Anzeigepflicht für Steuergestaltungen: Bundestag verabschiedet Gesetz
Aktuell:
- Verkündet am 30.12.2019 im BGBl I 2019 S. 2875
- Der Bundesrat hat am 20.12.2019 dem Gesetz zugestimmt.
Mit kleinen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf hat der Bundestag am 12.12.2019 das Gesetz zur Einführung einer Pflicht für Intermediäre zur Mitteilung von Steuergestaltungen verabschiedet und damit einen weiteren Schritt zur Umsetzung einer EU-Richtlinie in nationales Recht gemacht. In den Beratungen im Bundestag wurden neben kleineren Änderungen an der Umsetzung der Pflicht zur Mitteilung einige hiervon unabhängige Änderungen, wie die Anhebung der Umsatzgrenze für die USt-Istversteuerung oder Aktualisierung des Brexit-Übergangsgesetzes, aufgenommen.
Hintergrund
Mit dem Ziel der Bekämpfung von Steuermissbrauch und der Sicherstellung einer faireren Besteuerung in der EU hat der EU-Ministerrat am 25.05.2018 eine Richtlinie mit Transparenzvorschriften für Intermediäre im Bereich der Steuerplanung (DAC6) verabschiedet (siehe zum Verfahren Deloitte Tax-News). Es geht dabei um die Meldepflicht und den Informationsaustausch unter den Mitgliedsstaaten von gewissen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Das Bundeskabinett hat am 09.10.2019 den Regierungsentwurf verabschiedet und sich beim Entwurf sehr eng an den Vorgaben der EU-Richtlinie orientiert (siehe Deloitte Tax-News). Der Bundestag hat einige Vorschläge aus der Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf aufgriffen und am 12.12.2019 das Gesetz mit kleineren Anpassungen und Ergänzungen gegenüber dem Regierungsentwurf verabschiedet. Dabei wurden auch noch einige Gesetzesänderungen aufgenommen, die inhaltlich nicht mit der Meldepflicht im Zusammenhang stehen. Im nächsten Schritte steht die Zustimmung des Bundesrates aus. Die letzte Sitzung des Bundesrates in diesem Jahr findet am 20.12.2019 statt.
Gesetzesbeschluss
Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz enthält die folgenden Änderungen, die nicht im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Richtlinie stehen:
- Durch eine Ergänzung in § 20 Abs. 6 EStG soll die Verlustverrechnung bei Einkünften aus Termingeschäften und aus dem Ausfall von Kapitalanlagen beschränkt werden. Danach sollen Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit den Erträgen aus Stillhaltergeschäften und das auch nur bis zu einer Höhe von 10.000 € im Jahr, ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden. Verluste aus der ganzen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, aus der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter, aus der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter auf einen Dritten oder aus einem sonstigen Ausfall von Wirtschaftsgütern können nur noch mit Einkünften aus Kapitalvermögen bis zur Höhe von 10 000 Euro im Jahr ausgeglichen werden. Auch hier soll ein Vertrag von nicht verrechneten Verlusten in Folgejahre möglich sein.
- Das Brexit-Übergangsgesetz wird bei der Bezugnahme an das überarbeitete Austrittsabkommen angepasst.
- Die Umsatzgrenze in § 20 Absatz 1 Nummer 1 UStG für die Beantragung der Inanspruchnahme der IST-Versteuerung wird von 500 000 Euro auf 600.000 Euro angehoben.
- In § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG wird klargestellt, dass investierende Mitglieder im Sinne des § 8 Abs. 2 des Genossenschaftsgesetzes keine steuerbefreiten Mitglieder einer Wohnungsgenossenschaft sind.
Neben diesen Gesetzesänderungen verabschiedete der Bundestag die Regelungen zur Anzeigepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen wie folgt. Die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf sind kursiv kenntlich gemacht.
Meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen
Betroffen sind grundsätzlich nur Gestaltungen von Steuern, auf die das EU-Amtshilfegesetz anzuwenden sind, nicht also die Umsatzsteuer. Die mitteilungspflichtigen Tatbestände wurden aus der EU-Richtlinie übernommen und sind als abschließende Aufzählung im Gesetzesbeschluss unter § 138e AO zu finden. Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie im Gesetz kommt es im Vergleich zum Richtlinientext zu leichten Abweichungen, die vor allem rechtstechnischer Natur sind. Es wird eine Anpassung der Formulierungen an die deutsche Gesetzeslage vorgenommen.
Eine meldepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung ist anhand von Kennzeichen zu identifizieren, wobei mindestens eines der Kennzeichen vorliegen muss. Es gibt dann eine Gruppe von Kennzeichen, bei denen die Meldepflicht zusätzlich noch gekoppelt ist an die Erfüllung des „main-benefit Tests“. Dieser gilt als erfüllt, wenn „ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile die Erlangung eines steuerlichen Vorteils“ ist. Ein solcher Steuervorteil wird in § 138d Abs. 3 AO definiert, es kann sich dabei ausdrücklich auch um einen steuerlichen Vorteil handeln, der außerhalb Deutschlands eintritt.
Einführung einer weißen Liste: Das BMF erhält in §138d Abs. 3 AO die Ermächtigung, im Rahmen eines BMF-Schreibens für bestimmte Fallgruppen zu bestimmen, dass kein steuerlicher Vorteil im Sinne der Regelung anzunehmen ist.
Die Kennzeichen mit main-benefit Test sind in § 138e Abs. 1 AO aufgezählt:
- qualifizierte Vertraulichkeitsklausel
- erfolgsabhängige Gebühren
- Standardisierte Strukturen (wesentliche inhaltliche oder konzeptionelle Bestandteile lassen sich ohne große Anpassung bei anderen Steuerpflichtigen verwenden)
- Unangemessene rechtliche Schritte zur Verlustnutzung
- Umwandlung von Einkünften in nicht oder niedriger besteuerte Einnahmen
- Transaktionen über Zwischengesellschaften ohne wirtschaftliche Tätigkeit
- Ausnutzung von Hoheitsgebieten mit keiner Körperschaftsteuer oder einem Satz nahe Null
- Grenzüberschreitende Zahlungen zwischen zwei oder mehr verbundenen Unternehmen in Steuerhoheitsgebieten mit Steuerbefreiung oder einer steuerlichen Präferenzregelung. Die grenzüberschreitenden Zahlungen müssen beim Zahlenden als Betriebsausgabe abzugsfähig sein.
Darüber hinaus gibt es Kennzeichen ohne main-benefit Test, die in § 138e Abs. 2 AO enthalten sind. Hier tritt eine Meldepflicht unabhängig davon ein, ob mit der Gestaltung ein Steuervorteil bezweckt oder erzielt wurde.
- Zahlungen zwischen zwei oder mehr verbundenen Unternehmen bei den der Empfänger in keinem oder einem Steuerhoheitsgebiet auf der Schwarzen Liste der EU ansässig ist. Die Zahlungen müssen beim Zahlenden als Betriebsausgabe abzugsfähig sein.
- Vermögensübertragungen zwischen zwei Steuerhoheitsgebieten mit wesentlich unterschiedlichen Bewertungen
- Aushöhlung der Mitteilungspflichten nach automatischem Informationsaustausch
- Intransparente Kette: Strukturen mit substanzarmen Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen (Briefkastenstrukturen), bei denen die wirtschaftlich Berechtigten nicht identifizierbar gemacht werden.
- Spezifische Verrechnungspreisgestaltungen z.B. Gestaltungen, die unilaterale Safe-Harbor-Regeln nutzen, hard-to-value intangibles übertragen, oder zu einer Funktionsverlagerung mit mehr als 50% Einkünfteverlagerung führen
Mitteilungspflicht durch den Intermediär
Die Mitteilungspflicht trifft vorrangig den Intermediär. Ein Intermediär ist nach dem Gesetz, wer eine grenzüberschreitende Steuergestaltung vermarktet, für Dritte konzipiert, organisiert oder zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet (§ 138d Abs. 1 AO). Die erweiterte Definition des Intermediärs der Richtlinie ist im Gesetz nicht explizit enthalten. Zudem muss der Intermediär in einem Mitgliedstaat steuerlich ansässig sein, seine Dienstleistungen durch eine in einem Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte erbringen oder in einem Berufsverband für juristische, steuerliche oder beratende Dienste registriert sein (§ 138f Abs. 7 AO). Der Intermediär gilt grundsätzlich nicht als „Beteiligter“ an einer Steuergestaltung.
Verfahren
Sofern ein mitteilungspflichtiger Intermediär vorhanden ist (alternativ der Nutzer), muss dieser innerhalb von 30 Tagen nach dem Eintreten des meldepflichtigen Ereignisses zur Gestaltung relevante Informationen, wie einschlägiges Kennzeichen, Zusammenfassung der Gestaltung, Datum der Umsetzung, einschlägige Rechtsvorschriften nach amtlich vorgeschriebenen Datensatz an das BZSt übermitteln. Der Datensatz muss auch Informationen zum Intermediär enthalten. Weitere Informationen zum Nutzer der Gestaltung muss der Intermediär nur übermitteln, wenn der Nutzer den Intermediär von einer möglichen gesetzlichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hat. Über diese Möglichkeit muss der Intermediär den Nutzer immer informieren. Sollte der Nutzer den Intermediär nicht entbinden, muss der Intermediär den Nutzer innerhalb einer Woche über die auf den Nutzer übergehenden Meldepflichten informieren. Dann ist der Nutzer zur Meldung der weiteren Informationen unter Angabe der Registrierungsnummer für die Gestaltung (erhält er dann von Intermediär) verpflichtet. Der Nutzer einer Steuergestaltung kann jedoch auch in Gänze die Meldepflicht des Intermediärs übernehmen, wenn er diesen nicht zuvor von möglichen Verschwiegenheitspflichten entbunden hat.
Wenn dem Intermediär weitere Intermediäre bekannt sind, die zur Mitteilung derselben Gestaltung verpflichtet sind, kann er dies bekannt machen. Es ist, anders als im Regierungsentwurf, nur noch eine Option (§ 138f Abs. 3 S. 2 und Abs. 5 S. 5 AO).
Die Mitteilung nach § 138d Abs. 1 AO hat gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmte Schnittstelle zu erfolgen.
Verstöße gegen die Mitteilungspflicht sollen mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Bei der Ermittlung der Höhe des Bußgeldes spielt die Frage, ob die Angabe des tatsächlichen oder voraussichtlichen wirtschaftlichen Werts der Steuergestaltung erfolgt ist, keine Rolle mehr.
Zeitliche Vorgaben
Ab dem 01.07.2020 sind die neuen Vorschriften in allen Fällen anzuwenden, in denen der erste Schritt einer mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung nach dem 24.06.2018 umgesetzt wurde. Wurde der erste Schritt einer mitteilungspflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung nach dem 24.06.2018 und vor dem 01.07.2020 umgesetzt, ist die Mitteilung bis zum 31.08.2020 zu erstatten. Jedoch ist für diese Gestaltungen, welche vor dem 01.07.2020 umgesetzt wurden bzw. werden, die Bußgeldvorschrift bei Verstoß gegen die Mitteilungspflichten nicht anwendbar. Für Gestaltungen, bei denen der Eintritt des nach § 138f Absatz 2 AO maßgeblichen Ereignisses (grenzüberschreitende Steuergestaltung wurde zur Umsetzung bereitgestellt, der Nutzer ist zur Umsetzung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung bereit oder mindestens ein Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung hat den ersten Schritt der Umsetzung dieser Steuergestaltung gemacht) nach dem 30.06.2020 erfolgt. muss die Meldung innerhalb von 30 Tagen erfolgen.
Abläufe bei der Finanzverwaltung
- Es wird klargestellt, dass das BZSt zielgenau die Finanzbehörden der Länder informiert, die für die jeweils von einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung betroffenen Nutzer zuständig sind, und diesen neben dem Hinweis auf das Vorliegen einer Mitteilung über eine grenzüberschreitende Steuergestaltung auch die Registriernummer und die Offenlegungsnummer mitteilt (§ 138i).
- Der Finanzausschuss des Bundestages soll jährlich zum 1. Juni (erstmals 2021) einen Bericht über die Anzahl der gemeldeten Steuergestaltungen sowie die Fallgestaltungen die zu möglichen Gesetzesinitiativen oder die zu einem Ausschluss von der Meldepflicht (Veröffentlichung im BMF-Schreiben) geführt haben, erhalten.
Fundstelle
Finanzausschuss Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, BT-Drs. 19/15876, in der vom Finanzausschuss empfohlenen Form vom Plenum am 12.12.2019 angenommen