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13.01.2021
Verfahrensrecht

JStG 2020: Verlängerung der Verfolgungsverjährung in Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde die Verfolgungsverjährung in Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung von zehn auf fünfzehn Jahre angehoben. Die Neuregelung ist insbesondere bei der Vorbereitung von Selbstanzeigen im Sinne des § 371 AO zu berücksichtigen.

Hintergrund

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) beschlossen (siehe zur ausführlichen Darstellung Deloitte Tax-News). Das Gesetz wurde mit Datum vom 28.12.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl 2020 I, S. 3096 ff).

Regelung

Durch das JStG 2020 wurde § 376 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) dahingehend geändert, dass die Verjährung für Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung, die in den Regelbeispielen nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 AO ausdrücklich benannt sind, von zehn auf fünfzehn Jahre angehoben worden ist.

Eine gesetzlich fixierte Übergangsregelung im Hinblick auf die Frage, wie mit eigentlich bereits verjährten Fällen der betroffenen Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung umgegangen werden soll, ist im JStG 2020 nicht vorgesehen. Dies ist eine andere Vorgehensweise, als zum Beispiel mit den Formulierungen des Art. 97 § 23 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) gewählt wurde, nachdem im Jahr 2008 die steuerstrafrechtliche Verjährung für die betroffenen Fälle von fünf auf zehn Jahre angehoben worden war. Allerdings findet sich in der Gesetzesbegründung (Deutscher Bundestag, Drucksache 19/25160, dort Seite 228) eine Passage, die inhaltlich den Gedanken des Art. 97 § 23 EGAO aufgreift: „Die Regelung ist auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht verjährten Taten anzuwenden. Einer Übergangsregelung bedarf es insoweit nicht.“

Die absolute Verfolgungsverjährung, also die Verjährung unter Berücksichtigung von verlängernden Maßnahmen, wie zum Beispiel Ermittlungen, beträgt nunmehr 37,5 Jahre. Denn nach § 376 Abs. 3 AO tritt die Verjährung spätestens ein, wenn das Zweieinhalbfache der gesetzlichen Verjährungsfrist verstrichen ist.

Anmerkungen

Obwohl im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Begründung der Verlängerung der steuerstrafrechtlichen Verfolgungsverjährung die Verfolgung von Steuerhinterziehern in sogenannten Cum-Ex-Fällen angeführt wurde, betrifft die Wirkung der Gesetzesänderung alle in der AO ausdrücklich als Regelbeispiele benannten Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung. Cum-Ex-Gestaltungen machen hierbei im Verhältnis zur Gesamtzahl der Fälle nur einen geringen Anteil der Straftaten aus.
Die betroffenen Fälle der besonders schweren Steuerhinterziehung sind in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 AO als Regelbeispiele aufgeführt und werden nachfolgend auszugsweise genannt:

  • Steuerverkürzung in großem Ausmaß (Nach der Rechtsprechung ab einem Betrag von 50.000 Euro im jeweiligen Einzelfall gegeben; der Betrag ist in Unternehmenskonstellationen in der Praxis schnell erreicht.)
  • Steuerhinterziehung unter Missbrauch der Befugnisse als Amtsträger oder mit Mithilfe eines Amtsträgers
  • Steuerhinterziehung und fortgesetzter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege
  • Bandenmäßige Steuerhinterziehung im Bereich der der Umsatz- oder Verbrauchsteuern
  • Steuerhinterziehung in bestimmten Fällen der Nutzung von Drittstaat-Gesellschaften.

Darüber hinaus wäre es wünschenswert gewesen, wenn zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten im Einführungsgesetz zur Abgabenordung eine ausdrückliche Übergangsregelung zur Anwendung der verlängerten Verjährungsfristen aufgenommen worden wäre.

Auswirkungen auf die Selbstanzeige nach § 371 AO

Die Regelungen zur Selbstanzeige nach § 371 AO wurden durch das JStG 2020 nicht geändert.

Nach § 371 Abs. 1 AO gilt, dass wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wegen dieser Steuerstraftaten nicht wegen Steuerhinterziehung nach § 370 bestraft wird. Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.

Um das vorgenannte Vollständigkeitsgebot zu erfüllen, ist somit erforderlich, diejenigen potentiellen Steuerstraftaten zu identifizieren, die noch nicht verjährt sind. Aufgrund der oben beschriebenen, in der Gesetzesbegründung gegebenen Hinweise auf die Übergangssystematik von der alten zur neuen Rechtslage („Die Regelung ist auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht verjährten Taten anzuwenden.“), wird man annehmen dürfen, dass bei der Vorbereitung von Selbstanzeigen nicht bereits vom Inkrafttreten der Neuregelung an von einer 15-jährigen Verfolgungsverjährung auszugehen ist. Der zeitliche Rahmen einer Selbstanzeige wird sich vielmehr nach und nach verlängern, bis die Fristgrenze von 15 Jahren erreicht ist. Erst dann wird in Konstellationen, die unter die benannten Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 S. 2 AO fallen, die Verfolgungsverjährung eintreten können.

Unternehmen und verantwortliche Personen, die sich zu einer Selbstanzeige entscheiden, werden durch die sukzessive Verlängerung des im Rahmen der Selbstanzeige nachzuerklärenden Zeitraums auf 15 Jahre vor erhebliche Herausforderungen gestellt werden. Dies betrifft zum Beispiel die allgemeine Sachverhaltsaufklärung und die Aufbereitung des Zahlenmaterials, da vielfach Informationen nach Ablauf der üblichen Aufbewahrungsfristen schlichtweg nicht mehr vorhanden sein dürften. § 147 AO, der die regelmäßige Aufbewahrungsfrist von Unterlagen mit 10 Jahren festlegt, wurde durch das JStG 2020 nicht geändert.

Fundstelle

Bundesgesetzblatt, Jahressteuergesetz 2020, BGBl I 2020, 3096

Ihre Ansprechpartner

Heiko Ramcke
Partner

hramcke@deloitte.de
Tel.: +49 511 307559 53

Dr. Dennis Haase
Counsel

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Dr. Anna Borsci
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