BFH: Aussetzung des Klageverfahrens wegen des Verfahrens vor dem BVerfG zum SolZG
Sachverhalt
In dem Klageverfahren ist die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags (SolZ) zur Einkommensteuer für das Kalenderjahr 2007 streitig. Das Niedersächsische Finanzgericht hält in einem Beschluss vom 25.11.2009 die andauernde Erhebung des SolZ spätestens ab dem Jahr 2007 für verfassungswidrig und hat das Klageverfahren dem BVerfG vorgelegt. Gemäß BMF-Schreiben vom 07.12.2009 sind spätestens mit Wirkung ab 23.12.2009 SolZ-Festsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2005 vorläufig vorzunehmen. In dem Klageverfahren wurde die Aussetzung beantragt, da ein Verfahren vor dem BVerfG anhängig ist.
Entscheidung
Das Gericht kann die Aussetzung des Verfahrens u.a. dann anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.
Das streitige Klageverfahren war nicht im Hinblick auf das beim Niedersächsischen FG anhängige Verfahren auszusetzen, obwohl dieses ebenfalls - wie das streitige Klageverfahren - die Frage betrifft, ob der festgesetzte Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2007 verfassungsgemäß ist. Eine Aussetzung des Verfahrens ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil nach den Verwaltungsanweisungen in den meisten Bundesländern die Einsprüche insoweit nach § 363 Abs. 2 der AO ruhen können. Die Voraussetzungen für das Ruhen des Einspruchsverfahrens nach § 363 Abs. 2 AO unterscheiden sich grundlegend von denen der Aussetzung des Klageverfahrens nach § 74 FGO bzw. der vergleichbaren Aussetzung des Einspruchs-verfahrens nach § 363 Abs. 1 AO.
Ein Klageverfahren kann auszusetzen sein, wenn vor dem BVerfG ein nicht von vornherein aussichtsloses Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist, zahlreiche Parallelverfahren vorliegen und keiner der Verfahrensbeteiligten ein besonderes berechtigtes Interesse an einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der umstrittenen gesetzlichen Regelung trotz des beim BVerfG anhängigen Verfahrens hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da dem BVerfG unter dem Aktenzeichen 2 BvL 3/10 ein Normenkontrollverfahren vorliegt, dem der Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG zugrunde liegt. In dem Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG hält das FG das SolZG 1995 in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung für verfassungswidrig, weil sich der Gesetzgeber nicht an die vom Verfassungsgeber gesetzten Regeln der Finanzverfassung gehalten habe. Ein Normenkontrollverfahren ist anhängig, sobald der Vorlagebeschluss dem BVerfG zugeht. Es ist nicht erforderlich, dass das Verfahren zur Entscheidung angenommen wird. Unerheblich ist auch, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens noch nicht vorgelegen haben, als das FG den angefochtenen Beschluss erlassen hat, sondern diese erst danach eingetreten sind. Denn für die Beurteilung der Verfahrensaussetzung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung maßgebend.
Eine Aussetzung des Klageverfahrens ist deshalb im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass nunmehr zur Verfassungsmäßigkeit des SolZG 1995 in der für das Streitjahr 2007 geltenden Fassung das Verfahren beim BVerfG anhängig ist. Das beim FG anhängige Klageverfahren ist so lange auszusetzen, bis das BVerfG über den Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG entschieden hat.
Fundstelle
BFH-Beschluss vom 09.06.2010, II B 154/09, nicht veröffentlicht
Weiter Fundstellen
Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 25.11.2009, 7 K 143/08
BMF-Schreiben vom 07.12.2009, IV A 3 – S 0338/07/10010, BStBl I 2009 S. 1509, ausführlich in den Deloitte Tax-News
BMF-Schreiben vom 23.04.2010, IV C 1 – S 2283-c/09/10005, BStBl I 2010 S. 494, ausführlich in den Deloitte Tax-News