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25.02.2016
Verfahrensrecht

BFH: Zeitliche Grenze für die Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten

Ein Antrags- oder Wahlrecht kann auch noch erstmalig im Einspruchsverfahren gegen einen nicht bestandskräftigen Änderungsbescheid – der einen bestandskräftigen Erstbescheid ändert – zulässig ausgeübt werden (entgegen BFH-Beschluss vom 10.05.2010). Voraussetzung ist, dass der Änderungsbescheid überhaupt erst die Grundlage für die Ausübung des Wahlrechts gelegt hat. Zudem kann nur insoweit geändert werden, als die betragsmäßige Änderung zwischen Erst- und Änderungsbescheid reicht.

Hinweis

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung können auch solche Antrags- oder Wahlrechte, für deren Ausübung im Gesetzeswortlaut keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung vorgesehen ist, grundsätzlich nur bis zum Eintritt der Bestandskraft des entsprechenden Steuerbescheids erstmals oder in geänderter Weise ausgeübt werden. Mit dem hier vorgestellten Urteil kommt der BFH nun zu dem Schluss, dass einkommensteuerrechtliche Antrags- oder Wahlrechte auch dann erstmalig ausgeübt oder geändert werden können, wenn der Erstbescheid bereits bestandskräftig ist, das Finanzamt aber einen steuererhöhenden Änderungsbescheid erlassen hat, bei dem die Bestandskraft noch nicht eingetreten ist. Voraussetzung sei, dass mit dem Änderungsbescheid ein steuererheblicher Sachverhalt erstmalig erfasst werde, aufgrund dessen überhaupt erst die wirtschaftliche Notwendigkeit entstanden sei, sich mit der erstmaligen bzw. geänderten Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts zu befassen (so auch BFH-Urteil vom 30.08.2001, entgegen BFH-Beschluss vom 10.05.2010, IX B 220/09, mit Zustimmung des IX. Senats).

Einigkeit besteht darüber, dass grundsätzlich durch die erstmalige oder geänderte Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts die Änderung einer formell bestandskräftigen, nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung nicht erreicht werden kann. Der Steuerpflichtige soll die Finanzverwaltung nicht allein durch die nachträgliche ("verspätete") erstmalige oder geänderte Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten zwingen können, die Veranlagung verfahrensrechtlich wieder zu "öffnen". Die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids wird nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aber dann zugelassen, wenn der Sachverhalt, auf dem das Wahlrecht beruht, dem Finanzamt nachträglich bekannt wird und den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden kein grobes Verschulden trifft. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige sein Wahlrecht erstmals ausüben, obwohl der Sachverhalt als solcher bereits in der ursprünglichen Veranlagung erfasst war und diese bestandskräftig geworden ist (BFH-Urteil vom 28.09.1984).

Die nachträgliche Antrags- oder Wahlrechtsausübung werde in zeitlicher Hinsicht durch die formelle Bestandskraft des Änderungsbescheids und in betragsmäßiger Hinsicht durch den Änderungsrahmen des § 351 Abs. 1 AO begrenzt.

Betroffene Norm
§ 351 Abs. 1 AO, § 367 Abs. 2 S. 2 AO
Streitjahr 2007

Vorinstanz
FG Münster, Urteil vom 24.04.2013, 7 K 2342/11 E, EFG 2014, S. 287

Fundstelle
BFH, Urteil vom 27.10.2015, X R 44/13, BStBl II 2016, S. 278

Weitere Fundstellen
BFH, Beschluss vom 10.05.2010, IX B 220/09, BFH/NV 2010, 1415
BFH, Urteil vom 30.08.2001, IV R 30/99, BStBl II 2002, S. 49
BFH, Urteil vom 28.09.1984, VI R 48/82, BStBl II 1985, S. 117

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