Datenbankstudien: Überblick über aktuelle Themen in Betriebsprüfungen
Datenbankstudien stellen vielfach die Grundlage für die Verprobung der Fremdüblichkeit von Verrechnungspreisen im Rahmen der Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode (engl. transactional net margin method oder TNMM) dar. Bei der Erstellung geeigneter Datenbankstudien ist eine Reihe von Gesichtspunkten zu beachten. Zudem werden Datenbankstudien und deren Ergebnisse häufig in Betriebsprüfungen aufgegriffen. Die folgenden Abschnitte geben einen kurzen Überblick über häufig in der Betriebsprüfungspraxis diskutierte Themen sowie Hinweise zum Betriebsprüfungsmanagement in Bezug auf Datenbankthemen.
1. Pan-europäische Datenbankstudien erfahren zunehmend Akzeptanz
Aufgrund einer nur begrenzten Verfügbarkeit geeigneter lokaler Fremdvergleichsdaten im Rahmen der Angemessenheitsanalyse auf Basis der TNMM haben sich in der Verrechnungspreispraxis Fremdvergleichsanalysen auf Basis europäischer Vergleichsdaten fest etabliert. Dies wird unter anderem gestützt durch den bereits im Jahr 2006 veröffentlichten Entschluss des Rates der Europäischen Union Fremdvergleichsanalysen nicht allein aufgrund ihrer regionalen anstatt lokal herangezogenen Vergleichsdaten zu verwerfen (vgl. Entschluss des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 27. Juni 2006 zu einem Verhaltenskodex zur Verrechnungspreisdokumentation für verbundene Unternehmen in der Europäischen Union (EU TPD), (2006/C 176/01), Tz. 25). Die Anwendungsvorschrift leuchtet vor dem Hintergrund eines im Jahr 2004 veröffentlichten Artikel ein, wonach sich die Nettorenditen auf gesamteuropäischer Ebene nicht statistisch signifikant von denen auf individueller Länderebene unterscheiden (vgl. Meenan et al., 2004, Europe as one market: a transfer pricing economic analysis of pan-European comparables sets, Tax Management Transfer Pricing - Special Report, Vol. 12, No. 23). Trotz des hier erbrachten empirischen Belegs zeigte sich in der Vergangenheit leider grundsätzlich eine gewisse Skepsis gegenüber pan-europäischen Datenbankstudien bei deutschen Betriebsprüfern.
Die aktuellen Entwicklungen und Erfahrungen bei Betriebsprüfungen zeigen jedoch eine positive Trendwende. Pan-europäische Datenbankstudien erfahren in deutschen Betriebsprüfungen zunehmend an Akzeptanz. Dies ermöglicht dem Steuerpflichtigen mit einem gewissen Aufwand eine hinreichende Anzahl zumindest eingeschränkt vergleichbarer Unternehmen für die Durchführung des Fremdvergleichs zu identifizieren und somit die Fremdüblichkeit seiner Verrechnungspreise im Rahmen der Anwendung der TNMM zu belegen (sofern die Voraussetzungen zur Anwendung der TNMM erfüllt sind).
2. Datenbankstudien als gute Grundlage
Neben eher grundsätzlichen Verrechnungspreisthemen wie der Akzeptanz der TNMM oder der Verwendung europäischer Vergleichsdaten im Rahmen der Anwendung der TNMM gibt es eine Reihe weiterer Aspekte, die regelmäßig Gegenstand von Diskussionen in Betriebsprüfungen sind und durch deren Beachtung der Steuerpflichtige die Akzeptanz von Datenbankstudien in Betriebsprüfungen erhöhen kann.
Auch wenn die Verwendung einer bestimmten Unternehmensdatenbank nicht durch die Finanzverwaltung vorgeschrieben wird, ist es grundsätzlich von Vorteil eine Datenbasis heranzuziehen, welche auch der Betriebsprüfung zugänglich ist. Im Rahmen europäischer Datenbankstudien handelt es sich hier im Regelfall um die weit verbreitete Amadeus- Datenbank. Ein aus Sicht der Finanzverwaltung notwendiges Kriterium für die Akzeptanz einer Datenbankstudie besteht in deren Reproduzierbarkeit (vgl. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005, Tz. 3.4.12.4). Diese stellt der Steuerpflichtige durch eine detaillierte Dokumentation des Vorgehens sowohl bei der quantitativen Datenbanksuche als auch bei der späteren qualitativen Analyse der aus der Datenbank extrahierten Beobachtungen sicher. Hierbei empfiehlt es sich insbesondere die elektronischen Suchdateien (häufig als „Suchstrategie“ bezeichnet) zum Erstellungsdatum der Angemessenheitsanalyse zu archivieren, um sie den Finanzverwaltungen auf Anfrage zur Verfügung stellen zu können. Da die gängigen Unternehmensdatenbanken regelmäßig aktualisiert werden (meist in monatlichen Abständen), ist es dringend anzuraten das genaue Datum und die spezifische Versionsnummer der herangezogenen Datenbank zu benennen. Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass häufig ein und derselbe Datenbankanbieter mehrere Datenbankprodukte vertreibt, deren elektronische Dateiformate zwar identisch zu sein scheinen (da sie beispielsweise dieselbe Dateiendung aufweisen), tatsächlich aber nicht miteinander kompatibel sind. Auch wenn die Kenntnisse der Finanzverwaltung in Bezug auf Datenbanken im Zeitverlauf zuzunehmen scheinen, sind diese Feinheiten den meisten Betriebsprüfern weitestgehend unbekannt. Hier ist es ratsam, dass der Steuerpflichtige zur Vermeidung unnötiger Missverständnisse die jeweils herangezogene Version einer Datenbank so präzise wie nur möglich benennt. Die Verwendung von Datenbanken, die nicht auf einem externen Speichermedium ausgeliefert werden (sogenannte Online- Datenbanken) war zumindest in der Vergangenheit nicht ratsam, da eine exakte Reproduktion einer Analyse zu einem späteren Zeitpunkt bei solchen Datenbanken häufig nicht möglich ist. Dies konnte die Verwertbarkeit einer Analyse gefährden. Allerdings gibt es hier auch Tendenzen, dass Datenbankanbieter ihren Datenbestand aufgrund des stetig steigenden Datenvolumens nur noch online zur Verfügung stellen, hier aber die Möglichkeit bieten, den Datenbestand zu einem bestimmten Zeitpunkt später wieder abrufen zu können. In diesen Fällen bleibt die Reproduzierbarkeit dann gewährleistet.
Darüber hinaus sollten insbesondere die einzelnen Suchschritte der quantitativen Suche auf Ebene der Datenbank möglichst sorgfältig dokumentiert werden. Auch in Fällen, in denen die Betriebsprüfung von sich aus ein anderes Vorgehen gewählt hätte, hat es sich in der Vergangenheit bewährt durch eine sorgfältig und schlüssig vorgenommene Dokumentation von auch zunächst kompliziert erscheinenden Suchschritten das eigene Vorgehen Dritten gegenüber verständlich darzulegen.
Abschließend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass für die Zwecke einer Fremdvergleichsanalyse die reine Verwendung von Informationen aus Datenbanken allein in aller Regel nicht ausreichend ist, sondern durch eine qualitative Prüfung der Vergleichbarkeit (z.B. auf Basis der Funktionsbeschreibung lt. Internetauftritt des potentiellen Vergleichsunternehmens) ergänzt werden sollte (vgl. Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005, Tz. 3.4.12.4 und Tz. 3.4.19 c)).
3. Anpassungsrechnungen
Anpassungsrechnungen können sowohl nach Auffassung der OECD als auch nach deutscher Auffassung ein geeignetes Mittel darstellen, um die Vergleichbarkeit zwischen den Vergleichsunternehmen und dem zu prüfenden verbundenen Unternehmen, auf das die TNMM angewendet wird, (sogenannte „Tested Party“) zu erhöhen (vgl. OECD Verrechnungspreisgrundsätze, Tz. 1.34, § 1 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 AStG und Verwaltungsgrundsätze-Verfahren 2005, Tz. 3.4.12.7 c)). Anpassungsrechnungen können beispielsweise vorgenommen werden, um die Auswirkungen der Finanzierungsfunktion von Forderungs-, Verbindlichkeiten- und Lagerbeständen auf die Profitabilität von Vergleichsunternehmen derart anzupassen, dass sie im Einklang zu den entsprechenden Größen bei der Tested Party stehen. Weiterhin sind Anpassungsrechnungen zur Vereinheitlichung der Auswirkungen unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards auf die jeweiligen Erfolgsgrößen möglich. Da die mathematischen Formeln, die bei Anpassungsrechnungen zur Anwendung kommen, eine verhältnismäßig hohe Komplexität aufweisen können und häufig nicht selbsterklärend sind, ist auch hier eine sorgsame Dokumentation dringend anzuraten. Die dahinterstehende ökonomische Intuition ist nicht automatisch jedem Betriebsprüfer gleichermaßen zugänglich. Insbesondere sollte die Darstellung einen Betriebsprüfer in die Lage versetzen durch Verwendung identischer Parameter mit vertretbarem Aufwand die Rechenergebnisse reproduzieren zu können.
4. Das Umsatzkriterium
Aufgrund der stetig steigenden Zahl der zur Verfügung stehenden Vergleichsdaten in Unternehmensdatenbanken kann man im Zeitverlauf beobachten, dass die Anzahl der Unternehmen, die nach Anwendung der verschiedenen Suchfilter noch verbleiben, ebenfalls stetig ansteigt. Für den Steuerpflichtigen steigen somit auch Aufwand und Kosten der Erstellung einer qualitativ robusten Angemessenheitsanalyse. Gleichzeitig finden sich auch viele Unternehmen in den Datenbanken, die sich beispielsweise in Bezug auf den erzielten Umsatz wesentlich von der Tested Party unterscheiden. Ein gängiger Suchschritt besteht darin, eine Mindestumsatzschwelle als einen der Suchfilter anzusetzen. Wird diese Schwelle in einem oder mehreren Jahren des Untersuchungszeitraums unterschritten, so wird das jeweilige Unternehmen in der weiteren Analyse nicht mehr berücksichtigt. Allerdings sollte dieser Suchfilter nur mit größter Sorgfalt angewendet werden. Setzt man den Schwellenwert zu niedrig an, so verbleiben unverhältnismäßig viele Beobachtungen für die spätere qualitative Analyse und die Kosten für den Steuerpflichtigen steigen. Setzt man den Wert jedoch zu hoch an, so verbleiben zu wenige Unternehmen für die qualitative Analyse und die Vergleichbarkeit der gewählten Unternehmen könnte darunter leiden. Unserer Erfahrung nach wünscht die Betriebsprüfung häufig einen Schwellenwert, der dem Wert der Tested Party möglichst nahe kommt. Da dieser Wert dann jedoch in vielen Fällen besonders hoch ausfiele, verbleiben für die weitere Analyse kaum noch Unternehmen, die den sonstigen Kriterien der eingeschränkten Vergleichbarkeit genügen würden. Insbesondere zeigt sich, dass bei Anwendung eines besonders hohen Schwellenwertes für die wenigen noch verbleibenden Unternehmen häufig das Unabhängigkeitskriterium nicht erfüllt ist, da sie selbst Teil einer Unternehmensgruppe sind und somit als Kandidaten für eine Fremdvergleichsanalyse ausscheiden.
5. Vergleichbarkeit in Bezug auf hergestellte oder vertriebene Produkte
In vielen Fällen zeigt sich, dass die Betriebsprüfung verhältnismäßig hohe Anforderungen an das Kriterium der Produktvergleichbarkeit stellt. Es ist aber oftmals kaum möglich, eine hinreichend große Anzahl von Vergleichsbeobachtungen zu identifizieren, die dieses Kriterium in besonderem Maße erfüllen. Viele untersuchte Transaktionen finden zudem in hoch spezialisierten Märkten statt, für die Finanzdaten unabhängiger Unternehmen, die das Kriterium der Produktvergleichbarkeit erfüllen, kaum in den Datenbanken zur Verfügung stehen. Zudem ist die Auswirkung des Produkts auf die Profitabilität einer Routinetätigkeit typischerweise als gering anzusehen. Diese Sichtweise wird auch von der OECD vertreten, welche die Vergleichbarkeit von Funktionen regelmäßig der Vergleichbarkeit von Produkten voranstellt. Insbesondere im Rahmen einer TNMM-Analyse findet dieses Prinzip Anwendung (vgl. OECD Verrechnungspreisgrundsätze, Tz. 2.69.). Auch die Verwendung der jeweiligen Unternehmensdatenbank hat darauf eine Auswirkung: Während europäische Unternehmensdatenbanken typischerweise sehr viele Unternehmen beinhalten, ist dies für Datenbanken mit Schwerpunkten in anderen Regionen der Welt nicht gegeben. Wird eine Angemessenheitsanalyse für eine Region mit nur wenigen Vergleichsbeobachtungen erstellt, so ergibt sich die Notwendigkeit auf der Ebene der Produktvergleichbarkeit mehr Kompromisse einzugehen als dies für eine Region mit mehr Vergleichsbeobachtungen der Fall ist. Hier empfiehlt es sich diesen Punkt entweder in der Dokumentation zu thematisieren oder im Dialog mit der Betriebsprüfung zu erörtern.
6. Review aus deutscher Sicht empfehlenswert
Gerade regionale Datenbankstudien werden regelmäßig Finanzverwaltungen in unterschiedlichen Ländern zur Verteidigung der lokalen Verrechnungspreispolitik vorgelegt. Dies ist aus Sicht des Steuerpflichtigen sinnvoll, da ansonsten für jedes einzelne Land eine eigene Studie mit den damit verbundenen Kosten zu erstellen wäre. Allerdings gibt es auch hier einige Punkte zu beachten: Wie weiter oben beschrieben ist beispielsweise innerhalb der europäischen Union die Verwendung europäischer Datenbankstudien weit verbreitet. Auch wenn der regionale Suchansatz selbst in den jeweiligen Ländern akzeptiert wird, so unterscheiden sich die spezifischen Anforderungen an die Studien in den einzelnen Ländern. Ein regelmäßiger Diskussionspunkt in Betriebsprüfungen betrifft die Definition der Unabhängigkeit der Vergleichsunternehmen. Ein deutscher Betriebsprüfer beruft sich hier in der Regel auf § 1 Abs. 2 AStG, wonach ein Steuerpflichtiger nicht mehr als unabhängig gilt, wenn es einen Anteilseigner gibt, der mehr als 25% der Anteile hält (oder andersherum der Steuerpflichtige mehr als 25% an einem anderen Unternehmen). Auch wenn dieser Schwellenwert selbst im Zusammenhang mit Verrechnungspreisanalysen zur Diskussion gestellt werden kann, ist es typischerweise aus deutscher Sicht risikominimierend sich an diesem Kriterium zu orientieren. In Unternehmensdatenbanken kann ein entsprechender Schwellenwert für das Unabhängigkeitskriterium in Übereinstimmung mit der 25%-Regel gesetzt werden. Finanzverwaltungen in anderen Ländern können hier jedoch eine andere Auffassung vertreten und beispielsweise Unternehmen, deren Anteilseigner nicht mehr als 50% der Anteile halten, noch als unabhängig erachten. Damit eine solche Studie in beiden Ländern zur Anwendung kommen kann, empfiehlt es sich die Studie zunächst in Übereinstimmung mit der weniger restriktiven Regelung zu erstellen und später eine weitere Bandbreite fremdüblicher Margen zu bestimmen, die auch der restriktiveren Anforderung genügt. Der sich daraus ergebende Zusatzaufwand ist dabei für den Steuerpflichtigen weit weniger umfangreich als die Erstellung einer weiteren Datenbankstudie. Ähnliche Konstellationen können sich auch für andere Parameter einer Datenbankstudie ergeben. Beispielsweise sei hier der Umgang mit potentiellen Vergleichsunternehmen in Verlustsituationen erwähnt. Bei Verwendung einer Datenbankstudie, die ursprünglich zur Anwendung in einem anderen Land gedacht war, empfiehlt sich in jedem Fall eine nachträgliche Prüfung der Studie aus lokaler Perspektive durch den Steuerpflichtigen, bevor die Studie der Betriebsprüfung zugänglich gemacht wird.