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21.08.2015
Verfahrensrecht

BFH: Einspruch durch einfache E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur

Auch nach der bis zum 31.07.2013 geltenden Rechtslage des § 357 Abs. 1 S. 1 AO kann ein Einspruch mit einfacher E-Mail, d.h. ohne eine qualifizierte elektronische Signatur, eingelegt werden, wenn das Finanzamt einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente eröffnet hat.

Sachverhalt

Die Klägerin hatte mit einfacher E-Mail Einspruch gegen einen Aufhebungsbescheid über Kindergeldfestsetzung der Familienkasse eingelegt. In dem angefochtenen Bescheid war die E-Mail-Adresse der Familienkasse angegeben. Die Familienkasse wies den Einspruch (wegen des Fehlens eines Berücksichtigungstatbestands nach § 32 Abs. 4 EStG) als unbegründet zurück. Das FG wies die dagegen erhobene Klage mit der Begründung ab, es sei mangels qualifizierter elektronischer Signatur kein wirksamer Einspruch eingelegt worden.

Entscheidung

Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin mit ihrer einfachen E-Mail keinen wirksamen Einspruch eingelegt habe.

Gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 AO in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung ist der Einspruch schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. Es genügt, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer ihn eingelegt hat (§ 357 Abs. 1 S. 2 AO). Auch nach der Rechtsprechung des BFH (BFH, Urteil vom 30.10.1997) umfasse die für den Einspruch geforderte Schriftlichkeit nicht auch das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift des Einspruchsführers. Aus dem Begriff "schriftlich" könne nicht ohne Weiteres auf ein die eigenhändige Unterschrift umfassendes "Schriftform"-Erfordernis geschlossen werden.

§ 87a Abs. 3 Satz 1 AO beziehe sich auf die Substitution der durch Gesetz angeordneten "Schriftform" durch die "elektronische Form". Nur in diesem Fall sei das von der Schriftform umfasste Unterschriftserfordernis gemäß § 87a Abs. 3 Satz 2 AO durch die elektronische Signatur zu ersetzen. Der Wortlaut des § 87a Abs. 3 Satz 1 und 2 AO stehe daher der Zulassung eines einfachen elektronischen Dokuments nicht entgegen, wenn das Gesetz für Anträge, Erklärungen oder Mitteilungen nicht die Schriftform verlange, sondern eine Erklärung genügen lasse, die zwar schriftlich, d.h. in Text- oder Papierform erfolgen, aber keine eigenhändige Unterschrift enthalten müsse.

Nach der durch das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.07.2013 erfolgten Einfügung einer Legaldefinition des Begriffes "elektronische Form" in § 87a Abs. 3 Satz 2 AO genüge der elektronischen Form ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sei. Damit solle - ohne Änderung des Regelungsgehalts - klargestellt werden, dass "elektronische Form" nicht - wie möglicherweise im allgemeinen Sprachgebrauch-- als Abgrenzung zu papiergebundenen Verfahren verstanden werde, sondern es sich um eine Formvorschrift handele (elektronische Form = elektronisches Dokument + qualifizierte elektronische Signatur), die das Gegenstück zur "Schriftform" beschreiben solle.

Hat die Finanzbehörde einen Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente eröffnet, könne auch nach der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung des § 357 Abs. 1 S. 1 AO ein Einspruch mit einfacher E-Mail eingelegt werden, ohne dass diese mit einer qualifizierten Signatur versehen werden müsse. Mit Wirkung ab 01.08.2013 ist § 357 Abs. 1 S.1 AO dahingehend ergänzt, dass der Einspruch auch „elektronisch“ eingereicht werden kann.

Betroffene Norm

§ 87a Abs. 3 Satz 1 und 2 AO, § 357 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AO
Streitjahr 2012

Vorinstanz

FG Hessen, Urteil vom 02.06.2014, 8 K 1658/13, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 13.05.2015, III R 26/14

Weitere Fundstellen

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 24.11.2011, 10 K 275/11, siehe Deloitte Tax-News

BFH, Urteil vom 30.10.1997, III R 27/93, BFH/NV 1998 S. 942

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