Europäische Kommission: Besteuerung digitaler Wirtschaft
Die EU-Kommission hat dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat am 21.09.2017 eine Mitteilung über ein faires und effizientes Steuersystem für den digitalen Binnenmarkt in der Europäischen Union vorgelegt. Der vorliegende Artikel fasst die Vorschläge zusammen und würdigt diese kritisch.
Hintergrund
Am 21.09.2017 hat die EU-Kommission dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat eine Mitteilung über ein faires und effizientes Steuersystem für den digitalen Binnenmarkt in der Europäischen Union vorgelegt. Nach Auffassung der Kommission ist die Besteuerung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft eine der wesentlichen Herausforderungen der Europäischen Union. Sie fordert eine faire und effiziente Besteuerung der digitalen Wirtschaft im europäischen Binnenmarkt. In der Mitteilung beschreibt die Kommission die Schwierigkeiten bei der Besteuerung der digitalen Wirtschaft in einem Steuersystem, das für „konventionelle Geschäftsmodelle“ entwickelt wurde. Sie gibt vier Beispiele für Geschäftsmodelle, bei denen die Besteuerung mit dem konventionellen System zu Problemen führt:
- Online-Händler, die im Internet Plattformen schaffen, über die Händler und Käufer interagieren können. Im Gegenzug erhält der Anbieter der Online-Handelsplattform in der Regel eine Gebühr pro Transaktion, ein Platzierungshonorar oder eine Provision. Beispiele für dieses Geschäftsmodell sind Amazon, Zalando oder Alibaba.
- Soziale Netzwerke, die durch gezielte Werbemaßnahmen an ihre Nutzer Werbeeinnahmen generieren. Beispiele für dieses Geschäftsmodell sind Facebook und Xing.
- Abonnementmodelle erheben eine Abonnementgebühr für den Zugriff auf digitale Dienstleistungen (z. B. Musik oder Videos). Beispiele für dieses Business sind Netflix und Spotify.
- Kollaborative Plattformen stellen den Kontakt zwischen Anbietern von freien Kapazitäten und Nachfragern her und ermöglichen so die gemeinsame Nutzung von Wirtschaftsgütern anstatt diese selbst anschaffen zu müssen. Kollaborative Plattformen erheben eine feste oder variable Gebühr für jede Transaktion. Beispiele für dieses Geschäftsmodell sind Airbnb oder BlaBlaCar.
Um langfristig ein faires und effizientes Besteuerungssystem für die digitale Wirtschaft zu schaffen, beabsichtigt die EU-Kommission die Einführung der Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB, engl. Common Consolidated Corporate Tax Base, CCCBT). Ferner seien Anpassungen der Betriebsstättenbesteuerung und der Verrechnungspreismodelle für die digitale Wirtschaft notwendig. Der EU-Kommission ist bewusst, dass der Prozess hin zu einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage langfristig angelegt und damit nicht unmittelbar umsetzbar ist. Aus diesem Grund werden zusätzliche kurzfristige und ergänzende Maßnahmen in Betracht gezogen. Beispiele dafür sind:
- Ausgleichssteuer auf den Umsatz digitaler Unternehmen - Eine Steuer auf alle unversteuerten oder unzureichend besteuerten Einkommen aus allen internetbasierten Geschäftstätigkeiten, einschließlich Business-to-Business und Business-to-Consumer, anrechenbar auf die Körperschaftsteuer oder als eigenständige Steuer.
- Quellensteuer auf digitale Transaktionen - Eine eigenständige Quellensteuer auf bestimmte Zahlungen an gebietsfremde Anbieter von online bestellten Waren und Dienstleistungen.
- Abgabe basierend auf Umsatz generiert durch digitale Dienstleistungen oder Werbeaktivitäten – Eine separate Abgabe auf elektronisch durchgeführten Transaktionen durch nicht ansässige Unternehmen mit einer wesentlichen wirtschaftlichen Präsenz im Mitgliedsstaat.
Anmerkungen
Folgende Aspekte sollten in der weiteren Diskussion berücksichtigt werden:
Definition digitale Wirtschaft: Eine Diskussion über die Angemessenheit des bestehenden Steuersystems für die digitale Wirtschaft ist begrüßenswert. Dennoch ist eine stärker differenzierte Diskussion notwendig. Die Einteilung in „konventionelle Geschäftsmodelle“ gegenüber „digitalen Geschäftsmodellen“ erscheint zu vereinfacht im Angesicht der umfangreichen Möglichkeiten an Geschäftsmodellen im derzeitigen Wirtschaftsleben. Auch traditionelle Wertschöpfungsketten werden immer mehr um digitale Elemente ergänzt. Ebenso ist es nicht einfach „digitale Wirtschaft“ zu definieren, wie die vier doch sehr unterschiedlichen Beispiele aus der Mittelung der EU-Kommission zeigen. Für ein Besteuerungssystem explizit für die digitale Wirtschaft oder der digitalen Elemente von Wertschöpfungsketten ist in einem ersten Schritt eine präzise Definition notwendig, was unter den Begriff der digitalen Wirtschaft oder digitalen Wertschöpfungselementen fällt. Anstatt „digital“ zu einer Voraussetzung für die Besteuerung zu machen, sollte in Erwägung gezogen werden, was objektiv als Besteuerungsanknüpfungspunkt in einer digitalen Wertschöpfungskette angesehen werden kann. Ferner ist der Titel „Besteuerung der digitalen Wirtschaft“ unglücklich. Erweckt er doch den Eindruck, als wären die in Rede stehenden Unternehmen bisher gar nicht besteuert worden.
Technische Überlegungen: Es ist verständlich, dass zu diesem Zeitpunkt der politischen Diskussion viele Punkte der technischen Umsetzung noch ungeklärt sind. Allerdings sind die vorgeschlagenen kurzfristigen Maßnahmen noch deutlich zu unspezifisch und benötigen weitere Ausführungen über die technische Umsetzung. Zum Beispiel ist die Definition und die Abgrenzung des Umsatzes noch nicht ausreichend beschrieben. Darüber hinaus ist der Begriff „unversteuertes oder unzureichend besteuertes Einkommen“ weiter zu substantiieren. Gerade bei der Maßnahme der „Ausgleichssteuer“ ist fraglich, wer die Besteuerung dokumentiert und die Nachweispflicht der gezahlten Steuern trägt.
Internationale Standards: Die ins Auge gefasste Besteuerung der digitalen Wirtschaft muss im Kontext von internationalen Abkommen und Standards geprüft werden. Insbesondere ist die Aufnahme des Besteuerungsrechts in Doppelbesteuerungsabkommen mit Ländern außerhalb des EU-Binnenmarktes zu klären, um etwaige Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Ferner sollte geprüft werden ob etwaige Anpassungen nicht besser an die Hinzurechnungsbesteuerung anknüpfen denn ein neues System zu implementieren.
Faire Besteuerung: Die Perspektive um die “faire” Besteuerung ist erläuterungsbedürftig. In der momentanen Ausgestaltung erscheint es so, als ob Unternehmen bisher nicht besteuert werden. Die gemachten Beispiele zur „fairen“ bzw. nicht “fairen” Besteuerung unterstreichen dies. Dort werden Zahlungen aus der EU z. B. für Online-Services an ein Drittland aufgegriffen. Was nicht betont wird ist die Besteuerung in dem Drittland. Sofern dort nicht besteuert würde, wäre das im Steuerwettbewerb der Staaten die Entscheidung des Drittlandes. Warum die Besteuerung im Land des Dienstleistungsempfängers fairer ist als im Ort des Dienstleistungserbringers bleibt unklar.
Volkswirtschaftliche Effekte: Es fehlt an einer dezidierten Analyse von volkswirtschaftlichen Effekten mit Blick auf die Steuereinnahmen der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere ist zu erwarten, dass die Umsätze vieler deutscher Mittelständler dann nicht mehr in Deutschland, sondern im Ausland besteuert würden, wenn sie an digitale Elemente anknüpfen.
Ausblick: Nach derzeitigem Stand erscheint es schwierig, den Ausgang der Initiative zu prognostizieren. Insbesondere der erneute Widerstand Mitte Oktober von Staaten wie Irland und Luxemburg zu den vorgeschlagenen Maßnahmen lassen einen einstimmigen Beschluss, der bei Besteuerungsfragen notwendig ist, schwierig erscheinen. Irland und Luxemburg begrüßen zwar generell einen abgestimmten Prozess, allerdings auf internationaler anstatt europäischer Ebene. Gleichwohl könnten die neuerlichen Diskussionen um OECD BEPS Aktionspunkt 1 zuletzt mit einer öffentlichen Anhörung am 1. November an der Universität Berkley politisches Moment erzeugen. Nach einem erfolgreichen Beschluss hätten die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit zur Umsetzung in nationales Recht.
Fundstelle
Europäische Kommission, Ein faires und effizientes Steuersystem in der Europäischen Union für den digitalen Binnenmarkt
Weitere Fundstellen
Europäische Kommission, Übersicht zur „Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB)“, siehe auch Deloitte Tax-News
OECD, OECD invites public input on the tax challenges of digitalisation