BFH: Zulässigkeit der Klage gegen einen Folgebescheid
Die Klage gegen einen Folgebescheid ist nicht allein deswegen unzulässig, weil sie ausschließlich mit Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid begründet wird (Rechtsprechungsänderung des I. Senats des BFH). Gleichwohl ist die Klage dann grundsätzlich unbegründet.
Hintergrund und Problemstellung
Vorjahres-Verlustfeststellungsbescheide für die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer sind Grundlagenbescheide für die Verlustfeststellungsbescheide des Folgejahrs. Ein Kläger kann mit Einwendungen gegen Entscheidungen in Grundlagenbescheiden nur in den Rechtsbehelfsverfahren gegen jene Grundlagenbescheide, nicht aber auch in den Rechtsbehelfsverfahren gegen die Folgebescheide gehört werden (§ 351 Abs. 2 AO). Strittig ist aber, ob dieser Umstand auch dazu führt, dass die Klage gegen einen Folgebescheid allein deswegen unzulässig ist, weil sie ausschließlich mit Einwendungen begründet wird, die den Grundlagenbescheid betreffen.
Entscheidung
Diese Frage verneint der I. Senat des BFH in Abkehr zu seiner in jüngerer Zeit vertretenen gegenteiligen Auffassung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12.07.2012, I R 23/11; vom 11.09.2013, I R 26/12 und vom 26.04.2017, I R 76/15 – jeweils Klagen gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags, sowie BFH-Urteil vom 18.12.2013, I R 25/12 – Klage gegen Verlustfeststellungs- und andere Folgebescheide) fest. Er kehrt vielmehr zu seiner früheren Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 02. 09.1987, I R 162/84 und vom 09.11.2005, I R 10/05) zurück und schließt sich damit der Spruchpraxis anderer Senate des BFH an (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.11.2015, III R 12/13; vom 12.10.2011, VIII R 2/10; vom 01.07.2010, IV R 100/06, und vom 15.10.2003, X R 48/01), der zufolge es in einem solchen Fall nicht an der gemäß § 40 Abs. 2 FGO für die Erhebung der Anfechtungsklage erforderlichen Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch den Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts fehlt (vgl. zur Begründung und zur Auseinandersetzung mit der Gegenauffassung insbesondere BFH-Urteil vom 02. 09.1987, I R 162/84 sowie Gräber/Levedag, FGO, 8. Aufl., § 42 Rz. 38).
Im Ergebnis besteht nun unter den verschiedenen Senaten des BFH Einigkeit darüber, dass die Klage gegen einen Folgebescheid auch dann zulässig ist, wenn sie ausschließlich mit den Grundlagenbescheid betreffenden Einwendungen begründet wird. Entsprechende Klagen sind aber grundsätzlich unbegründet, da Grundlagenbescheide Bindungswirkung für die angefochtenen Folgebescheide haben und daher im Klageverfahren gegen die Folgebescheide nicht mehr auf ihre materielle Richtigkeit hin geprüft werden können.
Betroffene Norm
§ 351 Abs. 2 AO, § 40 Abs. 2 FGO
Streitjahre 2004-2006
Fundstelle
BFH, Urteil vom 27.06.2018, I R 13/16, lt. BMF zur Veröffentlichung im BStBl. II vorgesehen
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 26.04.2017, I R 76/15, BStBl II 2017, S. 1159
BFH, Urteil vom 05.11.2015, III R 12/13, BStBl II 2016, S. 420, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 18.12.2013, I R 25/12, BFH/NV 2014, S. 904, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 11.09.2013, I R 26/12, BFH/NV 2014, S. 728
BFH, Urteil vom 12.07.2012, I R 23/11, BFHE 238, S. 344 siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 12.10.2011, VIII R 2/10, BFH/NV 2012, S. 776
BFH, Urteil vom 01.07.2010, IV R 100/06, BFH/NV 2010, S. 205
BFH, Urteil vom 09.11.2005, I R 10/05, BFH/NV 2006, S. 750
BFH, Urteil vom 15.10.2003, X R 48/01, BStBl II 2004, S. 169
BFH, Urteil vom 02. 09.1987, I R 162/84, BStBl II 1988, S. 142
Gräber/Levedag, FGO, 8. Aufl., § 42 Rz. 38
