EU-Kommission: Studie zur Behandlung von Fremdvergleichsdaten im Europäischen Raum
Mit der Veröffentlichung einer Studie zum Thema Fremdvergleichsdaten für die Bestimmung von Verrechnungspreisen im Konzern versucht die Europäische Kommission das Bewusstsein über die Nutzung und Identifizierung von intern und extern verfügbaren vergleichbaren Daten im Hinblick auf die BEPS Initiative in Europa zu stärken.
Sachverhalt
Im Zuge der Umsetzung der OECD Aktionspapiere zur Vermeidung von Gewinnverlagerung und Gewinnverkürzung („BEPS“) wurden auch im Europäischen Wirtschaftsraum die Diskussionen um die verschiedenen existierenden Verrechnungspreisregularien verstärkt. Die Europäische Kommission sah hierbei ein großes Bedürfnis, die bestehenden Verrechnungspreisregularien der 28 EU-Mitgliedsstaaten zu überprüfen, um die Verteilung von Gewinnen und Steuern zu vereinheitlichen.
Im Auftrag der Europäischen Kommission hat die belgische Deloitte Mitgliedsfirma, Deloitte Belastingconsulenten / Conseil Fiscaux („Deloitte Belgien“), mit Unterstützung von anderen europäischen Deloitte-Gesellschaften die Vergleichsdaten, welche für Verrechnungspreiszwecke innerhalb der EU genutzt werden, untersucht. Die Studie wurde durchgeführt mit dem Ziel:
- Situationen, die durch das Fehlen und/oder die Nichtzuverlässigkeit von Vergleichswerten charakterisiert sind, zu analysieren und auszuwerten;
- Maßgeschneiderte Lösungen für EU-Länder zu entwickeln, die die Vorteile und Besonderheiten des europäischen Wirtschaftsmarktes berücksichtigen;
- Einen verbesserten und vereinfachten EU-Verrechnungspreisansatz einzuführen, um effektiver gegen aggressive Steuerplanung innerhalb der EU vorzugehen.
Auch wenn diese ehrgeizigen Ziele im Projektablauf nicht erreicht werden konnten, wurde durch die Studie eine umfassende und informative Bestandsaufnahme des aktuellen Ist-Zustands in der Europäischen Union erzielt. Im Wesentlichen konzentriert sich die Studie auf die Verfügbarkeit von internen sowie externen Fremdvergleichswerten für die Anwendung der Preisvergleichsmethode und der Nettomargenmethode sowie eine Diskussion der Marktgegebenheiten im europäischen Binnenmarkt.
Zur Analyse der Verfügbarkeit und Qualität von Vergleichsdaten sowie potenzieller Anpassungsrechnungen wurde von Deloitte Belgien eine quantitative und qualitative Herangehensweise gewählt. Durch Interviews mit anderen europäischen Deloitte-Gesellschaften wurden qualitative Aspekte bezüglich lokaler Praktiken und Beobachtungen abgefragt und dokumentiert. Quantitative Aspekte wurden mittels Analysen der verfügbaren Datenbanken betrachtet.
Verfügbarkeit von Fremdvergleichswerten
Eine der Standardmethoden, die gemäß der Methodenhierarchie nach § 1 Abs. 3 AStG bei der Suche nach fremdüblichen Preisen bevorzugt angewendet werden sollte, ist die sog. Preisvergleichsmethode. Mithilfe dieser Methode findet ein Vergleich von Preisen statt, welche für die Waren oder Dienstleistungen in einem konzerninternen Geschäft verrechnet werden mit jenen, die in einem vergleichbaren Geschäft zwischen zwei unabhängigen Unternehmen (externer Preisvergleich) bzw. zwischen einem Konzernunternehmen und einem unabhängigen Transaktionspartner unter vergleichbaren Verhältnissen (interner Preisvergleich) verrechnet werden. Im Rahmen von Interviews hat Deloitte untersucht, wie oft die externen und internen Preisvergleiche tatsächlich durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Interviews haben ergeben, dass die Preisvergleichsmethode im Allgemeinen und hierbei insbesondere der interne Preisvergleich tatsächlich sehr selten in der Praxis zur Anwendung kommen. Diese Tatsache resultiert insbesondere daraus, dass auch die Akzeptanz unter den Finanzbehörden für die internen Fremdvergleichsdaten sehr limitiert ist und oft aufgrund mangelnder Anzahl an vergleichbaren Daten (quantitativer Ausschlussgrund) oder deren eingeschränkter Vergleichbarkeit (qualitativer Ausschlussgrund) scheitert. Um der Nutzung von internen Fremdvergleichsdaten größere Bedeutung zukommen zu lassen, müsste man vor allem das Bewusstsein über die Nutzung von internen Vergleichswerten unter den Unternehmen deutlich erhöhen. Das könnte dadurch erreicht werden, dass man dem Steuerpflichtigen eine klare Anleitung zur Verfügung stellt, wie die internen Daten anzuwenden sind bzw. wie durch Anpassungsrechnungen die Vergleichbarkeit der internen Daten sichergestellt werden kann. Die wenigen in den europäischen Ländern existierenden rechtlichen Grundlagen und administrativen Richtlinien zur Anwendung von internen Vergleichsdaten wurden in der Studie pro Land in einer tabellarischen Form kurz zusammengefasst.
Aus den oben genannten Gründen kommen in der Praxis bei der Suche nach Fremdvergleichswerten oft die international zugänglichen Datenbanken zur Anwendung. Die durchgeführte Studie hat jedoch aufgezeigt, dass die externen Datenbanken nicht für alle Transaktionsarten im Konzern genutzt werden können. Insbesondere nutzen die Steuerpflichtigen Datenbanken wie RoyaltyStat, Bloomberg oder LoanConector zur Fremdvergleichsanalyse von konzerninternen Darlehen oder Lizenztransaktionen. Erfahrungsgemäß sind jedoch oft die in den Datenbanken verfügbaren Informationen nicht ausreichend, um einen fremdüblichen Preis für die Verprobung von Warentransaktionen mittels der Preisvergleichsmethode zu ermitteln.
Aufgrund einer sehr begrenzten Verfügbarkeit geeigneter Fremdvergleichsdaten, welche direkt auf der Produktebene anzuwenden wären, hat sich die sogenannte Transaktionsbezogene Nettomargenmethode („TNMM“) in der europäischen Verrechnungspreispraxis fest etabliert (sofern vorrangige Methoden wie die Kostenaufschlagsmethode oder Wiederverkaufspreismethode ebenfalls aufgrund mangelnder Datenverfügbarkeit nicht anwendbar sind). Im Rahmen der Angemessenheitsanalyse auf Basis der TNMM werden die Nettomargen auf Transaktionsebene miteinander verglichen, um einem Fremdvergleich standzuhalten. Während die Einbeziehung von intern verfügbaren Daten für die Ermittlung von fremdüblichen Nettomargen eher selten festzustellen ist, werden die Datenbanken als Quelle zuverlässiger Fremdvergleichsdaten für die Verrechnungspreisermittlung im europäischen Raum immer häufiger herangezogen. Diese Entwicklung wird grundsätzlich durch die Tatsache gestärkt, dass die Datenverfügbarkeit und die Datenqualität in den zumeist genutzten Datenbanken wie AMADEUS oder ORBIS in den letzten Jahren konstant gestiegen sind. Zwar ist die Verfügbarkeit von lokalen Daten nicht für alle europäischen Staaten gleich gegeben, jedoch gewinnen auch die erweiterten europäischen Datenbankstudien, in denen die Datenbasis für alle 28 Mitgliedstaaten der EU berücksichtigt wird, in europäischen Betriebsprüfungen zunehmend an Akzeptanz.
Europe as one market
Insbesondere bei der Anwendung der TNMM sollte vorab überlegt werden, welche Datenbank genutzt und welche regionalen Einschränkungen vorgenommen werden sollten. Basis für eine solche Entscheidung ist in vielen europäischen Ländern, welche Fremdvergleichswerte generell zur Verfügung stehen und wie gut die Qualität dieser Daten ist. Bezüglich der Verfügbarkeit von lokalen Fremdvergleichswerten kann nicht zwingend geschlussfolgert werden, dass in größeren Ländern mehr und/oder bessere lokale Fremdvergleichswerte vorhanden sind. Die Anwendung von verschiedenen Suchkriterien, wie bspw. Unabhängigkeitskriterien oder Ausschluss von Dauerverlustmachern reduziert die Verfügbarkeit von Fremdvergleichswerten signifikant. Nicht zu vernachlässigen ist in diesem Fall insbesondere die Tatsache, dass nicht jedes europäische Land eine lokale Datenbank mit Vergleichsunternehmen aufweist. So wird die Anwendung der TNMM auf Länderebene erheblich erschwert.
Durch diese Problematik entwickelte sich in vielen europäischen Ländern die Möglichkeit auch ausländische Vergleichsdaten für eine Fremdvergleichsanalyse zu verwenden. Die vorliegende Studie analysiert drei verschiedene Methoden, um die potenzielle Menge an Vergleichswerten zu erhöhen. Es lässt sich unterscheiden zwischen der Hinzunahme von
- Nachbarstaaten
- Mitgliedsländern mit ähnlichen wirtschaftlichen Faktoren, insbesondere pro-Kopf BIP und Arbeitskosten
- Märkten der gleichen Industrie.
Grundsätzlich konnte in der Studie festgestellt werden, dass eine Nutzung von europäischen ausländischen Vergleichswerten in allen 28 EU-Mitgliedsländern akzeptiert wird. Es wird somit das Ergebnis der 2004 bereits von Meenan et. al veröffentlichten Studie „Europe as one market: A transfer pricing economic analysis of pan-European comparables sets“ bestätigt. Eine Präferenz zur Nutzung von Fremdvergleichswerten aus Nachbarstaaten konnte nicht festgestellt werden, auch wenn es in einzelnen Fällen vorteilhaft erscheint. In diesem Zusammenhang konnte insbesondere herausgestellt werden, dass die Erweiterung der regionalen Suchschritte um für das zu verprobende Unternehmen relevante Märkte, den Arbeitsaufwand bei der Suche nach Fremdvergleichswerten reduziert und die Vergleichbarkeit verbessert. Auch wenn die Studie zeigen konnte, dass die Profitabilität in EU Ländern grundsätzlich gleich ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten vorliegen. Bei einer Erweiterung der Region um die für das zu verprobende Unternehmen relevanten Märkte, kann es daher angebracht sein, nur solche Märkte aufzunehmen, die bspw. ein ähnliches pro-Kopf BIP aufweisen.
Die Möglichkeit der Nutzung von ausländischen Fremdvergleichswerten führte dazu, dass die Datenbank AMADEUS vom Anbieter Bureau Van Dijk in allen 28 EU-Ländern grundsätzlich akzeptiert und verwendet wird. Die Studie zeigt, dass die Verfügbarkeit von Fremdvergleichswerten in der AMADEUS Datenbank in den letzten Jahren stetig zugenommen hat, was sowohl zu einer Verbesserung der Verfügbarkeit als auch einer Erhöhung der Qualität der Fremdvergleichswerte geführt hat.
Lokale Datenbanken konnten gleichwohl nur in wenigen Mitgliedsländern identifiziert werden. Lediglich in Polen, Rumänien, Ungarn und Kroatien werden alternative Datenbanken genutzt. Viele dieser lokalen Datenbanken enthalten ausschließlich lokale Vergleichsunternehmen und sind von privaten Anbietern erstellt worden. Hiervon ist die lokale Datenbank TIEGEL aus Polen die einzige der lokalen Datenbanken, welche von Bureau Van Dijk bereitgestellt wird. Daher sollte die Datengrundlage polnischer Unternehmen in TIEGEL ähnlich der aus AMADEUS sein. Abschließend wurde von der Studie festgestellt, dass die lokalen Datenbanken für Verrechnungspreiszwecke aufgrund der Qualität und Quantität generell nicht hinreichend brauchbar seien.
Fazit
Die EU-Studie stellt fest, dass im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung im europäischen Raum die Nutzung von internen Fremdvergleichswerten bei der Anwendung von Verrechnungspreismethoden wie der TNMM und der Preisvergleichsmethode, viel seltener beobachtet werden kann, als die Nutzung von Daten aus externen Datenbanken. Hierbei ist die Meidung von den im Konzern verfügbaren Fremdvergleichsdaten oft auf die mangelnde Akzeptanz der Steuerbehörden, sowie fehlende Instruktionen im Hinblick auf Anpassungsrechnungen zurückzuführen. Angesichts dieser Tatsache greifen Unternehmen oft auf externe Datenbanken zu, welche sich als eine sehr gute Alternative zu den intern verfügbaren Fremdvergleichsdaten etabliert haben. Ob die durchgeführte Studie dazu beiträgt, dass eine Verwendung von intern verfügbaren Daten eines Unternehmens als Maßstab für den Fremdvergleich im EU-Raum mehr in den Fokus rückt, bleibt jedoch abzuwarten.
Fundstelle
EU-Kommission, Study on Comparable Data used for transfer pricing in the EU vom 08.12.2016