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14.06.2013
Verfahrensrecht

FG Hamburg: Grobes Verschulden bei im Rahmen einer Selbstanzeige zu hoch geschätzten Einkünften

Ein Steuerpflichtiger, der steuerpflichtige Einkünfte über Jahre nicht nur nicht erklärt, sondern bewusst nicht einmal deren Höhe in Erfahrung bringt, nimmt dabei notwendigerweise in Kauf, dass er später bei drohender Tatentdeckung zur Erlangung von Straffreiheit zu einer umgehenden Selbstanzeige in Unkenntnis der tatsächlichen Höhe der hinterzogenen Einkünfte gezwungen ist. Schätzt der Steuerpflichtige die hinterzogenen Einkünfte dann bei der Nacherklärung zu hoch, um seine vollständige Straffreiheit sicherzustellen, trifft ihn ein die Änderung des aufgrund der Selbstanzeige ergangenen Bescheides verhinderndes grobes Verschulden.

Sachverhalt

Die Kläger sind Eheleute und erzielten in den Streitjahren 2000 bis 2006 Einkünfte aus Kapitalvermögen aus einem Depot bei der A-Bank in der Schweiz. Diese Einkünfte gaben sie in den für die Streitjahre abgegebenen Einkommensteuererklärungen nicht an. Nachdem bei den Klägern im Januar 2010 bei einem Grenzübertritt Bargeld aufgefunden wurde, erstatteten sie wegen drohender Tatentdeckung Selbstanzeige und erklärten Schweizer Einkünfte nach. Da ihnen zu diesem Zeitpunkt keine Erträgnisaufstellung der A-Bank vorlag, schätzten sie die Erträge. Das Finanzamt erließ daraufhin geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen es die nacherklärten Einkünfte in der erklärten Höhe berücksichtigte. Im Mai 2010 beantragten die Kläger die Änderung der Bescheide und Herabsetzung der im Rahmen der Selbstanzeige erklärten Schweizer Einkünfte entsprechend den gleichzeitig eingereichten Erträgnisaufstellungen.

Das Finanzamt lehnte eine Änderung der Bescheide wegen groben Verschuldens der Kläger ab. Der hiergegen erhobene Einspruch wurde zurückgewiesen.

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt war nicht zur Änderung der Bescheide verpflichtet, da die Kläger ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen und Beweismittel trifft.

Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO). Zwar ist die Höhe der in den Streitjahren aus dem Depot der Kläger bei der A-Bank erzielten Einkünfte jeweils eine Tatsache und die Erträgnisaufstellungen sind die entsprechenden Beweismittel. Diese sind dem Finanzamt auch erst nachträglich bekannt geworden. Jedoch trifft die Kläger ein grobes Verschulden an dem erst nachträglichen Bekanntwerden der tatsächlichen Höhe der Kapitaleinkünfte.

Die Kläger haben ihre Kapitaleinkünfte aus dem Schweizer Depot in der Nacherklärung bewusst zu hoch angegeben, um sicher Straffreiheit zu erlangen. Sie können sich nicht darauf berufen, insoweit nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt zu haben, weil ihnen die Erträgnisaufstellungen im Zeitpunkt der Nacherklärung nicht vorgelegen hätten. Dabei kann zugunsten der Kläger davon ausgegangen werden, dass ihnen die Erträgnisaufstellungen im Zeitpunkt der Änderungsveranlagungen tatsächlich nicht vorlagen. Die Kläger trifft jedoch ein grobes Verschulden daran, dass sie die tatsächliche Höhe der Einkünfte im Zeitpunkt der Nacherklärung nicht kannten und nicht im Besitz der diesbezüglichen Erträgnisaufstellungen waren. Sie haben ihre Verpflichtung zur Sachaufklärung und Herbeischaffung von Beweismitteln (§ 90 Abs. 2 AO, § 68b EStDV) vorsätzlich verletzt, indem sie sich die Erträgnisaufstellungen nicht nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums haben übermitteln lassen, um das Risiko einer Tatentdeckung zu verringern.

Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass für die Verschuldensfrage nur auf den Zeitpunkt der Nacherklärung abzustellen sei ohne Einbeziehung des vorherigen Verhaltens und dass sie bei der Nacherklärung selbst nicht schuldhaft gehandelt hätten. Zum einen hätten sie sich die Erträgnisaufstellungen noch nach der Grenzkontrolle, aber vor Durchführung der Änderungsveranlagungen (etwa durch persönliche Vorsprache in der Bank) beschaffen oder zumindest die zutreffende Höhe der Einkünfte in Erfahrung bringen können. Zum anderen wäre, selbst wenn die Beschaffung der Informationen und Unterlagen im Zeitpunkt der Nacherklärung tatsächlich nicht möglich oder wegen der drohenden Tatentdeckung nicht zumutbar gewesen wäre, das grobe Verschulden aus der Zeit davor in die Beurteilung einzubeziehen. Ein Steuerpflichtiger, der steuerpflichtige Einkünfte über Jahre nicht nur nicht erklärt, sondern bewusst nicht einmal deren Höhe in Erfahrung bringt und auf Nachweise verzichtet, um das Entdeckungsrisiko möglichst gering zu halten, nimmt dabei notwendigerweise in Kauf, dass er, wenn sich dieses Risiko plötzlich erhöht, zur Erlangung von Straffreiheit zu einer umgehenden Selbstanzeige in Unkenntnis der tatsächlichen Höhe der hinterzogenen Einkünfte gezwungen ist. Tritt diese in Kauf genommene Folge dann tatsächlich ein und schätzt der Steuerpflichtige die hinterzogenen Einkünfte bewusst zu hoch, um seine vollständige Straffreiheit sicherzustellen, ändert dies nichts an der vorherigen grob schuldhaften Pflichtverletzung. Der Steuerpflichtige wird durch die Verwirklichung des in Kauf genommenen Risikos nicht nachträglich exkulpiert.

Betroffene Norm
§§ 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, 90 Abs. 2 AO
Streitjahre 2000 bis 2006

Fundstelle  
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 07.02.2013, 3 K 119/12, Revision nicht zugelassen

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