträge, die über ein konzerninternes Darlehen finanziert werden sollen, höher ausfallen als ursprünglich geplant.

Variable vs. fixe Verzinsung

Ein weiterer Aspekt, der insbesondere dann relevant wird, wenn neue Darlehen im Konzern vergeben oder bestehende Darlehen auslaufen und refinanziert werden sollen, betrifft die Art der Verzinsung. Während grundsätzlich sowohl eine fixe als auch eine variable Verzinsung (d.h. Referenzzinssatz + Risikoaufschlag) denkbar sind, bieten variable Zinssätze den Vorteil, dass Schwankungen im Marktzinsniveau über die Vertragslaufzeit des Darlehens bis zu einem gewissen Grad über den Referenzzinssatz (z.B. EURIBOR) bereits widergespiegelt werden. Ein fixer Zinssatz hingegen bleibt in der Regel über die gesamte Vertragslaufzeit gleich, bietet allerdings den Vorteil der Planungssicherheit in Bezug auf die Zinsaufwendungen (z.B. im Hinblick auf Liquiditätsplanung und auf die Höhe abzugsfähiger Betriebsausgaben aus den Darlehenszinsen im Rahmen der Zinsschranke). Vor diesem Hintergrund nimmt die Analyse, welche der Darlehensparteien das Zinsänderungsrisiko trägt und welche Erwartungen diese bzgl. der zukünftigen Entwicklung des Zinsniveaus hat, eine herausgehobene Rolle ein: Auch wenn eine variable Verzinsung gewisse Nachteile bzgl. der Planungssicherheit mit sich bringt, könnten sich angesichts des aktuellen Marktumfeldes im Vergleich zu fixen Zinssätzen in Zukunft erhebliche Kosteneinsparungspotenziale für den Darlehensnehmer im Fall eines sinkenden Marktzinsniveaus ergeben, sodass entsprechende Abwägungen an dieser Stelle häufiger für die Anwendung variabler Zinssätze sprechen könnten.

​2.2. Cash Pools

Angemessenheit von vereinbarten Cash-Pool-Zinsen & (Ir-)Relevanz von Zinsuntergrenzen für Cash-Pool-Anlagen ​

Wie bereits zuvor erwähnt, waren globale Kapitalmärkte seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 durch rückläufige – und in den letzten Jahren sogar durch negative – Zinsen gekennzeichnet. Da Cash -Pool-Zinssätze (sowohl für Anlagen als auch Ausleihungen) in vielen Fällen während dieser Niedrigzinsphase bestimmt und festgelegt wurden, empfiehlt es sich deren Angemessenheit vor dem Hintergrund der aktuellen Marktzinsentwicklungen zu überprüfen. Erfahrungsgemäß sehen Cash-Pool-Vereinbarungen insbesondere für die Anlage liquider Mittel eine vertraglich vereinbarte Zinsuntergrenze (sog. „Floor“) vor, falls der Referenz- bzw. Anlagezins unter 0% liegen sollte. In Folge der Niedrigzinsphase kam in den vergangenen Jahren daher häufig eine Zinsuntergrenze von 0% für Cash-Pool-Anlagen zum Tragen. Die Anwendbarkeit dieser Untergrenze entfällt allerdings angesichts der gestiegenen Marktzinsen (insb. auch für kürzere Laufzeiten).

​Risiko bei nicht kurzfristigen Ausleihungen und Anlagen

Die Folgen des gestiegenen Marktzinsniveaus auf die Verzinsung von Cash-Pool-Anlagen und -Ausleihungen könnten des Weiteren dazu führen, dass insbesondere Fälle, in denen Mittel längerfristig in Cash Pools angelegt bzw. aus diesen entliehen werden im Rahmen von Betriebsprüfungen noch kritischer hinterfragt und dass etwaige Anpassungsbeträge durch die Betriebsprüfung noch größer werden.

Erhöhtes Aufgriffsrisiko in Betriebsprüfungen

Unabhängig von der Frage, inwiefern Anlagen und Ausleihungen im Einzelfall als kurzfristig zu charakterisieren sind, könnten insbesondere die gestiegenen Marktzinsen – je nach Verzinsung des Cash Pools – dazu beitragen, dass Cash Pools im Einzelfall genauer geprüft werden: Da im Rahmen des insgesamt steigendes Zinsniveaus Anlagezinssätze bislang weniger stark steigen als Zinssätze für Darlehen, erhöht sich das Zinsdifferenz zwischen Einlagen und Ausleihungen und damit der Gewinn des Cash Pools insgesamt (unter der Annahme unveränderter Salden).

3. Fazit​

Die aktuellen Marktzinsentwicklungen und die damit verbundenen Unsicherheiten (nicht zuletzt auch durch eine höhere Volatilität) bringen nicht nur Herausforderungen für Kapitalmarktakteure, sondern auch für die Bestimmung fremdüblicher Verrechnungspreise für konzerninterne Finanztransaktionen mit sich. Insbesondere in Fällen, in denen neue Konzerndarlehen vergeben oder bestehende und ggf. auslaufende Darlehen aktuell refinanziert werden sollen (bzw. müssen), kann die Zinsbestimmung vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Marktumfeldes längerfristige Implikationen haben. Auch für die Verzinsung von Cash Pools ergeben sich unmittelbare Folgen. Da weder die Entwicklungen des Marktzinsniveaus noch der Inflation mit Sicherheit vorhersehbar sind, stellen die aktuellen Marktbedingungen sowohl Steuerpflichtige als auch die Finanzverwaltung vor gewisse Herausforderungen bei der Bestimmung bzw. Prüfung fremdüblicher Verrechnungspreise für konzerninterne Finanztransaktionen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich nicht nur neu hinzukommende, sondern auch bestehende Vereinbarungen im Zusammenhang mit konzerninternen Finanztransaktionen regelmäßig zu prüfen, um deren fortlaufende Fremdüblichkeit sicherzustellen und potenziellen Aufgriffsrisiken im Rahmen von zukünftigen Betriebsprüfungen vorzubeugen.

Ihre Ansprechpartner

Nik Nolden
Director

nnolden@deloitte.de
Tel.: +49 211 8772 2849

Max Borgmann
Manager

mborgmann@deloitte.de
Tel.: +49 211 8772 3372

Ihre Ansprechpartner

Nik Nolden
Director

nnolden@deloitte.de
Tel.: +49 211 8772 2849

Max Borgmann
Manager

mborgmann@deloitte.de
Tel.: +49 211 8772 3372

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.