FG Düsseldorf: Gewinnabgrenzung bei ausländischen Rohrleitungsbetriebsstätten
Eine sachgerechte Gewinnaufteilung zwischen dem Stammhaus und ausländischen Betriebsstätten, die im Rahmen eines Betriebs eines Rohrfernleitungsnetzes zum Transport von Gütern begründet wurden, orientiert sich daran, mit welchem Teil der Rohrleitung welcher Umsatz erzielt worden ist.
Sachverhalt

Streitig ist, wie der Gewinn aus dem Betrieb eines Rohrfernleitungsnetzes auf Deutschland, Belgien und die Niederlande aufzuteilen ist.
Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft mit Sitz in Deutschland, betreibt ein Netz aus Rohrleitungen zum Transport von Gütern. Das Rohrleitungsnetz verläuft durch Deutschland, Belgien und die Niederlande und hat unstreitig zur Begründung von Betriebsstätten in Belgien und in den Niederlanden geführt.
Die Verwaltungszentrale der Klägerin befand sich im Streitjahr in Deutschland. Dort beschäftigte die Klägerin auch eigenes Personal. Die operative Steuerung der Rohrleitung erfolgt durch eine in den Niederlanden belegene "Betriebszentrale", welche durch einen externen Dienstleister mit dessen Personal betrieben wird. In Belgien oder in den Niederlanden beschäftigt die Klägerin kein eigenes Personal.
Nach Auffassung des Finanzamts entfällt auf die ausländischen Betriebsstätten lediglich eine kleine Routinevergütung, einem Mietzins vergleichbares Nutzungsentgelt. Dagegen war die Klägerin der Ansicht, dass den ausländischen Betriebsstätten ein deutlich höherer Gewinnanteil zuzurechnen ist.
Entscheidung
Das FG kommt – entgegen der Auffassung des Finanzamts – zu dem Ergebnis, dass die Aufteilung des Gesamtgewinns allein davon abhängt, welcher Umsatz mit den in Belgien bzw. in den Niederlanden verlaufenden Teile der Rohrleitungen erzielt worden ist.
Begründung einer Betriebsstätte
Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 30.10.1996, II R 12/92) handelt es sich bei einer unterirdisch verlaufenden Rohrleitung um eine Betriebsstätte im Sinne des § 12 S. 1 AO. Die Teilstücke des Rohrleitungsnetzes, die durch Deutschland, Belgien bzw. die Niederlande verlaufen, stellen mithin unselbständige Betriebsstätten im jeweiligen Land dar. Dies sei unstreitig.
Gewinnabgrenzung: Ausländische Teile der Rohrleitungen als eigenständige Unternehmen
Nach dem FG sehen die im Streitfall einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen für die Gewinnabgrenzung folgende Regelungen vor: der Betriebsstätte sollen diejenigen Einkünfte zugewiesen werden, „die sie erzielt hätte, wenn sie sich als selbständiges Unternehmen mit gleichen oder ähnlichen Geschäften unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen befaßte und Geschäfte wie ein unabhängiges Unternehmen tätigte“ (vgl. Art. 5 Abs. 3 DBA-NL 1959).
Das FG ist weiter der Auffassung, dass die Regelung, wonach bei der Gewinnzurechnung „die vom Unternehmen durch die Betriebsstätte und durch andere Unternehmensteile ausgeübten Funktionen, eingesetzten Wirtschaftsgüter und übernommenen Risiken zu berücksichtigen“ sind (vgl. Art. 7 Abs. 3 letzter HS. OECD-MA/ OECD-MK bzw. der sog. „Authorized OECD Approach (AOA)“) keine Anwendung findet, weil die im Streitfall anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommen vor den neueren OECD-Verlautbarungen verhandelt und abgeschlossen worden sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 25.05.2011, I R 95/10) und auch keine mit Art. 7 Abs. 2 letzter Halbsatz OECD-MA 2010 vergleichbare Regelung enthalten.
Folglich hängt nach dem FG die Aufteilung des Gesamtgewinns auf die betroffenen Länder allein davon ab, welchen Gewinn die beiden ausländischen Betriebsstätten erzielt hätten, wenn sie die zu ihrem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter – d.h. die durch Belgien bzw. die Niederlande verlaufenden Teile der Rohrleitungen – als eigenständige Unternehmen bewirtschaftet hätten. Für die Gewinnabgrenzung sei nicht darauf abzustellen, welche Einkünfte bei einer Vermietung der ausländischen Teile der Rohrleitung erzielt worden wären, sondern welcher Umsatz mit dem ausländischen Teil der Rohrleitung erwirtschaftet wurde (d.h. welche Menge Güter von wo nach wo für welches Entgelt transportiert wurde). Der tatsächliche Geschäftsgegenstand (hier: der Transport von Gütern gegen Entgelt) sei maßgeblich und dürfe nicht durch andere – rein fiktive – Geschäftsmodelle (hier: Vermietung von Rohrleitungen) ausgetauscht werden.
Keine Anwendung von § 1 Abs. 5 AStG
Mit dem § 1 Abs. 5 AStG sollte der – durch Art. 7 OECD-MA 2010 eingeführten - sog. Authorized OECD Approach (AOA) in das innerstaatliche Steuerrecht umgesetzt werden. Kernelement der Gewinnabgrenzung nach AOA sind die wesentlichen Personalfunktionen („Significant People Functions“). § 1 Abs. 5 AStG ist erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2012 beginnen.
Gemäß § 1 Abs. 5 AStG sind die Absätze 1, 3 bis 4 AStG über die Berichtigung von Einkünften entsprechend anzuwenden, wenn für eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 AStG (d.h. für Geschäftsvorfälle zwischen einem Unternehmen eines Steuerpflichtigen und seiner in einem anderen Staat gelegenen Betriebsstätte) die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, die der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens steuerlich zugrunde gelegt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden. Zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung (§ 1 Abs. 5 S. 2 AStG).
Nach dem FG kommt im Streitfall § 1 Abs. 5 AStG nicht zur Anwendung, da es keine Geschäftsvorfälle im Sinne dieser Vorschrift gibt. Das inländische Unternehmen der Klägerin überlasse den ausländischen Betriebsstätten weder Wirtschaftsgüter noch erbringe es an diese irgendwelche Leistungen, die über die Geschäftsführung und administrative Tätigkeiten hinausgehen. Weiter liege im Streitfall keinen Verstoß gegen Fremdvergleichsgrundsätze vor. Ohne einen solchen Verstoß ist die Vorschrift nicht anwendbar, so das FG. Denn es handele sich bei § 1 Abs. 5 AStG nicht um eine Generalvorschrift, nach der bei Bestehen inländischer und ausländischer Betriebsstätten stets eine (Neu)Aufteilung des Gewinns zu erfolgen habe, sondern es handele sich vielmehr um eine Einkünftekorrekturvorschrift, die im unmittelbaren Kontext zu § 1 Abs. 1 AStG steht und damit tatbestandlich an eine Einkünfteminderung anknüpft, die durch die Vereinbarung nicht fremdvergleichsgerechter Bedingungen (Verrechnungspreise) entsteht (vgl. auch BFH-Beschluss vom 24.11.2021, I B 44/21 (AdV), BStBl. II 2022, S. 431).
Ergebnis
Nach dem FG ist die von der Klägerin gewählte Methode zur Gewinnaufteilung geeignet und angemessen. Es sei sachgerecht, die Einnahmen in der Weise auf die betroffenen Länder aufzuteilen, indem die Entgelte aus dem Transport von Gütern danach verteilt werden, in welchem Umfang die Rohrleitungen in Deutschland, Belgien oder den Niederlanden für den jeweiligen Transport tatsächlich genutzt wurden. Weiter können die Vergütungen aus der Verwaltung der fremden Leitungsnetze allein Deutschland zugerechnet werden, so das FG. Unmittelbar einer Betriebsstätte zuordenbare Kosten (wie z.B. Reparaturkosten für einen bestimmten Leitungsabschnitt) seien dem jeweiligen Belegenheitsstaat zuzuordnen, die Kosten für die für die Überwachung des gesamten Rohrleitungsnetzes zuständige niederländische Betriebszentrale seien nach Leitungskilometern auf die drei Länder zu verteilen und die restlichen Aufwendungen seien abhängig von der Art der Kosten nach verschiedenen objektiven Aufteilungsschlüsseln zu verteilen (u.a. prozentualer Anteil eines Landes an den Gesamtinvestitionskosten oder an den Gesamteinnahmen).
Betroffene Normen
§ 12 S. 1 AO, Art. 5 Abs. 2 DBA, § 1 Abs. 5 AStG
Streitjahre (2011 bzw.) 2015
Anmerkungen
Bedeutung des OECD-Musterkommentars: BMF-Schreiben vom 19.04.2023
Nach der Finanzverwaltung ist der OECD-Musterkommentar – entgegen der BFH-Rechtsprechung (vgl. auch BFH-Urteil vom 11.07.2018, I R 44/16) - in seiner jeweils zum Anwendungszeitpunkt geltenden Fassung – unter Beachtung von eingelegten Vorbehalten/ Bemerkungen der OECD-Mitgliedstaaten – bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen zu berücksichtigen. Hingegen, können nach dem BFH Neufassungen des OECD-Musterkommentars grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Auslegung bestehender Abkommen haben. Änderungen des Musterkommentars könnten bei einer späteren Änderung eines Doppelbesteuerungsabkommens nur dann bei der Auslegung berücksichtigt werden, wenn sich die Musterkommentierung in einem geänderten Abkommenswortlaut und einem entsprechenden Transformationsgesetz niedergeschlagen habe.
Fundstellen
FG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.2023, 3 K 70/18 F; BFH-anhängig: I R 38/23
FG Düsseldorf, Urteil vom 12.05.2023, 3 K 1940/17 F; BFH-anhängig: I R 37/23
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 30.10.1996, II R 12/92, BStBl. II 1997, S. 12
BFH, Urteil vom 25.05.2011, I R 95/10, BStBl. II 2014, S. 760, siehe Deloitte Tax News
BMF, Schreiben vom 19.04.2023, siehe Deloitte Tax News
BFH, Urteil vom 11.07.2018, I R 44/16, BStBl. II 2023, S. 430
BFH, Beschluss vom 24.11.2021, I B 44/21 (AdV), BStBl. II 2022, S. 431, siehe Deloitte Tax News
