BFH: Die Erhebung einer Gebühr für verbindliche Auskünfte ist verfassungsgemäß
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, hatte beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft zu einem geplanten Umstrukturierungssachverhalt beantragt, dessen Gegenstandswert sie mit rund 1 Mio. Euro angab. Das Finanzamt erteilte die begehrte Auskunft im Sinne der Klägerin und erließ einen Gebührenbescheid, sog. Wertgebühr, über rund 5.000 Euro. Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit dieser Wertgebühr.
Entscheidung
Die sog. Wertgebühr, die für die Bearbeitung von Anträgen auf verbindliche Auskünfte erhoben wird, ist dem Grunde und der Höhe nach verfassungsgemäß.
Das Verfahren zur Erteilung verbindlicher Auskünfte über die steuerliche Beurteilung noch nicht verwirklichter Sachverhalte wurde durch das JStG 2007eingeführt. Für die Bearbeitung entsprechender Auskunftsanträge werden seitdem Gebühren erhoben, die sich nach dem Wert berechnen, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat; die Gebühren für diesen Gegenstandswert bestimmen sich nach den entsprechenden Gerichtskosten. Ersatzweise wird eine Zeitgebühr von 50 Euro je angefangene Stunde angesetzt. Die verbindliche Auskunft bezieht sich nach § 89 Abs. 2 S. 1 AO ausschließlich auf die Beurteilung noch nicht verwirklichter Sachverhalte, hinsichtlich derer folglich ein Besteuerungsverfahren noch nicht begonnen haben kann und von denen nicht sicher ist, dass sie später tatsächlich verwirklicht und im Rahmen von Besteuerungsverfahren zu beurteilen sein werden. Deshalb handelt es sich bei dem Auskunftsverfahren um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren, in dem die Finanzbehörde gegenüber dem Auskunftssuchenden eine besondere Dienstleistung erbringt.
Die Erhebung der Auskunftsgebühr dient daher nicht nur dem Zweck des Kostenausgleichs, sondern auch dem einer Vorteilsabschöpfung. Mit den Auskünften sind für den Steuerpflichtigen besondere Vorteile bereits im Vorfeld von Steuergestaltungen verbunden. Die Finanzverwaltung ist nicht verpflichtet, solche Vorteile ohne Gegenleistung zur Verfügung zu stellen. Die primäre Orientierung der Gebührenhöhe am Gegenstandswert (§ 89 Abs. 4 AO) ist vertretbar und steht nicht in einem groben Missverhältnis zu den Gebührenzwecken der Kostendeckung und der Vorteilsabschöpfung. Soweit gegen die Verhältnismäßigkeit der Wertgebühr bei hohen Gegenstandswerten vorgebracht wird, dass die Höhe des Gegenstandswerts nicht zwingend etwas über den für die Bearbeitung des Antrags erforderlichen Verwaltungsaufwand aussage, wird der Blick zu sehr auf den Gebührenzweck der Kostendeckung verengt. Der Gebührenzweck der Abschöpfung des mit der verbindlichen Auskunft verbundenen Sondervorteils der Bindungswirkung der Auskunft bietet indessen durchaus einen sachlichen Grund für die Anknüpfung der Gebührenhöhe an den Maßstab des § 34 Gerichtskostengesetzes. Überdies vermeidet die Orientierung am Gegenstandswert die bei einer reinen Zeitgebühr zu erwartenden Streitigkeiten über die Angemessenheit der Bearbeitungsdauer (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011, BT-Drs. 17/5125, S. 67). Jedenfalls in den Fällen, in denen es - wie im Streitfall - tatsächlich zur Erteilung der beantragten Auskunft kommt, steht die Gebührenbemessung auf der Grundlage des Gegenstandswerts in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.02.1991).
Betroffene Norm
§ 89 Abs. 2 bis 5 AO i.d.F. JStG 2007
Streitjahr 2007
Anmerkungen
In einem AdV-Verfahren hat es der BFH (Beschluss vom 30.03.2011) als nicht ernstlich zweifelhaft angesehen, dass die Auskunftsgebühr auch verfassungsgemäß ist, wenn sie im Einzelfall besonders hoch ausfällt (im Streitfall rund 91.000 Euro). AdV sei nicht schon allein deshalb zu gewähren, weil im Fachschrifttum Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage des angefochtenen Verwaltungsakts geäußert worden sind.
Vgl. hierzu auch Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 08.08.2011, 8 V 1281/11, EFG 2011, S. 1938 zur Verfassungsmäßigkeit einer Gebühr für die Bearbeitung bzw. Ablehnung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft.
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 01.07.2010, 3 K 722/08 S, EFG 2010, S. 1973, zu BFH I R 61/10 siehe Beitrag in den Deloitte Tax-News
Fundstellen
BFH, Urteil vom 30.03.2011, I R 61/10, BStBl II 2011, S. 536
BFH, Beschluss vom 30.03.2011, I B 136/10
Weitere Fundstellen
BVerfG, Beschluss vom 07.02.1991, 2 BvL 24/84, BVerfGE 1991, S. 83
Weitere Beiträge
Der Regierungsentwurf eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011 sieht eine Änderung des § 89 AO dahingehend vor, dass die Gebührenpflicht für verbindliche Auskünfte mit einem Gegenstandswert von weniger als 10.000 Euro aufgehoben werden soll (Bagatellgrenze). Siehe hierzu den Beitrag in den Deloitte Tax-News.