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26.11.2010
Verfahrensrecht

FG Schleswig-Holstein: Gebühren für verbindliche Auskünfte verfassungsgemäß

Sachverhalt

Die Klägerin hatte zum 01.01.2008 eine Umstrukturierung zur geschäftsleitenden Holding beabsichtigt und in diesem Zusammenhang beim Finanzamt die Erteilung einer verbindlichen Auskunft beantragt. Das Finanzamt erteilte die verbindliche Auskunft und setzte die Wertgebühr in Höhe von 91.456 Euro fest. Dabei legte es auf der Grundlage der Angaben der Klägerin einen Gegenstandswert von mindestens 30 Millionen Euro zugrunde. Hiergegen erhob die Klägerin Einspruch. Sie habe ausdrücklich die Festsetzung einer Zeitgebühr beantragt. Die festgesetzte Wertgebühr stehe in einem groben Missverhältnis zur erbrachten Leistung. Der Ablauf des von ihr eng begleiteten Verfahrens lasse auf einen Verwaltungsaufwand von etwa 150 – 180 Arbeitsstunden schließen. Dementsprechend würde sich eine Zeitgebühr zwischen 15.000 und 18.000 Euro errechnen, welche deutlich unterhalb der Wertgebühr liege. Die Beteiligten streiten darüber, ob für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft eine Wertgebühr vorrangig vor einer Zeitgebühr anzusetzen ist.

Entscheidung

Die Erhebung von Gebühren für die Erteilung verbindlicher Auskünfte ist verfassungsgemäß. Der gesetzlich angeordnete Vorrang der Wertgebühr vor einer Zeitgebühr ist auch im Falle des Ansatzes der Höchstgebühr von 91.456 Euro nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber verletzt seinen Gestaltungsspielraum nicht, wenn er für sachlich unterschiedliche Verwaltungsleistungen unterschiedliche Maßstäbe der Gebührenbemessung vorsieht.

Für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft werden Gebühren erhoben, die nach dem Wert berechnet werden, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert, § 89 Abs. 3 bis 5 AO). Die Finanzbehörde soll der Gebührenfestsetzung den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Diese Voraussetzungen sind hier gewahrt. Dass der Ansatz dieses Gegenstandswertes zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen würde, ist weder qualifiziert dargetan noch sonst ersichtlich. Das Interesse der Klägerseite am Erhalt der verbindlichen Auskunft bemisst sich am steuerlichen Risiko, welches mit der Umstrukturierung verbunden war. Das Risiko bestand hier in einer möglichen Besteuerung stiller Reserven des übertragenen Betriebsvermögens. Das steuerliche Risiko wurde vom Finanzamt zuletzt mit mindestens 40 Millionen Euro beziffert. Ein solcher Wert erscheint nach Aktenlage plausibel und wurde von der Klägerseite auch nicht in Abrede gestellt.

Es kann dahinstehen, ob bei Ansatz einer Zeitgebühr gemäß § 89 Abs. 4 Satz 4 AO eine niedrigere Gebühr festzusetzen wäre, denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Ansatz einer solchen Gebühr zu. Eine Zeitgebühr ist nur dann anzusetzen, wenn sich der Gegenstandswert nicht, auch nicht durch Schätzung, ermitteln lässt. Das ist hier aus den vorgenannten Gründen nicht der Fall.

Die Rechtsanwendung des Finanzamts ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Gebührenregelung des § 89 AO ist verfassungsgemäß (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteile vom 20.05.2008 und 17.03.2010). Dies gilt auch für die Ausgestaltung der Bemessungsfaktoren zur Höhe der Gebühr (vgl. hierzu Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 16.07.2010). Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Klägerin im Streitfall unabhängig vom konkreten Bearbeitungsaufwand der Finanzbehörde mit einer Wertgebühr in Höhe des Höchstsatzes von 91.456 Euro belastet ist. Eine Gebührenbemessung ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erst dann zu beanstanden, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen Gebührenzwecken steht. Gebühren werden in der Regel in Massenverfahren erhoben, bei denen jede einzelne Gebühr nicht nach Kosten, Wert und Vorteil einer real erbrachten Leistung genau berechnet, sondern vielfach nur nach Wahrscheinlichkeit und Vermutungen in gewissem Maß vergröbert bestimmt und pauschaliert werden kann. Maßgebliche Bestimmungsgrößen der Gebührenbemessung, wie die speziellen Kosten der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistungen, der Vorteil der Leistungen für den Gebührenschuldner oder die verhaltenslenkende Wirkung einer finanziellen Belastung, werden sich häufig nicht exakt und im Voraus ermitteln und quantifizieren lassen. Bei der Ordnung der Gebührenerhebung und Gebührenbemessung ist der Gesetzgeber daher berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen. Er darf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können (BVerfG, Urteil vom 19.03.2003). Diesen Anforderungen hält die Gebührenregelung stand. Der Gesetzgeber hat sich durch § 89 Abs. 4 AO in zulässiger Weise dafür entschieden, die Gebührenhöhe vorrangig nach dem Wert, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat und lediglich nachrangig nach dem in der für die Antragsbearbeitung aufgewendeten Zeit zum Ausdruck kommenden Verwaltungsaufwand zu bemessen. Die Revision wurde zugelassen.

Betroffene Norm

§ 89 Abs. 3 bis 5 AO
Streitjahr 2007

Fundstelle

Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 01.10.2010, 1 K 282/07, Revision zugelassen

Weitere Fundstellen

BVerfG, Urteil vom 19.03.2003, 2 BvL 9/98
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2008, 1 K 46/07, EFG 2008, S. 1342
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.03.2010, 1 K 661/08, EFG 2010, S. 1284
Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 16.07.2010, 10 V 101/10

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